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Archiv der Kategorie ‘Deutschland‘

31. August 2011 21:12:14

… Steckbrief: Lautlos wie 007

Es hat seinen Siegeszug gerade begonnen. Man trifft es – selbst in Berlin – noch selten, zahlenmäßig nicht vergleichbar mit seiner lärmenden Verwandtschaft, aber es entwickelt sich. – Lautlos und elegant wie ein Indianer bewegte sich gestern das Elektromoped in der Nebenstraße an mir vorüber – bestückt mit einem etwas hochnäsigen Fahrer, der mir seine Antworten im Abfahren zuwarf. – ELMOTO hieß das Ding, kostet um die 4.600 € und fährt mit einer Akkuladung ca. 60-70 km weit. Die Reichweite ist noch nicht befriedigend, der Preis zu hoch, aber es hat begonnen. Irgendwann wird man bessere Akkus mit einer höheren Speicherkapazität bauen, die Reichweite und die Anzahl der Ladestationen werden zunehmen. Damit wird es für einen größeren Kreis von potentiellen Käufern interessanter und aufgrund höherer Produktionszahlen werden auch die Kosten und Preise sinken. Die kleinen E-Mopeds oder E-Fahrräder, aber auch die E-Autos werden unsere Ohren sowie die Umwelt schonen und vielleicht sogar unsere Abhängigkeit vom Import-Öl etwas verringern. In Berlin – auch in Deutschland insgesamt gibt es Veränderungen – krempelt sich die Verkehrsstruktur sowieso um, der Beginn ist bereits eingeklingelt. Mehr und mehr Fahrradfahrer sind im Straßenbild zu sehen. Die Erweiterung bestehender oder der Bau neuer Radwege hinkt hier dem Bedarf und den Prioritäten jedoch hinterher. Kleines Beispiel: Während man endlos über den Umbau der Kastanienallee diskutiert, ist der Radweg in der vielbefahrenen Schönhauser Allee bereits völlig überlastet und dringend erneuerungsbedürftig. Der öffentliche Personennahverkehr wird, wenn auch mit Kostendruck, bleiben und die privaten, kleinen, wendigen, parkplatzsparenden Verkehrsmittel werden für die Großstadt weiter an Bedeutung gewinnen. Und eines Tages werden diese lautlosen, elektrischen Mobile nicht mehr nur von Technik-Freaks, Angebern oder von denen, die es sich finanziell einfach leisten können, gefahren: Das Jahrzehnt der elektrisch angetriebenen Mobile ist gerade angebrochen und wir werden dabei sein! Auf die Stille in den Straßen müssen wir allerdings noch ein Weilchen warten.

 

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8. August 2011 08:50:02

… neu: Schwejk am Helmholtzplatz oder Wahlen in Berlin

Der diesjährige, lausige Sommer hatte vorgestern in der Stadt nochmal einen erfreulichen Auftritt, denn die Sonne schien kräftig und alles strömte ins Grüne. Wenn die Geburtenrate in Deutschland immer weiter sinkt, so geht das zwar auch am Prenzlauer Berg nicht spurlos vorüber, aber aufgrund der Altersstruktur ist die absolute Zahl der Kinder hoch. Auf dem Helmholtzplatz herrschte daher am Sonnabend sehr reges Treiben. Kinder spielten, Erwachsene unterhielten sich über die Fortschritte ihrer Kleinen, die Erziehung im Allgemeinen und vergaßen beim Leeren einer „Rivella“ – die ein bayrischer Comedian nicht werbemüde wird, als das Nonplusultra der Erfrischungsgetränke anzupreisen – auch nicht, besondere Kinder-Fahrradanhänger, die nicht unter 500 € über den Ladentisch gehen, zu bemerken.

