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Archiv der Kategorie ‘Installation‘

22. März 2012 11:23:14

… übersetzt und andere Worte

Eine Ausstellung in der Neuen Gesellschaft für Bildende Kunst und im Kunstraum Kreuzberg
Noch bis zum 15. April präsentieren die NGBK und der Kunstraum Kreuzberg im Bethanien In anderen Worten, ein Schwarzmarkt der Übersetzungen mit Arbeiten von 44 teils in Berlin lebenden internationalen Künstler_innen. Sie thematisieren kulturelle Isolation und Sprache als Herrschaftsinstrument, die sichtbaren und weniger sichtbaren Dimensionen der Vermittlung von sprach- und kulturübergreifenden Botschaften. Dabei macht die Vielfalt der gewählten Medien den performativen Reiz der Schau aus, die sich selbst wiederum im spezifischen Umfeld von Berlin-Kreuzberg als Bühne multikulturell gelebter Begegnung verortet. Den Kurator_innen geht es um Sprache – und Übersetzung – mit Blick auf Dominanz und „Minderheiten“ ebenso wie als schlicht hingenommene Gewohnheit (James Webb, Know Thy Worth), als stilprägende Microsoft-Ikone (Detanico Lain, New Roman Times), als Pseudoidentität (Graciela Guerrero Weisson, Karaoke) oder professionelle Konfusion, deren Zweck darin liegt, Klarheit zu schaffen (Christoph Keller, Interpreters, und Ofir Feldman, WordBank). 7500 Steine, die Paolo W. Tamburella für World Languages im Raum auslegt, stehen für alle lebenden Sprachen, die jeweils für sich existieren, und doch Berührungspunkte haben. Sie kontrastieren mit Miguel Monroys Installation Equivalente – Belege aus Wechselstuben, in denen der Künstler so lange Pesos gegen Euros tauschte, bis die Provision, die dafür zu zahlen war, sein Geld aufzehrt.

Doch Sprache ist mehr als Worte, wie Maria Teresa Sartori in The Sound of Language akustisch belegt: Elf Enzyklopädien und Kopfhörer vermitteln den Klang verschiedener Sprachen, ohne dass man die Worte entschlüsseln könnte.

Im Verweis auf die Produktion neuer Sprachen und neues Schreiben inszeniert In anderen Worten Sprache schließlich auch als subversiven Gegenpol zum Bestehenden oder Gesehenen. Das scheinbar Simple – automatisiertes, maschinengeneriertes Schreiben oder Übersetzungen made by Google – erweist sich in Demian Schopfs Máquina Cóndor und Lorenzo Scotto Di Luzios Babbling Google als sinnlos. Der Übersetzer wird zum Retter (toter Sprachen), der er allein kann sie noch verstehen. Und so widmet Braco Dimitrijevic (1994) ihm ein Tafelbild aus Lettern: „Es lebte einst ein Übersetzer, der keine Fremdsprache beherrschte. … Er übersetzte nicht von einer Sprache in eine andere, sondern von einer in eine andere Zeit.“

Zu dieser inspirierenden Schau erschien ein zweisprachiger Katalog (deutsch/englisch). Mehr unter: www.ngbk.de.

 

 

24. Juni 2011 07:50:07

… alarmierend: Chinesen im Monbi!

Jetzt ist es soweit. Die Chinesen sind im Monbijoupark eingefahren. Ihre Autos, glänzende Imitate deutscher Edel-Karossen, haben einen Platz hoch oben auf dem extra aufgebauten Gerüst neben dem Atelierhaus, welches den zentralen Ausstellungsort für „based in Berlin“ bildet. Das Thema ist die Berliner Gegenwartskunst, die an folgenden, weiteren Adressen und noch bis zum 24. Juli 2011 betrachtet werden kann: KW Institute for Contemporary Art (Auguststraße), Nationalgalerie im Hamburger Bahnhof, Neuer Berliner Kunstverein (Chaussestraße 128/129) und Berlinische Galerie. Weitere Details siehe hier: http://www.basedinberlin.com/

Was mir – unvollständig – im Atelierhaus auffiel: Ralf Pflugfelders „Untitled“, eine interessante Holzkonstruktion, die an die ersten Flugapparate (Lilienthal) erinnert und eine vertrackte Situation darstellt: Das Gerüst passt gerade so in den Raum hinein. Bewegung ist nicht möglich und ein Scheitern jeder Absicht zwangsläufig. Warum auch nicht. – Befremdet war ich, in einer Fotoportraitreihe ein paar abgehalfterte Politiker zu sehen. Was sollen die in dieser Ausstellung? – Die gesammelten Intenet-Video-Mitschnitte der Tanzenden von Matthias Fritsch „We, Technoviking“, 2010, sind wenig berührend und nichts neues. – Was mich bei der Gegenwartskunst wundert: Warum setzt sich z.B. niemand mal mit der hohlen Penetranz dieser „sozialen Netzwerke“ des Internets auseinander, zum Beispiel in der Form eines öffentlichen „Freunde“-Löschens?

