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Archiv der Kategorie ‘Alltägliches‘

7. September 2011 15:07:20

… verhauen: Latschenklatscha für fast alles

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Seit einigen Tagen finden sich in Kreuzberg kleine Plakate (schwarz/weiß-Kopien), die hauptsächlich auf den Wahlplakaten von allen Parteien kleben. Überall sind Slogans in der Form „Latschklatscha für …“ zu lesen, die sich vordergründig gegen Gentrifizierungsphänomene wenden (auf einem Plakat steht auch ausdrücklich „Latschenklatscha für Gentrifizierung“). Auf den Bildern sieht man lauter hippe, junge Leute, die mit einem Latschen oder einem Schuh bewaffnet dem Betrachter drohen.

Das Ganze ist doch ziemlich unausgegoren und ich verstehe nicht so recht was es soll. Gestern Abend sah ich einen Rastafari-Typen, der das Plakat „Latschenklatscher für Gentrifizierung“ fotografiert und zu mir sagte „recht so!“, eine Freundin dachte es sei bestimmt eine geschickte Werbung für eine Schuhmarke, und da die Abgebildeten doch eher nach kreativer Mittelschicht aussehen, kommen die Prekariatsgesten doch eher karikaturesk oder sarkastisch rüber. Auch die Formulierung mit dem „für“ ist missverständlich. Meint „Latschenklatscha für Mauerpark“ nun, dass man den Mauerpark mit einem Latschenklatscha unterstützt oder ablehnt? Irgendwie habe ich den Eindruck, dass sich das Projekt eher über die Echauffiertheit der Gentrifizierungsgegner lustig macht, als dass es auf deren Seite steht.

Wahrscheinlich mochte irgendein Fotograf einfach das Wort „Latschenklatscha“, hat einige seiner Freundinnen und Freunde zusammengetrommelt, um bei einer Party ein paar grelle Fotos zu schießen, die ja wirklich ganz lustig sind. Jetzt klebt die Schnapsidee halt als irgendwie politische Wall-Art in den Straßen und ist was es ist: eine Schnapsidee. Immerhin besser als Schnaps zu saufen, und keine Ideen dabei zu entwickeln!

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Auch andere berichteten …

 

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31. August 2011 21:12:14

… Steckbrief: Lautlos wie 007

Es hat seinen Siegeszug gerade begonnen. Man trifft es – selbst in Berlin – noch selten, zahlenmäßig nicht vergleichbar mit seiner lärmenden Verwandtschaft, aber es entwickelt sich. – Lautlos und elegant wie ein Indianer bewegte sich gestern das Elektromoped in der Nebenstraße an mir vorüber – bestückt mit einem etwas hochnäsigen Fahrer, der mir seine Antworten im Abfahren zuwarf. – ELMOTO hieß das Ding, kostet um die 4.600 € und fährt mit einer Akkuladung ca. 60-70 km weit. Die Reichweite ist noch nicht befriedigend, der Preis zu hoch, aber es hat begonnen. Irgendwann wird man bessere Akkus mit einer höheren Speicherkapazität bauen, die Reichweite und die Anzahl der Ladestationen werden zunehmen. Damit wird es für einen größeren Kreis von potentiellen Käufern interessanter und aufgrund höherer Produktionszahlen werden auch die Kosten und Preise sinken. Die kleinen E-Mopeds oder E-Fahrräder, aber auch die E-Autos werden unsere Ohren sowie die Umwelt schonen und vielleicht sogar unsere Abhängigkeit vom Import-Öl etwas verringern. In Berlin – auch in Deutschland insgesamt gibt es Veränderungen – krempelt sich die Verkehrsstruktur sowieso um, der Beginn ist bereits eingeklingelt. Mehr und mehr Fahrradfahrer sind im Straßenbild zu sehen. Die Erweiterung bestehender oder der Bau neuer Radwege hinkt hier dem Bedarf und den Prioritäten jedoch hinterher. Kleines Beispiel: Während man endlos über den Umbau der Kastanienallee diskutiert, ist der Radweg in der vielbefahrenen Schönhauser Allee bereits völlig überlastet und dringend erneuerungsbedürftig. Der öffentliche Personennahverkehr wird, wenn auch mit Kostendruck, bleiben und die privaten, kleinen, wendigen, parkplatzsparenden Verkehrsmittel werden für die Großstadt weiter an Bedeutung gewinnen. Und eines Tages werden diese lautlosen, elektrischen Mobile nicht mehr nur von Technik-Freaks, Angebern oder von denen, die es sich finanziell einfach leisten können, gefahren: Das Jahrzehnt der elektrisch angetriebenen Mobile ist gerade angebrochen und wir werden dabei sein! Auf die Stille in den Straßen müssen wir allerdings noch ein Weilchen warten.