Eher unbemerkt, obwohl farbig, sind die mittlerweile überall herumhängenden Wahlplakate der Parteien, denn der Inhalt ist – wie immer – mager. Die Grünen machen es sich ganz einfach, bieten jedem etwas und versprechen die Schaffung einer Menge von Arbeitsplätzen, die Rot-Rot nicht erreichte, nun einfach selbst. Über CDU und FDP braucht man in Berlin nicht zu reden – beide sind so gut wie scheintot. „Berlin verstehen“ steht unter dem SPD-Plakat. Das in den vergangenen Monaten festzustellende Zurückweichen, Herumeiern, Verschleiern, die Konzeptionslosigkeit, vor allem aber die Ergebnisse des Senats bei wesentlichen Problemen für die Stadt Berlin, nämlich Beschäftigung, Wohnen, Flughäfen, S-Bahn, Kosten/Dauer von Bauvorhaben und Wasserverträge lässt an der Losung zweifeln und wird wohl dazu führen, dass SPD/Linke Stimmen und die Mehrheit verlieren. (Hinzu kommt, dass die Bürger des Landes Berlin – wie die Deutschen insgesamt – zunehmend die Lasten von Banken- und Finanzkrisen, aber auch sinnloser militärischer Auslandsmissionen zu tragen haben). Zu welchen Ergebnissen hingegen das Gedankengut der Rechten und einiger strammkonservativer „wahrer Europäer“ führen kann, hat der Massenmord von Oslo, der auf ein gedeihliches und friedliches Zusammenleben von Menschen zielte, gezeigt.

Abseits demokratischer Parteien ist zukünftig der verantwortungsbewusste und aktive Bürger gefragt, wichtige Belange der Gemeinschaft bzw. Gesellschaft mehr und mehr selbst in die Hand nehmen. Da es aber nun vorläufig noch so ist, dass der Amtsgaul zwar gut wiehert, frisst und verdaut, aber nicht so richtig zieht, wäre die sofortige Einführung einer Amtshaftung für Regierung und Verwaltungen durchaus angebracht.

Was nun Schwejk, den Trottel, eigentlich aber unsterblichen Helden, aus dem berühmten Roman des Jaroslav Hasek, betrifft, hat der – neben Karel Gott-Fotos, der Biene Maja, dem Maulwurf aus dem Zeichentrickfilm, dem Becherovka – und anderen tschechoslowakischen Spezialitäten, unweit des Helmholtzplatzes eine neue Heimstatt gefunden. Genehmigt man sich nämlich in der Schliemannstraße 38 ein Bier der äußerst wohlschmeckenden Sorte „Svijany“ vom Fass, so erscheint selbst die bevorstehende Berliner Wahl kurzzeitig in einem ganz anderen, bernsteinfarbenen Licht.

 

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6. Juli 2011 17:57:07

… wieder mal in Charlottenburg: Georg Schramm

georgschramm

Wie vermisse ich ihn!

Vor einem Jahr entfernte er sich aus dem Medium Fernsehen und ließ uns zurück: Georg Schramm – für mich Deutschlands bester politischer Kabarettist. Er hatte den „Scheibenwischer“ (ARD) verlassen und dann später auch „Neues aus der Anstalt“ (ZDF) für sich beendet. In letztgenannter Sendung gab Schramm – sein kabarettistisches Tun ist von einmaliger Schärfe und seltener Qualität – den bösen Rentner Dombrowski und den Oberstleutnant Sanftleben. Dombrowski, die Figur mit dem Gesicht und Image eines ewig unzufriedenen, weil erfolglosen, Versicherungsvertreters und Sanftleben, mal ehrlich, nachdenklicher, dann ganz forscher Militär, der – im Gegensatz zu seinem zwischenzeitlichen, abgedankten, großen Chef – zu seinem Wort stand. Dieser Oberstleutnant, der in „bester“ preußischer Tradition, aber modern gewandelt, das Wort Kollateralschaden mit bellendem Lachen bedenkenlos an jedem Sonntagnachmittagskaffeetisch fallenlassen würde, der das (auch deutsche) Drama in Afghanistan lange vorher sah und mit schnoddriger Verachtung sezierte, ging uns verloren. Beide Figuren und ergo Schramm selbst haben dem deutschen Zuschauer, also uns, insbesondere aber einer besonders fehlentwickelten Spezies, dem Politiker, respektive seiner, ihn tragenden, Parteien, ihre Wahrheiten um die Ohren gehauen. Das Gift, dass seine Figuren versprühen – in Wahrheit ist es ein Antibiotikum – soll in seiner Zielgruppe nur die Blutbahn und den Kopf von all den Keimen der Dummheit, Verlogenheit und Gier reinigen, gegen die das EHEC-Bakterium vergleichsweise nur ein vorübergehender, zumeist friedlicher, Besucher ist.