Auf der oberen Plattform des Gerüstes sind dann die drei chinesischen Autos aufgestellt, die wohl BMW-Marken nachgebaut wurden. Zunächst mal ganz nüchtern: In der Realwirtschaft wird China zum wichtigsten Markt für die deutschen Autobauer. Da wird der deutsche Autokäufer ja wohl irgendwann auch kein Extra-Design, vielleicht auch keine Extra-Technik, mehr erwarten können! Aber hier: Ist das Kopieren, der glänzende Nachbau des Originals, neue Kunst oder werden hier nur die alten, weiterentwickelten Warhol’schen Suppendosen vorgezeigt?

Das Podest befindet sich übrigens in nahezu ebenbürtiger Höhe mit dem Dach des kunstschweren Bode-Museums. Was für eine Ironie! Oder soll es gar keine sein?

 

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2. Februar 2011 14:01:19

… mediales Getue: transmediale 11 im Haus der Kulturen der Welt

paulvanouse_transmediale11

Es ist wiedereinmal eine Art Rummelplatz für arty nerds & geeks geworden. Überall werden große Datenmengen gesammelt, rekombiniert, visualisiert, verdampft, gelöscht oder auch mal mit Poesie und Tanz neu aufgeladen. Bücher, in denen endlose Datenbankinhalte gezeigt werden, Texte oder Bilder, machen die Runde. Und man gibt sich wissenschaftlich, sucht die Nähe zur Biologie und Genforschung, bleibt dabei aber auf einer rein phänomenologischen Ebene. D.h. man macht irgendwas, es passiert irgendwas, das visualisiert man irgendwie medial aufgebläht und dann schreibt man einen irrwitzig überbordenden Text zu den gewaltigen Möglichkeiten oder Erkenntnissen, die zumindest theoretisch mit der verwendeten Methode eröffnet wurden. „RESPONSE:ABILITY„. So geht heute Medienkunst und nebenbei verkommen wissenschaftliche Basismethoden (auf Schulniveau) zu Kunstevents. Als Paradebeispiel für solcherlei Vorgehen können die Arbeiten von Paul Vanouse gelten.

Am sympathischsten sind dabei noch die DIY-Stände, wo man aus Karotten Föten schnitzt, Lampen umstrickt oder eigene kleine Animationen improvisieren kann.

reynoldreynolds_transmediale11

Aber ich will nicht nur schlecht reden, es gibt auch sehr schöne, höchst artifizielle, letzlich nicht entschlüsselbare und vielleicht gerade dadurch stark anziehende Arbeiten zu sehen, und auch hier möchte ich exemplarisch eine Arbeit benennen. Wirklich wunderbaren Kunstgenuss bietet Reynold Reynolds im Studio 4, wo auf 8 Videoscreens die zusammenhängende „The Secret Trilogy“ zu sehen ist. Man erlebt den Gang der Zeit und den Lauf der Dinge, Leben und Tod, Selbsterkenntnis und Sexualität, fressen und gefressen werden, wachsen und sterben und es ist ein köstlicher Zeitvertreib. In Stop-Motion-Technik reihen sich symbolisch aufgeladene und poetische Bilder aneinenader, flimmern in künstlerischer Überhöhung und atemloser Geschwindigkeit.

Das Programm der transmediale 11 ist riesig und sicherlich gibt es ebenso viele interessante wie uninteressante Dinge zu sehen. Man muss es halt zu nehmen wissen.

