Lesezeichen setzen: RSS Feed abonnieren  Zu del.icio.us hinzufügen Zu Technorati Favoriten hinzufügen Diese Seite zu Mister Wong hinzufügen

7. Januar 2008 23:10:43

… antialles mit Herz und Verstand: HipHop/Reggae mit Migrationshintergrund

Fayez Faylasuf

Fayez Faylasuf preist seine CD an.

Apropos fliegende Händler: Wir sitzen im sehr angenehmen Avril im Körte-Kiez vor einer recht ansprechenden Nudel mit Flußkrebsen und Butterpaprikastreifen in Pernot-Tomatensauce. Neben uns feiern ein paar vorzeigemäßig integrierte Türken den Geburtstag eines, in einem Wollpulli mit großen Rauten drauf dasitzenden, Attillas, der aus einem seiner Geschenke einen anderen Pulli mit anderen Rauten drauf auspackt und sich sehr darüber freut. Da kommt Fayez Faylasuf an unseren Tisch, der uns mit guter Laune und rollenden HipHop-Lyrics seine CD anpreist. Das macht er nicht ungeschickt und so kaufe ich ihm die signierte und nummerierte Scheibe #3963 (von limitierten 5000) mit dem Titel „Herz und Verstand“ ab. Hip Hop und Reggae sei es, sagt er, gesungen auf …
.. deutsch und ein bisschen arabisch. Zuhause höre ich dann rein.

Gut und böse ist hier klar getrennt in wir und ihr. Böse ist jegliche Ideologie von Kapitalismus bis Atheismus und alle, die (so) denken sollten sich was schämen. Vor allem deshalb, weil sie sich nicht selbst in ihrer Macht beschneiden und nicht für einen gerechten Ausgleich zwischen allen Menschen sorgen.* Gut ist die Neighborhood und Consciousness, wobei die Guten stets auf der Seite der materiellen Verlierer aber der seelischen Gewinner stehen. Dieses gewissermassen alttestamentarische Weltbild ist geprägt von Opferkult und rächender Gottesgerechtigkeit in einer „finsteren Dimension“, die uns sicher bald einholen wird, denn die Wahrheit ist immer auf der Seite des jungen Palestinensers Fayez und seiner Posse, die zwar amerika-, schwulen-, emanzen- und systemfeindlich sind, aber im Kern eigentlich Gutmenschen. Das widerspricht sich alle drei Zeilen und mischt sich mit Langweilerzeilen wie „Denn mit verbalem Kung-Fu schlagen wir zu, drei Berliner Rapper texten euch jetzt zu“. Ich will es mal wohlmeinend als Orientierungslosigkeit ausdeuten, was auch den Wunsch nach extremer Verbrüderung erklären könnte.
Trotzdem: Respekt vor der Initiative, der ganzen Produktion, den Sounds und dem Engagement rund um den Privatvertrieb! Das sind Jungs, die den Mund aufmachen und sagen, was ihnen wichtig zu sein scheint. Ist ja schon mal nicht schlecht. Ob ich das verstehe, ist da wohl nicht so wichtig und ich glaube, wer auf der Suche nach dem fettesten Groove ist, ist im Herzen dann doch kein übler Dschihadist. Oder vielleicht doch? Im Zweifelsfall geht es bei „Herz und Verstand“ dann doch ganz entspannt um geile Titten und Ärsche und die Knarren werden reinen Herzens aus der geballten Faust gelegt, um die Hände fliegen zu lassen. Das ist doch wenigstens ein Ansatz, um das idiotische schwarz/weiß-Denken zu überwinden.

————
* Merkwürdig finde ich immer die Kombination aus Hasspredigt gegenüber dem Westen und der gleichzeitigen Hoffnung, der Westen möge den Rest der Welt erlösen. Das gleiche Phänomen findet sich auch bei G8-Gegnern, die einerseits gegen die anscheinend unbegrenzte wirtschaftliche Macht der wenigen Industrieländer demonstrieren und andererseits hoffen, genau diese faktische Weltregierung möge mit ihrer Macht Gutes über den Globus bringen.

 

Autor:

 

3 Reaktionen

  1. Joachim

    was hat eigentlich die ansprechende Nudel so gesagt?

  2. Magnus Hengge

    In der Digitaz wurde schon Mal über eine Begegnung mit dem Kollegen geschrieben.

  3. Jacob

    Danke für die sehr treffende Zusammenfassung. Ich weiß nicht, wie ich nach Jahren hier drauf gestoßen bin, aber nachdem ich meine #3673 im Jahr 2007 erhalten habe, habe ich mir bezüglich der inhaltlichen Aussage genau das Gleiche gedacht!

Beitragsarchiv

Bizim Kiez – Website