Georg Schramm, 1949 geborener Arbeitersohn, Offiziersschüler, zwölf Jahre Psychologe in einer Reha-Klinik, ist – berufsmäßig – ein Sucher nach Leuten und Ansichten, die seine Wut, seinen Abscheu, aber nicht Ignoranz verdienen. Ab heute tritt der Kabarettist wieder für einige Tage in den „Wühlmäusen“ auf. Sein Programm heißt „Meister Yodas Ende“. Natürlich ist alles ausverkauft. Wer noch eine einzelne Karte ergattert, kann sich glücklich schätzen.

 

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9. Juni 2011 21:41:55

… Augenblicke: Jenseits von EHEC

Das Wartezimmer des Berliner Internisten war nur spärlich gefüllt. Eine etwa 40-jährige Frau mit leicht hervortretenden Augäpfeln, struppigem Haar und leidendem Gesichtsausdruck lag beinahe auf ihrem Stuhl und wartete anscheinend sehnlichst darauf, aufgerufen zu werden. Zwei Stühle weiter hatte sich ein 65-jähriger Mann mit schütterem Haar und einem markanten Schwimmringbauch niedergelassen und wurde kurz darauf von der, unentwegt redenden, Schwester zum Blutabnehmen ins Labor gebeten. Von dort konnte man das Ergebnis der vorgesehenen Prozedur akustisch mit verfolgen: Es klappte nicht. Nach zwei Versuchen brachte die Schwester den Mann wieder in das Wartezimmer zurück, gleichzeitig die übrigen Ausharrenden darüber aufklärend, dass „man ja nicht beliebig oft zustechen kann“. In der Zwischenzeit hatte eine korpulente 50-jährige Frau, deren optisches Erscheinungsbild durch verschiedene, nicht zueinander passende, Rottöne gekennzeichnet war, den Wartebereich betreten um sogleich der Schwester einen mitgebrachten Blumenstrauß zu überreichen. Ansonsten waren alle mit sich beschäftigt und starrten vor sich hin. Auf den Tischen lagen Image-Broschüren der Krankenkassen bzw. irgendwelche Werbeprospekte herum. Wer sich krank fühlt, hat kein Interesse an Krankenkassengelaber, noch weniger an Belehrung, höchstens an Unterhaltung und Ablenkung. Solche Zeitschriften fehlten aber in dieser Arztpraxis.

Als ich nach einer Stunde aufgerufen wurde und dem Arzt die Hand geben wollte, murmelte dieser etwas von EHEC, Grippe, Viren und ließ seine Hand stecken. Im Eiltempo wurde dann die Diagnose gestellt und die Anweisung für diverse Überweisungsscheine in den PC gehämmert. Sein Hinweis, dass es mit einem Termin beim Radiologen sehr schwer werden würde, erwies sich später als Volltreffer. Das deutsche Gesundheitswesen, welches den Menschen vom Patienten zunehmend in einen Kunden verwandelt hat, lebt (u.a.) vom flächendeckenden Einsatz der nun mal vorhandenen Medizin- und Labortechnik – gleichzeitig macht es damit alles immer teurer und irgendwann unbezahlbar. Bei der Quellensuche – die wie das Hornberger Schießen ausgehen könnte, denn man wird keinen Schuldigen finden – für den EHEC-Erreger hilft diese hochqualifizierte Technik offensichtlich aber auch nicht weiter. Vielleicht setzt sich ja auch mal die, selbst für medizinische Laien leicht nachvollziehbare Erkenntnis durch, dass man nicht vier Millionen Jahre menschliche Evolution (und damit Krankengeschichte) durch 50 Jahre Laborforschung kompensieren oder gar aushebeln kann!