 

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25. August 2011 13:47:26

… Augenblicke: Junge Frauen und Botticelli

Heute früh stand vor dem großen Schaufenster des Zeitungskiosk auf dem Bahnhof Friedrichstraße eine Frau, die das dort ausliegende Buch „Die Entdeckung der Frauen in der Renaissance“ von Thomas Blisniewski fotografierte. Auf meine Frage, warum sie das tue, antwortete sie, dass der Autor gerade im Ausland sei und sie ihm das Foto mailen wolle.

Das „Profilbildnis einer jungen Frau“ von Sandro Botticelli (1445-1510) gemalt, welches jenes Buchcover schmückt, ist in der Ausstellung im Bodemuseum zu sehen, die heute unter dem Titel „Gesichter der Renaissance“ (bis 20.11.11) beginnt. Botticelli, der Maler, der u.a. die geheimnisvolle Bilderreihe „Geschichte des Nastagio degli Onesti“ – die im Madrider Prado hängt – und das berühmte „Die Geburt der Venus“ geschaffen hat, zeigt uns mit der schönen Frau aus dem Profilbildnis ein selbstbewusstes, kluges und erstaunlich heutiges Gesicht. Auch die komplizierte und wunderschöne Haarpracht ist von dieser Welt und so ähnlich ja manchmal auch im Alltag zu sehen. Auffallend ist die verblüffende Ähnlichkeit der Gesichtszüge der Frau im Profilbildnis und der Venus. Dass die Schöne somit nicht nur ein Modell, sondern für Botticelli vielleicht sehr viel mehr war, lässt sich erahnen und – zumindest aus männlicher Sicht – leicht nachvollziehen. Möglicherweise ist dieses ansprechende Antlitz aber auch eine konstruierte und modellierte Idealschönheit, wie sie zuweilen ja auch der Büste jener altägyptischen Nofretete zugesprochen wird, die heute Berlins edelstes und bekanntestes Frauengesicht darstellt.

Die Frau vom Zeitungskiosk und ich unterhielten uns noch ein kleines Weilchen darüber, was etwas plötzlich oder nach längerer Zeit zu Kunst werden und manches davon die Jahrhunderte überdauern lässt. Sicher ist, dass nicht jeder Künstler zu Lebzeiten die Anerkennung und vielleicht sogar den Ruhm erntet, die zu späteren Zeiten auf sein Werk fallen. Andererseits ist mancher, der in seiner Zeit als Großer bezeichnet wurde, in den Augen der Heutigen ein Nichts. Wer und was aber entscheidet und erhebt solche Bilder in den Stand der Kunst oder sogar Zeitlosigkeit? Dass viele das auch bei dieser neuen Ausstellung in Berlin selbst herausfinden wollen, zeigt die bereits heute Morgen entstandene, lange Schlange am Ticketschalter.

 

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22. August 2011 08:02:55

… zugeschaut: Bekannte und Unbekannte

Essen ist auch Kultur, manchmal jedenfalls. Die schnurrbärtigen oder glattwangigen, deutschlandweit bekannten, Profi-Essenszubereiter aus dem Fernsehen sind dort ja eigentlich keine Köche mehr. Für das werkelnde Laien-Fußvolk – manche von ihnen mutieren vor der Kamera allerdings förmlich zu Experten – und für das begierig zuschauende oder mittuende Fernsehpublikum sind sie Ratgeber, Manager, Geschichtenerzähler und -abfrager sowie Scharfrichter und Idol in einer Person.

In Berlin läuft das etwas anders. Schon der Alltag im Kiez führt dem Einheimischen immer wieder Prominente vor die Augen, ohne dass er deshalb vor Verzückung gleich aus den Latschen kippen würde. Vor zwei Tagen lief mir in der Ackerhalle Inka Friedrich über den Weg. Natürlich hätte ich ihr bei dieser Gelegenheit lässig sagen können, wie gut sie (ein Weilchen her) in „Sommer vorm Balkon“ gespielt hat. Hab ich aber nicht. – Gestern Mittag wiederum fuhr Annette Schavan mit dem Fahrrad durch die Torstraße. Nun war kein weiterer Mensch in der Nähe und ich hätte ihr zurufen können: „Oh, Frau Ministerin, Sie hier? Guten Weg!“ Oder: „Warum hört man so selten etwas von Ihnen oder was wird denn nun – ja, ja, es ist Ländersache – aus unserem zurückgebliebenen Bildungs – und Schulsystem?“ Dann hätte ich, wie im britischen Unterhaus, noch ein lautes „Yeah, Yeah“ nachschieben können. Nun, solche Reaktionen kann man den Touristen überlassen. Manchmal ist aber nicht mal ein solcher in der Nähe, wie auch im folgenden:

