Lesezeichen setzen: RSS Feed abonnieren  Zu del.icio.us hinzufügen Zu Technorati Favoriten hinzufügen Diese Seite zu Mister Wong hinzufügen

13. Januar 2011 20:59:27

… alltäglich: S-Bahn-Momente

Der S/U-Bahnhof Friedrichstraße ist einer d e r Ameisenhaufen Berlins. Was läuft, steht, drängelt, quengelt, quallert dort täglich nicht alles scheinbar planlos durcheinander; über schmale Treppen, deren noch schlankere, bewegliche Verwandten, auf Bahnsteigen, durch Läden, an Kiosken vorbei, hinunter, hinauf, hinein und hinaus. Bestellend, bezahlend, essend, verdauend. Eng an eng stehend oder linksspurig überholend, gassenbildend vor dem Einsteigen oder traubenbildend vor dem Aussteigen. Menschen folgen auf unsichtbaren Spuren einem inneren Kompass, streben, ob winters, sommers, tags oder nachts, ihrem Ziel zu, morgens mit den Gedanken oft schon dorthin vorauseilend, wo sie mit ihrem Körper erst noch hin wollen.

Doch immer wieder gibt es in diesem Gewimmel Momente und Orte der relativen Ruhe. Im Erdgeschoss, wenn hilfesuchende Touristen fragend im Wege stehen und den Schritt der Eiligen bremsen; bei Wartenden auf den Bahnsteigen, deren Aufmerksamkeit den trippelnden und futtersuchenden Tauben gilt; für den gerade eingetroffenen Geschäftsreisenden, der sich beim Stöbern in der Morgenzeitung einen Kaffee gönnt und bereits die Rückfahrt kalkuliert oder abends, wenn der abgekämpfte Büro- oder Freiluftmensch innehält und am letzten Bahnsteig des Tages den heimbringenden Zug erwartet.

Auf dem unteren S-Bahn-Perron, von dem auch die Bahnen nach Oranienburg und Frohnau abfahren, sind an den Wänden zweieinhalb mal zwei Meter große Infoscreens angebracht, die dem meist gar nicht zufälligen, aber doch nur zeitweiligen, Zuschauer Tagesnachrichten und Werbung vor Augen führen. Die Menschen stehen für Augenblicke wie gebannt, einzeln und wie zur Salzsäule erstarrt, beinahe entrückt wirkend, schauen sie auf die bunte Welt vor ihnen. Erst wenn auf dem Infoscreen die nächste S-Bahn angekündigt wird und das Bild erlischt, erwachen die wartenden aus ihrer Starre, entsichern ihre Körper, wenden sich noch einmal einander kurz zu, steigen in ihren Zug und fahren davon.

 

Autor:

 

2 Reaktionen

  1. Joachim

    … zu dem vorgebrachten S-Bahn Perron fallen mir noch ein:

    David Perron (* 1988), kanadischer Eishockeyspieler
    Oskar Perron (1880–1975), deutscher Mathematiker
    Walter Perron (1895–1970), deutscher Maler und Bildhauer

  2. Jürgen Pahl

    @Joachim: Es gibt mindestens noch einen. Bahnsteig heißt auf russisch Perron (kyrillische Buchstaben habe ich momentan nicht zur Verfügung) und ist im russischen Sprachgebrauch üblich. Im deutschen ist dieses schöne Wort tatsächlich kaum noch im Einsatz. Zum „Ausgleich“ gibt es dafür jedes Jahr neue Wortungeheuer.

Beitragsarchiv

Bizim Kiez – Website