 

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24. Mai 2011 18:24:26

… Augenblicke: Marathongeschichten

Der 26. September 2010 war ein kühler und regnerischer Tag. Von der Abgabe der Laufbeutel bis zum Starterfeld des 37. BerlinMarathon brauchte man ca. 25 Minuten Wegezeit, was ich für zu lang halte (ähnlich wie die Wartezeit im „Zieltrichter“, bis einem die Medaille umgehängt wurde). Das Starterfeld der ca. 40000 war in sechs große Blocks eingeteilt, die sich auf der Straße des 17. Juni, mit Gittern zum Tiergarten hin abgegrenzt, aufgebaut hatten. Die Läufer standen sehr beengt und nach Abgabe des Startschusses vergingen, wie bei allen Großläufen, einige Minuten, ehe alle Teilnehmer mit ihrem Chip die Startlinie und somit den Beginn der elektronischen Zeitmessung, erreicht hatten. Für mich war 2010, trotz vieler Vorsätze, der erste „heimische“ Marathon. Meine bisherige Abneigung resultierte vor allem aus der Tatsache, dass die Strecke vollständig auf Asphaltbelag zu absolvieren ist. Trotz einer für mich akzeptablen Zeit von 4:06:03 war ich mit dem Verlauf nicht zufrieden, da meine Beinmuskeln bereits ab km 27 „fest“ waren. Da konnte mich auch die begeisterte Anteilnahme der Berliner, wie der Touristen und die dichte Atmosphäre eines Stadt-Marathons nur noch teilweise aufmuntern.

In einem weniger großvolumigen Rahmen startete am 21. Mai 2011 der 39. GutsMuths-Rennsteiglauf in Thüringen – insgesamt waren 14220 Teilnehmer dabei, darunter 2011 auf der Super-Marathon-Strecke (72,7 km), 2812 Läufer beim Marathon (43,5 km) und 5881 auf der Halbmarathon-Distanz. Der Rennsteiglauf – auch größter Cross-Marathon Europas genannt – war bereits vor 30 Jahren ein Kultlauf und er ist es noch heute. Wer ihn einmal mitgelaufen ist – auch viele Berliner sind jedes Jahr mit Begeisterung dabei – wird immer wieder kommen und sich neben der sportlichen Herausforderung, der perfekten Organisation, der stets guten Stimmung auch am Maiengrün des Thüringer Waldes erfreuen. Der diesjährige Marathon, traditionsgemäß mit dem Schunkeln des „Schneewalzers“ zehn Minuten vor dem Start in Neuhaus am Rennweg eingeleitet (und am Abend nach dem Lauf immer mit einer gewaltigen Sause im Zielort Schmiedefeld beendet) war wettermäßig ebenfalls nicht einfach, da es auf den ersten Kilometern sehr schwül war und auf dem letzten Abschnitt wolkenbruchartige Niederschläge auf das Läuferfeld niedergingen. Für mich war es der 23. Marathon auf dem Rennsteig, den ich diesmal auf dem 1350. Platz beenden konnte. Übrigens: Die schnellsten Berliner bei diesem Lauf – Katrin Schütze mit 4:10:30 bei den Frauen und Stephan Splanemann mit 03:28:24 bei den Männern.