Die Händler und den neueröffneten Markt am Nordbahnhof kennt keiner und niemand geht hin – bis jetzt jedenfalls. Ich will gern meinen Beitrag leisten, um diesem Zustand abzuhelfen und habe Ende der Woche am Obststand zwölf Äpfel aus neuer Ernte (Elstar) gekauft. Anschließend wurden die Äpfel gewaschen, geviertelt, stellenweise ausgeschnitten und kamen dann, zusammen mit 300 ml Wasser, drei Teelöffel Zucker, ein Stück Zimt und zwei Nelken, in den Topf. Daraus wurde Apfelmus gekocht, welches dann durch ein Sieb gedrückt und kaltgestellt wurde. Das kalte Mus hat eine wunderbare hellbraun/zimtene Färbung und schmeckte sehr aromatisch. Dann wurde es in Gläser gefüllt und anschließend in Berlin verteilt. Ein beträchtlicher Teil der Familie lag danieder oder fühlte sich malade. Da kam das Apfelmus gerade recht. – Ich habe zwar auch einen Schnurrbart, bin aber ein unbekannter Koch und will es auch bleiben.

 

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15. August 2011 21:56:41

… Augenblicke: Drei Boxer im Park

Zwei Männer, beide um die 30, und eine kräftige, hochgewachsene Frau, schwedenblond, in gleichem Alter, gaben heute Abend auf der großen Rasenfläche im Monbijoupark eine kostenlose  Vorstellung im Boxen bzw. Kickboxen. Zuerst kämpfte der eine (sehr beweglich, schwarzes, zum Pferdeschwanz gebundenes Haar und Beinschützer) gegen die weißgekleidete Amazone. Das heißt, der Mann deutete seine Schläge mehr oder weniger an, die Blondine schlug ihre, ebenfalls in Boxhandschuhen steckenden Fäuste, stärker durch. Konditionell kam die Frau durchaus einige Zeit mit, aber als ihre Arme schwerer wurden, bekam sie ihre Pause. Jetzt kämpften die beiden Männer – der zweite war zwar ebenso groß, aber etwas schmächtiger und hatte schon einige graue Haare – mit deutlich größerem Ernst und Einsatz (die Frau war Zuschauer), setzten dabei auch die Beine ein. – Im noch sonnenbeschienenen Park war die Rasenfläche gut besucht, aber niemand interessierte sich für die drei Boxer. Kein Blick ging zu dem ungewöhnlichen Trio hinüber, jedenfalls ließ sich niemand etwas anmerken. Oft spricht man von der Macht der Bilder – hier versagte sie offenbar.

 

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11. August 2011 18:20:41

… mit freundlichem Gruß an: Liebe Absender!

Jetzt auch auf diesem Wege nochmal: Sehr geehrte Redaktion der Zeitschrift „Elektronik“ in 85540 Haar, ich bekomme Ihr Fachblatt regelmäßig, obwohl ich es weder bestellt habe, noch brauche. Es klingt sicher aufregend, wenn Sie z.B. in der Nr. 16/2011, Seite 25 von einer „Amplitudenantwort des idealen Serienschalters als Funktion der Ansteuerungsapertur T …“ schreiben, aber bei mir schwingt und schaltet nichts Elektronisches; weder beruflich, noch privat. Vor Monaten hatte ich Sie bereits per Mail darum gebeten, mir keine Hefte mehr zu schicken. Vergeblich, denn offenbar ist Ihr Posteingangssensor kaputt …

Ob in Berlin oder anderswo: Die Freude über Zusendung nicht bestellter bzw. nicht gewünschter Botschaften, ob in Papier- oder anderer Form, ist ungeteilt. Denn: Auf fast jedem Briefkasten steht: Keine Werbung! Na und? Die „Berliner Zeitung“ enthält z.B. Werbematerialien diverser Art. Ein – zumeist – dann folgender, sofortiger Gang zur Mülltonne bedeutet zwar faktisch höhere Gebühren und die Vergeudung von Rohstoffen. Aber seien wir großzügig und vergessen nicht das Positive: Man bleibt immer in Bewegung.