 

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30. Januar 2011 17:17:09

… Labor: Alles was Sie über Chemie wissen müssen im Bethanien

jelleferinga

Zur transmediale 11 gibt es diesmal einige „Satelliten“ in der Stadt, also Orte an denen sich das transmediale Programm in andere Locations als das angestammte Haus der Kulturen der Welt ausbreitet. Zusätzlich gibt es, wie immer, das breitgefächerte club transmediale Programm, in dem die musikalische Seite des Festivals zusammengefasst wird. Das hört sich geordnet an, doch tatsächlich ist die Ausstellung, um die es hier gehen soll, nur über Google auf der Website der Abteilung club transmediale zu finden. Aber solcherlei Unschärfen ist man von der transmediale ja gewohnt und es sollte nicht auf die Einschätzung der Ausstellung abfärben. Denn diese „Alles was Sie über Chemie wissen müssen“, präsentiert vom niederländischen Kunstraum TAG, sehr schlüssig kuratierte Ausstellung breitet sich gekonnt in 2 Studios des Bethanien aus. Es geht zwar eher um physikalische als um chemische Phänomene, aber sei’s drum. Besonders bemerkenswert fand ich einige kinetische Objekte. … Weiterlesen

 

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30. Januar 2011 15:34:18

… wiederholt: Total Recall das wichtigste Festival des nacherzählten Films im HAU1

Alle Jahre wieder im Januar im HAU1: Das zweitägige Festival TOTAL RECALL, zu dem sich Filmfreaks aller Generationen und Genre vereinen, um sich gemeinsam mittels freier Erzählung, an filmische Momente zu erinnern, egal ob bekannt oder unbekannt, Hauptsache der Film, von dem erzählt wird, existiert. Eine/r steht vorne am Pult, hat 10 Minuten Zeit, und erzählt: mal gut und schnell zusammengefasst, mal wild zwischen Filmstory und der eigenen Geschichte, die in mehr oder weniger konkretem Zusammenhang zum ausgesuchten Film steht, meandernd. Besonders überraschend sind dabei oft die Erzähler/innen, die sich kurzentschlossen auf die Bühne trauen, sich aus dem Stegreif versuchen, um das meist zunächst noch lückenhafte Programm zu komplettieren.

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In den letzten Jahren waren es mehrheitlich Männer, die sich auf der Bühne produzierten, oft Typen, denen man den Film-Nerd schon von Weitem ansah, und die dann von höchst schrägen iranischen Kung-Fu-Softpornos aus den 1970ern (gefühltes Genre) erzählten. In dieser Kategorie trat diesmal Andre Wentzel an, der von dem extrem billig produzierten, türkischen Superheldenepos „3 Dev Adam“ berichtete, in dem unter anderem relativ zusammenhangslos ein grün gekleideter, gewaltbereiter Spiderman und ein kleptomanisch veranlagter Captain America ihr Unwesen treiben.

Auffällig aber war diesmal die Dominanz von Frauen, die eindeutig die Führung im Bereich des nacherzählten Films übernommen haben. Und ebenso wie früher die Männer neigten einige dazu, tiefe Einblicke in ihre sexuellen Neigungen und Phantasien zu offerieren. So eine üppige Blondine, … Weiterlesen

 

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26. Dezember 2010 02:01:40

… nicht Sarrazinland: Genetik, Religion und Teihabegerechtigkeit

jon beckwith about sarrazin

Vorhin sah ich die Weihnachtsansprache des Bundespräsidenten zwischen all den staatstragenden „Ehrenamtlichen“ und da fühlte auch ich mich von den warmen Worten angesprochen, ein paar abschließende Gedanken zusammenzufassen.

Der folgende Text bezieht sich auf verschiedene Gegebenheiten, Sendungen und Events, die alle schon ein bisschen länger zurückliegen, doch deren thematischer Zusammenhang am Ende dieses Jahres so aktuell ist wie nie. Bei den Veranstaltungen in Berlin war ich selbst in geringem Umfang beteiligt, oder zumindest anwesend, so dass ich mir erlaube aus eigener Sicht einen Beitrag zum großen Debattenthema des Jahres 2010 zu leisten. Das Thema könnte lauten: „Was wird aus dem unbestreitbaren Multikulti-Staat Deutschland?“ oder provozierend in sarrazinscher Manier: „Lassen sich Muslime in einen demokratischen Staat (wie die Bundesrepublik) integrieren?“ … Weiterlesen

 

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22. November 2010 00:34:40

… Zukunft, die nicht mehr ist, was sie einst war: Anmerkungen zu einer Ausstellung in Warschau