Den beeindruckendsten Moment erlebte ich – schon als Zuschauer – im Stadion von Schmiedefeld, als auf der 73 km-Strecke nach 11 Stunden nochwas zwei Läufer aus dem Gehörlosenlaufverein Essen auf die Zielgerade einbogen. Während der eine mit seinen Kräften am Ende war und nur noch mit Mühe seine Beine voreinander setzen konnte, lief sein Sportsfreund ein paar Schritte vorneweg und versuchte ihn mit lebhafter Mimik und Gestik zu animieren, auch die letzten Meter noch zu schaffen, was auch gelang. Im Ziel angekommen konnten sich beide vor Freude kaum lassen und umarmten einander minutenlang.

 

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12. Mai 2011 13:56:33

… anti: Touristen und Kreuzberg

Berlin does not love you

Mit dem Einspieler „Wir müssen draußen bleiben“ wurde in den ARD-Tagesthemen mit leicht ironischem Unterton berichtet, wie wenig begeistert alt eingesessene Kreuzberger, die ja ihrerseits auch alles nur Wahlberliner sind, auf Touristen aus aller Herren Länder reagieren. „Berlin does not love you“ schallt es von kreisrunden Aufklebern, die in übler Absicht arglosen Touristen auflauern, um ihnen hinterrtücks mit ausgrenzender Ablehnung entgegenzuschlagen, so im Beitrag zu hören.

Tatsächlich gibt es eine nicht ganz unbegründete ablehnende Unterströmung, gegen die absolute Tourismusvermarktung der Berliner Kieze, wobei deutlich zu sagen ist, dass sich diese Haltung eher gegen die hiesigen Profiteure, als gegen die Touristen selbst richtet. Denn es ist nicht zu leugnen, dass sich einzelne Stadträume wie z.B. der Wrangelkiez in wenigen Jahren extrem verändert haben, natürlich nicht nur zu deren Ungunsten, wobei aber der unangenehme Nebeneffekt auftritt, dass die Mieten in den Kiezen extrem rasch ansteigen. So entsteht ein Verdrängungsprozess, der das typische Kiezleben, das ja gerade für Touristen so attraktiv sein soll, in wenigen Jahren zum absterben bringt, und gegen Billig-Restaurants global-einheitlicher Ausprägung ersetzt.

Und an dieser Stelle beginnt dann doch die Touristen-Schelte, denn es ist festzustellen, dass vielen Besuchern der lokale Bezug der touristischen Attraktionen vollkommen egal ist. Viele wollen einfach nur Spaß haben, andere Touristen treffen, sich die Birne zusaufen, Burger fressen und dabei schlechte Musik hören – „international style“ zu lokalen Tiefstpreisen. Es scheint das ausgemachte Ziel dieser jungen internationalen Fun Communiy zu sein, die Berliner Innenstadt flächendeckend mit Scherben zu überziehen (scheiß auf die lokale Sitte der Pfandflasche), nachts laut und grundlos herumzugröhlen (Kreuzberger haben für ihre öffentlichen Äußerungen hingegen meist ernste Anliegen), alles abzufotografieren (wo wir doch extra unsere Häuder bei Google-Maps haben verpixeln lassen) und in die Grünflächen zu kotzen (Berliner betreten erfahrungsgemäß die innenstädtischen Grünflächen ohnehin nur widerwillig, von daher ist dieses Detail noch am wenigsten störend).

Also: Was wir wollen sind Flugpreise, die die echten Kosten dieser Technologie widerspiegeln und damit so teuer werden, das nur noch berechtigte Anliegen einen internationalen Flug rechtfertigen, so dass dann die Touristen zu uns kommen, die wir Kreuzberger sehr gerne bei uns empfangen, bewirten und mit denen wir gerne feiern.

scherben

Dazu die kleine Presseschau:
TagesspiegelSpiegelFocus

 