Verehrte Maria Rodriguez, wer immer Sie sind und wo Sie auch wohnen. Ich kenne Sie bereits – aus meinem Mail-Briefkasten. Ob gerade ein verstockter Sommer amtiert oder Schneefälle Berlin noch reizender machen – Sie sind immer dabei und erinnern mich beim Einschalten des PC an entscheidende Fragen des Lebens. Brauchen Sie eine Penisverlängerung? So heißt es in periodischen Abständen schwarz auf weiss. Vielleicht ist ja mein Spamfilter schon angeturnt und kann nicht mehr richtig… sieben. Daher schaffen Sie, Maria oder wie Sie gerade heißen, es immer bis in mein Postfach. Lassen Sie nicht nach, bleiben Sie bei der Stange, die Menschheit braucht Sie. – Auch Ihnen, lieber Robert F. Ongongwu aus Nigeria oder Thian Ng Siong aus Hong Kong, bin ich zwar in Sympathie zugeneigt, kann aber nicht weiterhelfen. Ich wüsste schon, was man mit den 20 Millionen Dollar machen könnte, die Sie – hart erarbeitet und beiseite gelegt – nach Europa überweisen wollen, aber mir fehlt doch einiges, um ein good friend of you zu werden. Nehmen Sie es mir nicht krumm. Ich bin ja auch nicht böse, wenn ich regelmäßig Mails von Ihnen bekomme.

Bald werde ich für eine Zeit an einem Ort sein, wo mich keine Mails erreichen, kein Zeitungsvertrieb existiert und wo mich nicht plötzlich am Frühstückstisch ein sehr aufdringlicher Kerl aus dem Radio anbrüllt, um mir „Seitenbacher“-Müsli anzubieten. Liebe Nervensägen, seht es mir nach. Ich brauche Urlaub von Euch.

 

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8. August 2011 08:50:02

… neu: Schwejk am Helmholtzplatz oder Wahlen in Berlin

Der diesjährige, lausige Sommer hatte vorgestern in der Stadt nochmal einen erfreulichen Auftritt, denn die Sonne schien kräftig und alles strömte ins Grüne. Wenn die Geburtenrate in Deutschland immer weiter sinkt, so geht das zwar auch am Prenzlauer Berg nicht spurlos vorüber, aber aufgrund der Altersstruktur ist die absolute Zahl der Kinder hoch. Auf dem Helmholtzplatz herrschte daher am Sonnabend sehr reges Treiben. Kinder spielten, Erwachsene unterhielten sich über die Fortschritte ihrer Kleinen, die Erziehung im Allgemeinen und vergaßen beim Leeren einer „Rivella“ – die ein bayrischer Comedian nicht werbemüde wird, als das Nonplusultra der Erfrischungsgetränke anzupreisen – auch nicht, besondere Kinder-Fahrradanhänger, die nicht unter 500 € über den Ladentisch gehen, zu bemerken.

Eher unbemerkt, obwohl farbig, sind die mittlerweile überall herumhängenden Wahlplakate der Parteien, denn der Inhalt ist – wie immer – mager. Die Grünen machen es sich ganz einfach, bieten jedem etwas und versprechen die Schaffung einer Menge von Arbeitsplätzen, die Rot-Rot nicht erreichte, nun einfach selbst. Über CDU und FDP braucht man in Berlin nicht zu reden – beide sind so gut wie scheintot. „Berlin verstehen“ steht unter dem SPD-Plakat. Das in den vergangenen Monaten festzustellende Zurückweichen, Herumeiern, Verschleiern, die Konzeptionslosigkeit, vor allem aber die Ergebnisse des Senats bei wesentlichen Problemen für die Stadt Berlin, nämlich Beschäftigung, Wohnen, Flughäfen, S-Bahn, Kosten/Dauer von Bauvorhaben und Wasserverträge lässt an der Losung zweifeln und wird wohl dazu führen, dass SPD/Linke Stimmen und die Mehrheit verlieren. (Hinzu kommt, dass die Bürger des Landes Berlin – wie die Deutschen insgesamt – zunehmend die Lasten von Banken- und Finanzkrisen, aber auch sinnloser militärischer Auslandsmissionen zu tragen haben). Zu welchen Ergebnissen hingegen das Gedankengut der Rechten und einiger strammkonservativer „wahrer Europäer“ führen kann, hat der Massenmord von Oslo, der auf ein gedeihliches und friedliches Zusammenleben von Menschen zielte, gezeigt.