Paul Valery (1871-1945) behauptete einmal über die Zukunft, dass sie nicht mehr sei, was sie einst war. Was das in der Kunst meinen könnte zeigt das Warschauer Zentrum für Zeitgenössische Kunst aktuell mit hochspannenden Videoinstallationen, animierten Filmen und Bildern überwiegend junger Künstlerinnen und Künstler aus Ungarn, USA, Polen, China, Italien, Österreich und Südkorea. In einer von Magdalena Sawón kuratierten Ausstellungen sind Arbeiten von Tamas Banovich, Kevin Bewersdorf, Mikolaj Dlugosz, Kenneth Tin-Kin Hung, Michael Mandiberg, Eva und Franco Mattes, Joe McKay, Ursula Endlicher, Joo Youn Peak, Zach Gagen und The Yes Men im seit 1996 als Museum und Galerie fungierenden Schloss Ujazdowski zu besichtigen.

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3. Oktober 2010 17:21:49

… unvergesslich: Julian Rosefeldt in der Berlinischen Galerie als Preisträger des Vattenfall Kunstpreises

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„The Shift“, 2008, Julian Rosefeldt
Production Photograph from, 4-screen film installation, © VG Bild-Kunst, Bonn 2010

Living in oblivion“ – Leben in der Vergessenheit nennt Julian Rosefeldt die Ausstellung in der Berlinischen Galerie. In einer symmetrisch aufgebauten Großinstallation, die über zwei Spiegel bis ins unendliche verlängert erscheint, werden drei Arbeiten kombiniert, deren Mitte von der fotografischen Dokumentation eines geschichtlich bedeutsamen Platzes in München gebildet wird, dem Gelände der ehemaligen „Ehrentempel“, das in unmittelbarer Nachbarschaft zum sogenannten „Braunen Haus“, dem Gründungshaus der NSDAP, und dem früheren Verwaltungsgebäude der NSDAP-Parteizentrale, liegt. Die Monumente zum Gedächtnis an die beim Marsch auf die Feldherrnhalle am 9. November 1923 von der Polizei erschossenen Hitler-Anhänger, waren hier zur kultischen Verehrung der sogenannte „Märtyrer der Bewegung“ aufgebaut. Nach dem Krieg wurden sie von den Amerikanern gesprengt, doch die Grundsockel sind bis heute hinter Hecken zu sehen. Die Ausstellung nimmt den Grundaufbau der Ehrentempelanlage auf, wobei die beiden Sockel … Weiterlesen

 

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26. September 2010 15:24:06

… hörbar: Urban Audio von Florian Tuercke auf Deutschland Tour

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Was steht denn da für ein seltsamer Apparat am Straßenrand? Ist die Stasi wieder aktiv, diesmal nur ohne Tarnung? Werden wir wieder abgehöhrt?

Tatsächlich, da richtet einer seine Instrumente auf den Verkehr, der als Abbild der Bewegung Ausdruck unserer Leben ist. Florian Tuercke hört der Großstadt den Puls ab und macht aus dem Rauschen des Lebens halb akkustisch, halb elektronisch so etwas wie Musik. Mit einem kleinen Bus ist er unterwegs und nimmt mit seiner Drone-Unit je eine Stunde Field Recording.

Jetzt ist der Stadtakustiker auf Deutschlandtour und kommt nach Berlin:
Am 1.10. am Potsdamer Platz und am Tag der deutschen Einheit (3.10.) am Alexanderplatz. Auf dass der nationale Verkehr in in D-Dur erklinge …