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2. Mai 2011 19:21:46

… Fingeryoga: Angela Merkel hat ein Lieblings-Mudra

angelamerkelmudra

Neulich bin ich zu einem Geburtstagsumtrunk eingeladen und da flattert ein Wellness-Ratgeber-Geschenk auf den Tisch: „Mudras – Erfolg, Kreativität, Wohlbefinden“ von Gertrud Hirschi. So was ist natürlich beste Spontanlektüre für gemeinsames Improvisieren, doch da fiel mir das „Mudra für den Auftritt“ ins Auge. Diese typischste Handhaltung unserer Kanzler ist ein Mudra! Frau Merkel therapiert sich permanent öffentlich mit Fingeryoga. Das Mudra stärkt angeblich die Adrenalindrüsen, fördert das Selbstvertrauen und beruhigt bei Lampenfieber. Was sollen wir davon halten? Atmen Sie tief, langsam, rhythmisch und fein!

 

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15. April 2011 20:59:52

… rausgeplatzt: Stimme oder Rente oder Gesundheit!

Gestern lag meiner Tageszeitung eine ganzseitige Anzeige bei. Ich erwähne sie deshalb, weil ich bis jetzt erfolglos der Frage nachgehe: Was soll uns das?

Es geht um die Sozialwahl 2011. Die Anzeigenüberschrift lautet: „Ihre Stimme für Rente und Gesundheit“. Besser würde natürlich klingen: Ihre Rente für Gesundheit und Stimme – oder so. Wobei, man weiß ja nicht, ob überhaupt … Also: „Rund 48 Millionen Versicherte und Rentner bestimmen bei der Sozialwahl darüber, wer bei der Deutschen Rentenversicherung Bund und bei den Ersatzkassen der gesetzlichen Krankenversicherung die wichtigen Entscheidungen trifft“. Aha.

Apropos Krankenversicherung. Einmal abgesehen von der Frage, ob es in Deutschland mehr Krankenkassen als, sagen wir, Bischöfe im Vatikan gibt (oder umgekehrt), hält mich die meinige – es war mal eine kleine, jetzt ist sie gewachsen – immer auf dem laufenden. Wenn ich sie vor Jahren mal ab und an brauchte, rief ich irgendwo in Westdeutschland an – denn in Berlin (warum auch) war diese Kasse nicht vertreten – und hatte sogleich jemanden am Ohr, der mir in der Regel schon deshalb nicht helfen konnte, weil ich seinen babbelnden Dialekt nicht verstand. Das war auch nicht weiter schlimm, denn Post bekam ich regelmäßig und keine Beitragserhöhung ging an mir vorüber. Mindestens alle sechs Wochen kam auch ein Hochglanzprospekt mit allerlei auserlesenen Informationen, die sich allerdings für das praktische Leben als unbrauchbar erwiesen. Was nützt mir z. B. der Hinweis, dass der Dichterbarde X oder der gewesene Leistungssportler Y gleichfalls Mitglied meiner Provinzkasse sind. Ich habe auch nicht allzu viel davon, wenn mir der, auf dem unvermeidlichen Foto, entgegengrinsende Vorstandsvorsitzende meiner Kasse salbungsvolle Worte für den Tag und möglichst noch die ganze Woche mitgibt. Auch ist mein Interesse gering ausgeprägt, in einem speziell präparierten Bergbauerndorf in den Karpaten eine Heukur zu absolvieren, nur weil meine Kasse dort so einen vorzüglichen Kontrakt abgeschlossen hat.

Seit wenigen Jahren hat meine Krankenversicherung nun eine Filiale in Berlin, zuerst jwd, dann aber in Mitte. Wenn ich dieses Büro besuche, breitet sich Frieden in meinem Herzen aus, denn hier finde ich Ruhe, Freundlichkeit, wenn auch nicht immer Antwort bzw. Entscheidung zu meinen Anliegen. Aber der Mensch kann nicht alles haben und so muss ich manchmal noch auf die Antwort der babbelnden Kollegen aus der Ferne warten.

