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9. Juni 2011 21:41:55

… Augenblicke: Jenseits von EHEC

Das Wartezimmer des Berliner Internisten war nur spärlich gefüllt. Eine etwa 40-jährige Frau mit leicht hervortretenden Augäpfeln, struppigem Haar und leidendem Gesichtsausdruck lag beinahe auf ihrem Stuhl und wartete anscheinend sehnlichst darauf, aufgerufen zu werden. Zwei Stühle weiter hatte sich ein 65-jähriger Mann mit schütterem Haar und einem markanten Schwimmringbauch niedergelassen und wurde kurz darauf von der, unentwegt redenden, Schwester zum Blutabnehmen ins Labor gebeten. Von dort konnte man das Ergebnis der vorgesehenen Prozedur akustisch mit verfolgen: Es klappte nicht. Nach zwei Versuchen brachte die Schwester den Mann wieder in das Wartezimmer zurück, gleichzeitig die übrigen Ausharrenden darüber aufklärend, dass „man ja nicht beliebig oft zustechen kann“. In der Zwischenzeit hatte eine korpulente 50-jährige Frau, deren optisches Erscheinungsbild durch verschiedene, nicht zueinander passende, Rottöne gekennzeichnet war, den Wartebereich betreten um sogleich der Schwester einen mitgebrachten Blumenstrauß zu überreichen. Ansonsten waren alle mit sich beschäftigt und starrten vor sich hin. Auf den Tischen lagen Image-Broschüren der Krankenkassen bzw. irgendwelche Werbeprospekte herum. Wer sich krank fühlt, hat kein Interesse an Krankenkassengelaber, noch weniger an Belehrung, höchstens an Unterhaltung und Ablenkung. Solche Zeitschriften fehlten aber in dieser Arztpraxis.

Als ich nach einer Stunde aufgerufen wurde und dem Arzt die Hand geben wollte, murmelte dieser etwas von EHEC, Grippe, Viren und ließ seine Hand stecken. Im Eiltempo wurde dann die Diagnose gestellt und die Anweisung für diverse Überweisungsscheine in den PC gehämmert. Sein Hinweis, dass es mit einem Termin beim Radiologen sehr schwer werden würde, erwies sich später als Volltreffer. Das deutsche Gesundheitswesen, welches den Menschen vom Patienten zunehmend in einen Kunden verwandelt hat, lebt (u.a.) vom flächendeckenden Einsatz der nun mal vorhandenen Medizin- und Labortechnik – gleichzeitig macht es damit alles immer teurer und irgendwann unbezahlbar. Bei der Quellensuche – die wie das Hornberger Schießen ausgehen könnte, denn man wird keinen Schuldigen finden – für den EHEC-Erreger hilft diese hochqualifizierte Technik offensichtlich aber auch nicht weiter. Vielleicht setzt sich ja auch mal die, selbst für medizinische Laien leicht nachvollziehbare Erkenntnis durch, dass man nicht vier Millionen Jahre menschliche Evolution (und damit Krankengeschichte) durch 50 Jahre Laborforschung kompensieren oder gar aushebeln kann!

 

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4 Reaktionen

  1. Günther

    Welche rätselhafte Tiefe verbirgt sich hinter dem letzten Satz? Oder bloß Hohlraum…?

  2. Jürgen Pahl

    Politische (Biowaffen) und ethische (Laborforschung und Patente) Aspekte einmal beiseite gelassen. Trotz medizinisch-technischem Fortschritt und intensiver Laborforschung hier ein paar ausgewählte Fragen: Die Menschen, zumindest in den sogenannten entwickelten Ländern, leben heute länger, aber sind sie auch gesünder? Einige Krankheiten, wie Masern und Pocken, sind in Europa selten geworden, aber welche Krankheiten sind in den letzten 50 Jahren verstärkt hinzugekommen? Warum gibt es, trotz jahrzehntelanger intensiver Laborforschung, in den letzten 20 Jahren sogar unter Einbeziehung des menschlichen Genoms, bisher keine Impfstoffe gegen Krebs oder Malaria? Warum wirken Antibiotika heute immer seltener? Details siehe u.a.: http://www.kaikupferschmidt.de.

  3. Günther

    Ich versteh´s immer noch nicht – ist es ein Appell zur Einstellung aller Laborforschung? Eine dieser dumpfen antiwissenschaftlichen Einlassungen von der hohen Luxuswarte herab (soll die Dritte Welt doch sehen, wo sie was zu fressen herkriegt, hier wird genetisch kein Tomätchen verändert…) ? Oder der Appell zur Einsicht in die Langsamkeit aller Prozesse? Oder was?
    Auf alle im 2. Kommentar gestellten Fragen gibt es dezidierte, sehr unterschiedliche, wissenschaftlich fundierte Antworten. Was soll die insinuierte Gemeinsamkeit sein? Dass man die hohe Komplexität natürlicher Prozesse unterschätzt hat und daher alles nun doch sehr viel länger dauert als erwartet und Rückschläge nicht ausbleiben? Dass irgendwelche politischen oder ökonomischen Instanzen die wissenschaftlichen Erfolge ver- oder behindern? Oder gar etwas Metaphysisches….??

  4. Jürgen Pahl

    1. Ja, ich denke, es wird alles länger dauern und nicht für jedes medizinische Problem wird die Laborforschung und Gentechnik eine Lösung finden.
    2. Von der Luxuswarte gehe ich durchaus nicht an das Thema heran, sonst hätte ich das Beispiel Malaria, an der lt. Wikipedia-Zahlen eine Millionen Menschen pro Jahr sterben und von der insbesondere Afrika betroffen ist, nicht erwähnt.

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