Abseits demokratischer Parteien ist zukünftig der verantwortungsbewusste und aktive Bürger gefragt, wichtige Belange der Gemeinschaft bzw. Gesellschaft mehr und mehr selbst in die Hand nehmen. Da es aber nun vorläufig noch so ist, dass der Amtsgaul zwar gut wiehert, frisst und verdaut, aber nicht so richtig zieht, wäre die sofortige Einführung einer Amtshaftung für Regierung und Verwaltungen durchaus angebracht.

Was nun Schwejk, den Trottel, eigentlich aber unsterblichen Helden, aus dem berühmten Roman des Jaroslav Hasek, betrifft, hat der – neben Karel Gott-Fotos, der Biene Maja, dem Maulwurf aus dem Zeichentrickfilm, dem Becherovka – und anderen tschechoslowakischen Spezialitäten, unweit des Helmholtzplatzes eine neue Heimstatt gefunden. Genehmigt man sich nämlich in der Schliemannstraße 38 ein Bier der äußerst wohlschmeckenden Sorte „Svijany“ vom Fass, so erscheint selbst die bevorstehende Berliner Wahl kurzzeitig in einem ganz anderen, bernsteinfarbenen Licht.

 

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29. Juli 2011 08:34:35

… philosophisch: Wochenendfrage

Am Dachfirst hockt geduldig eine Taube –
seit Stunden regnen sich die Wolken leer.
Ich seh es schon, doch fehlt mir jeder Glaube!
Wo nimmt der Vogel diesen Gleichmut her?

 

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Alltägliches

 

26. Juli 2011 08:48:28

… Stadtführer: Ecke Brunnenstraße

Die Brunnenstraße, die Invalidenstraße und auch die Veteranenstraße, gleichfalls der Ursprung ihrer Namen, gehen auf das 18. Jahrhundert und Friedrich II zurück. Die Quelle Gesundbrunnen einerseits und die militärischen Gegebenheiten Preußens andererseits führten schließlich zur Namensgebung. Für die Brunnenstraße – im Wedding war die Industriealisierung (z.B. AEG) Anfang des 20. Jahrhunderts besonders stark sichtbar – wurde um 1910 die erste und einzige Schwebebahn Berlins geplant, dann aber doch die U-Bahn gebaut. Heute ist die Brunnenstraße tatsächlich weder für das Einkaufen, noch für das Flanieren besonders zu empfehlen, höchstens für das Durchfahren. Die querende Invalidenstraße ist in ihrem westlichen Abschnitt zur Zeit Dauerbaustelle, während die kurze Veteranenstraße die Verbindung zur quirligen Kastanienallee und beginnenden Touristenzone herstellt.

An der Ecke Brunnen/Invalidenstraße dämmert ein leeres, dreigeschossiges Haus mit graubraunem Putz, der bereits an einigen Stellen abgefallen ist, vor sich hin. Direkt im Erdgeschoss – die hellbraun gefliesten Außenwände bilden den einzigen Schmuck dieses Gebäudes – befand sich ein Geschäft, in dem man Tischdecken aus Kunststoff kaufen konnte. Der Verkäufer muss ein wahrer Eremit gewesen sein, denn Kunden habe ich in diesem Laden nie gesichtet. Nun dienen die Schaufenster nur noch als Plakatwand. In Nachbarschaft dieses trostlosen Eckgebäudes befinden sich in der Invalidenstraße zwei leidlich sanierte Häuser, mit einem Bestattungsgeschäft (Jestorben wird imma) und einem Optiker, die beide die jüngsten Zeiten überdauert haben. Einige Meter weiter hat uns Meister Schinkel die architektonisch eher schlichte Elisabethkirche hinterlassen.

An der beschriebenen Kreuzung befindet sich nördlich der Veteranenstraße das 1904 als Warenhaus am Weinberg (einzige Berliner Kaufhaus von Jandorf, das den zweiten Weltkrieg unbeschadet überstand) erbaute prächtige Gebäude, welches zu DDR-Zeiten das Modeinstitut beherbergte. Wohl gibt es einen neuen Eigentümer; aber das Gebäude steht jetzt seit 21 Jahren leer. Kein Wunder, dass der gegenüber, am Rande des Weinbergsparkes sitzende Heinrich Heine, leicht spöttisch dreinblickt. Der kleine Park hinter ihm, in dem vor Jahren noch Drogendealer für Unruhe sorgten – ganz verschwunden sind sie nicht – ist inzwischen wieder stark frequentierter Erholungsort für die im Dreh wohnenden Berliner aller Art, insbesondere die Neuberliner, geworden. Wer sich im Sommer auf der westwärts abschüssigen Wiese sein Abendbier von der Sonne bescheinen lässt, wird die grüne Umgebung mit dem kleinen Seerosenteich schätzen.