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8. November 2009 13:07:27

… am Grenzkontrollpunkt dadara: Einreise ins Traumland

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Das klingt nach einem verführerischen Ort der Freiheit und des Wohlbefindens: Dreamland, das Land in dem alle Träume wahr werden, an dem es keine Ungerechtigkeit, keine Angst und keine Ausgrenzung gibt. Glaube nur fest an deinen Traum, habe ihn klar vor Augen und er kann hier Realität werden.
Dieses Land zeigt sich beim Wunsch es zu betreten oder es zu bereisen schnell als wehrhafter Staat. Die Kunstaktion „CHECKPOINT DREAMYOURTOPIA“ – A Border Control Checkpoint to Enter Your Own Dreams – tritt erst einmal reserviert auf. Einreisende haben sich fast völlig zu entblättern und müssen nach den Regeln Border Patrol tanzen. In einem zweiseitigen Formular sind zum Teil intimste Angaben zu machen, zu denen man in einem langwierigen und höchst willkürlichen Prozess befragt wird. Da bei neigen die uniformierten Grenzposten zur Übergriffigkeit und Schikane, sie spielen konsequent die Macht aus, die ihnen von den Einreisenden zugestanden wird. Man wird von einer Wartereihe in die nächste bugsiert, muss zur Unterhaltung eines Grenzers Lieder singen, grade stehen ohne sich an die Wand anzulehnen, wird nochmals kontrolliert, bekommt Handy und Schlüssel abgenommen, wird wieder an den Anfang zurückgebracht, oder ganz im Gegenteil einfach vor allen anderen Wartenden drangenommen, zieht so die Verärgerung von anderen auf sich usw. In diesem irritierenden, teils sehr lustigen, teil aber auch etwas beängstigenden Verfahren werden Gruppen geteilt und Fremde einander näher gebracht. Man erlebt eine Grenzerfahrung im doppelten Sinne: Einmal weil sich das typische Gefühl der nervösen Ergebenheit einstellt, das auch an echten Grenzposten auftritt, sei es bei der Einreise in die ehemalige DDR oder heute beim Betreten der USA, und zum anderen, weil man mit lauter Unbekannten herausfordernde Aufgaben zu lösen hat. Das ganze hat den Charakter eines stressigen Accessment Centers. Man bewirbt sich und muss sich bewähren.
Wir gingen zu viert ins Stadtbad Wedding und jede/r von uns erlebte in den Grenzbaraken eine ganz unterschiedliche Geschichte. Es kommt darauf an, ob man bereit ist die Rolle anzunehmen, die einem in der Kunstaktion zugewiesen wird. Nimmt man den tatsächlichen Entzug des freien Willens persönlich und verweigert sich dem schikanösen Gebaren, eckt man sofort an und man braucht ewig im Abfertigungsprozess, (wenn man nicht gar gleich vorher aufgibt). So kam von uns vieren nur ich bis ins Ziel, bekam den hübschen Dreamland-Pass und durfte in die sagenhafte Lounge. Der Witz ist natürlich, dass hinter der Grenzanlage alles genauso ist wie davor. Es ist natürlich die reine Farce. Wo sollte das Traumland denn sein, wenn nicht in einem selbst und wie absurd zu glauben, man könnte dort, an einem realen Ort einreisen. Und doch zeigt sich hier, wie stark Menschen getrieben werden, allein durch die Hoffnung es könnte wo anders besser sein. Es ist der Glaube an Erlösung und der Wunsch bei denen zu sein, die alles haben, alles dürfen, alles können, der uns freiwillig zu schwachen Spielfiguren im Theater der Machtverteilung werden lässt. Man nimmt alles in Kauf, egal was passiert nur um hier raus zu kommen und dort rein zu gelangen.

Die Aktion könnte nicht besser terminiert sein, als jetzt am Wochenende vor den Feierlichkeiten zum 20. Jubiläum des Mauerfalls. Es ist eine großartige künstlerische Ergänzung und eine Erinnerung an die Teilung der Welt in Ost und West, und eine eindringliche Mahnung daran, dass noch längst nicht alle Mauern eingerissen sind. Natürlich sind die Ähnlichkeiten zu den Einreiseformalitäten der USA unverkennbar. Der amerikanische Traum und der inbegriffene Ethos des „sei dein eigener Herr“ mit seinen zwei widerstrebenden Ansätzen „setz dich durch“ und „pass dich an“, die beide konkurrenzorientiert sind, ist förmlich greifbar.


Tipp zur Einreise: Nehmen Sie allerlei Bestechungsmittel mit. Zigaretten, Bier, Süßigkeiten, kleine Püppchen oder sonstigen glitzernden Krimskrams. Das kann vor so mancher verschlossener Tür helfen. Und die Reflexe der Befehlskette funktionieren immer von oben nach unten. Ich habe mir z.B. eine halbe Stunde Wartezeit gespart, weil ich in einer unübersichtlichen Situation einfach zu der zentralen Gittertür ging und behauptet habe, dass ich 10 Meter weiter hinten von einem anderen Grenzer mit vielen Abzeichen gebeten wurde direkt in die Einlassbarake zu gehen und beherzt durchging.

Unbedingt hingehen!!! Nur noch heute am 8. November 2009, im Stadtbad Wedding, Gerichtsstraße.
Nicht vergessen: Vorher Einreisepapiere ausdrucken und ausfüllen!

 

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