Vor einigen Monaten hat meine Krankenkasse nun Hochzeit gefeiert, d.h. mit einer anderen fusioniert. Jetzt haben wir also zwei Vorstandsvorsitzende. Das ist doch ein Fortschritt, denn vier Ohren hören mehr als zwei und wenn der eine Manager sich mal irrt, dann gibt’s ja immer noch den anderen. Das die Kasse, ach Entschuldigung, wir, die Mitglieder, nun zwei Vorsitzende bezahlen, ist ja nur eine Petitesse angesichts der Tatsache, dass die Vierfaltigkeit von Krankenkassen-Ärzten-Apotheken-Pharmafirmen auch zukünftig so ertragreich funktionieren wird. Dem Wähler zur Sozialwahl 2011 – und natürlich auch mir -wünsche ich an dieser Stelle für die Zukunft vorsichtshalber Gesundheit und eine gute Zeit.

 

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3. April 2011 14:44:01

… ein geeigneter Ort, um nationale Psychosen zu diskutieren: Wende in der arabischen Welt?

wendeinarabien

Schon letzten Sonntag war ich im Haus der Kulturen der Welt zum Podiumsgespräch: „Wende in der arabischen Welt? Arabische und europäische Blicke auf die aktuelle Situation in Nordafrika„. Eingeladen waren viele Gesprächspartner aus ganz verschiedenen Ländern, die durchaus unterschiedliche Lageberichte abgaben, und denen auch sehr verschiedene Themen und Sichtweisen wichtig waren. Allen gemeinsam war allerdings ein realistischer und zuversichtlicher Optimismus, dass es im arabischen Teil der Welt zu einer nachhaltigen Veränderung Richtung Wahrung der Menschenrechte kommen wird. Alle glaubten, dass es zwar viel Zeit brauchen wird, da die Regime in den verschiedenen arabisch geprägten Ländern das „Konzept des Staatsbürgers“ seit Generationen bewusst hintertrieben hätten, und die Menschen deshalb kaum Erfahrung mit dem entsprechenden Gefühlszustand hätten, über den sie auf die Idee kommen könnten, die nationale Regierung für die eigene Miserie verantworlich zu machen, oder etwa zu verlangen, dass innerhalb der Staatsgrenzen Bürgerrechte umgesetzt werden müssten. Aber sie waren sich einig, dass die Mehrheiten nicht hinter die alten Standards zurückfallen wolle, dass es bei aller Verunsicherung in den Ländern auch ein motivierendes Gefühl der Befreiung gäbe.

Interessant war ein Statement von Hisham Matar, der sagte, dass er glaube gerade Berlin sei ein geeigneter Ort, um über die Gefühlslagen in der arabischen Welt zu sprechen. Die Deutschen hätten viel Erfahrung beim Bearbeiten von nationalen Psychosen und wären immer wieder zu ermutigenden Ergebnissen gekommen. Das könne den Arabern nur helfen. Dies quasi bestätigend meldete sich ein Zuhörer aus dem Plenum zu Wort und beschrieb seine persönlichen Empfindungen als arabischer Auswanderer, der schon seit Jahrzehnten in Deutschland lebt, als er wie gebannt vor den Fernsehnachrichten saß und sah, wie sich die Menschen in Tunesien und Ägypten gegen die korrupten Machthaber erhebten. Er sagte, er hätte zum ersten Mal so etwas wie Stolz darauf verspürt, ein Araber zu sein, nachdem es ihm in seinem ganzen bisherigen Leben immer eher peinlich gewesen war, wenngleich er sich bewusst war, dass er als Exilant aus der Ferne nicht mehr als ein Zuschauer war. – Eine Mischung aus Peinlichkeit und Stolz: Vielleicht wirklich gute Arbeitsbedingungen für Deutsche.