Die südliche Brunnenstraße hat ihren Charakter noch nicht gefunden. Während der nördliche Teil, jenseits der Bernauer, bereits seit Jahren einen Mix aus mehr oder weniger florierenden Gaststätten, Internet- und Telefonläden, sowie Lebensmittel- und Friseurgeschäften anbietet, taumelt der südliche Abschnitt zwischen Geschäftseröffnung und -aufgabe, Gyros und Galerie, Antipasti und Antikapitalismus hin und her. Während es auf den Hinterhöfen der Nummer Sieben z.B. heißt: „REFUGEES WELCOME. TOURISTS PISS OFF“, hat nebenan im Vorderhaus das Geschäft einer größeren Bio-Kette eröffnet. Derweil an der Fassade der Hausnummer Zehn in übergroßen Buchstaben zu lesen ist: „DIESES HAUS STAND FRÜHER IN EINEM ANDEREN LAND“, werden in der Nummer Fünf viele derjenigen durch die Sozialstation Mitte/Prenzlauer Berg und die Volkssolidarität betreut, die in diesem teurer werdenden Berlin immer weniger eine Chance haben.

 

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18. Juli 2011 09:39:38

… beobachtet: Männer vom Bürgerpark

Alle zehn Minuten donnerten gestern Nachmittag die Flugzeuge über den Bürgerpark. Meistens waren es die rot-weißen Maschinen der Air Berlin, deren Schriftzug von unten deutlich zu lesen war. Die auf der Wiese lagernden Menschen schienen sich an das dauernde Geräusch hier längst gewöhnt zu haben. Kaum einer hob noch den Kopf, wenn wieder so ein Vogel den Park überflog.

Unweit der dort durchfließenden Panke, die in Berlin an einigen Stellen wieder renaturiert werden soll – wann hat es je so ein schönes, urberlinerisches Projekt gegeben – saß ein alter Mann auf einer Parkbank, die er in sein kleines Wohnzimmer verwandelt hatte. Die mitgebrachten Siebensachen, wie Zeitungen und etwas zu essen, waren fein säuberlich auf der ganzen Bank verteilt. Neben ihm stand ein Kofferradio uralter Bauart und spielte Musik. Wenn man vorbeiging, blickte der Mann nicht auf, so sehr war er mit seinem kleinen Reich beschäftigt. Auf der großen Wiese, unweit des mit Klinkern ummauerten, kleinen Springbrunnens, lagerten vor allem Familien mit Kleinkindern, die sich dort, wo auch keine Hunde zu sehen waren, frei bewegen konnten. Plötzlich erschienen zwei schlaksige Basecapträger auf der, von den reichlichen Niederschlägen der letzten Tage sattgrünen, Rasenfläche und brachten zwei große Modellautos mit. Sie hatten auch etwas zu trinken dabei – für sich in der Bierflasche und für die Autos im Kraftstoffbehälter. Als sie mit ihren knatternden Startversuchen begannen, reckten sich die Köpfe des halben Parks in ihre Richtung. Nachdem sie ihr Fahrtraining dennoch aufnahmen, redete ein 35-jähriger Mann energisch auf sie ein. Ergebnis: Boxenstopp. Mit hängenden Ohren verließen die Rennfahrer wenig später den Park. Wie ein kleiner Cowboy sah der Junge mit dem gelben T-Shirt (Mommys Rock Legend) und dem Halstuch aus. Den anderen, älteren Jungen sah er mit seinen hellblauen, aufmerksamen Augen nach. Vor allem ihren Bällen, die größer waren als seiner, lief er auf wackligen Beinen hinterher. Gerade mal ein Jahr ist der kleine Kerl geworden. Wenn die Flugzeuge heranbrummten ging sein Kopf nach oben, obwohl er dieses Geräusch schon kannte. In zwei Jahren, zu seinem dritten Geburtstag, wird es den Lärm über dem Bürgerpark endlich nicht mehr geben.

 

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