 

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19. März 2011 13:42:13

… in Bewegung: Natur und Mensch

Vorgestern nachmittag – ein besonders feiner Nieselregen ging über der Stadt nieder – standen sechs junge Frauen und Männer neben dem Haupteingang zu den Schönhauser Arcaden und baten um Spenden für die Opfer der Katastrophe in Japan. Man sah ihnen die Überwindung an, hier in der Öffentlichkeit lautstark um Hilfe zu bitten, denn die Japaner haben ein anderes Naturell als wir Deutschen. Jeder, der ein paar Euro in ihren Pappkarton warf, bekam einen kleinen, aus rotem Papier gefalteten Kranich, ein dankbares Lächeln und eine Verbeugung geschenkt.

Der Kranich ist auch das Zeichen der Lufthansa, die aufgrund der Nuklearkatastrophe vor einigen Tagen ihren Flugverkehr nach Tokio eingestellt hat. Die vom THW entsandten technischen Spezialisten für Erdbebenhilfe wurden aus demselben Grund nach wenigen Tagen wieder nach Deutschland zurückgeholt. Die US-amerikanische Flotte, die ihren Kurs zwecks Hilfe für die Tsunamigebiete geändert hatte, drehte wegen der Strahlungsgefahr des AKW Fukushima wieder ab. Werden die Japaner in ihrem Unglück allein gelassen oder ist die Angst vor der Atomkatastrophe so groß, dass man keine weiteren Menschen in dieses Gebiet schicken kann? Zweifellos ist die Gefahr riesengroß, unkalkulierbar und dennoch müssen Menschen, wie in Tschernobyl, diesem Gefahrenmoloch zu Leibe rücken. Der Mensch hier will wissen, was 9000 Kilometer weiter geschieht und schaltet deshalb morgens, wenn sich in Japan der Tag dem Ende neigt, den Fernseher an. Aber manchmal will man auch nicht die ganze Wahrheit erfahren.

Homo Sapiens hat mit dem Gebrauch des Feuers, dem Buchdruck, der Dampfmaschine, dem Auto, Flugzeug und Computer immer wieder Erfindungen gemacht oder Fertigkeiten erlernt, die ihm das Überleben und den Fortschritt ermöglichten. Der Mensch hat aber gleichzeitig die Erde so verändert, dass Leben auf ihr vernichtet, Umwelt beeinträchtigt und seine Zukunft fragiler geworden ist. Mit der Kernspaltung und ihrer Anwendung hat er schließlich eine Entdeckung gemacht, die ihn um seine Existenz bringen kann. Obwohl es kaum noch Atomwaffentests gibt, existieren doch noch Unmengen solcher Waffen. Auf der Jagd nach Energiequellen hat aber der Mensch auch der sogenannten friedlichen Nutzung der Atomkraft Raum gegeben und Atomkraftwerke gebaut, obwohl die hier ablaufenden – gegebenenfalls hunderte von Jahren dauernden – Prozesse, einschließlich der Entsorgung, nicht beherrscht werden. Es ist mir gleich, wer in Deutschland die Atomkraftwerke abschaltet, wenn es nur geschieht. Aber man sollte jene im Auge behalten, die – uns für dumm verkaufen wollen – jetzt immer noch oder irgendwann wieder davon sprechen wollen, dass die Atomkraft beherrschbar sei. Die menschliche Hybris stößt an eine Grenze, die man nicht überschreiten darf. Wird der Mensch sich jetzt, angesichts der Ereignisse in Fukushima, dessen endlich bewusst?

Die japanische Botschaft liegt am heutigen Morgen in mildem Sonnenschein. Der Gebäudekomplex in der Hiroshimastraße Nr. 6 macht einen architektonisch strengen, ja fast preußischen, Eindruck. Die mächtige, noch blätterlose, Platane auf dem Botschaftsgelände erscheint wie ein riesiger, stummer Wächter. Neben dem Eingang zur Botschaft befindet sich, auf einem sauber begrenzten Viereck, ein Meer von Blumen, Kerzen und anteilnehmenden Karten und Briefen. Die Straße ist menschenleer, aber ein paar Meter weiter im Tiergarten bewegen sich ein paar Jogger in den frühlingshaften Tag.

 

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