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Archiv der Kategorie ‘Themen‘

7. September 2013 18:37:25

… abgedreht: FWTB 2013 – Tag 2

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Der zweite Abend des Newcomer-Festivals First We Take Berlin (FWTB) fing auf hohem Indie Pop Niveau im Fluxbau. Sebastian Lind aus Dänemark kommt total sympathisch mit überzeugenden Melodien über sauber strukturierten Songs. Einfach gute, aktuelle Pop Mukke.

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Mein persönlicher Topact des Abends fand im Postbahnhof statt. Kranke Kostüme, überbordende Körperlichkeit und konsequent für den Schrägen Dance Floor. Man könnte meinen es geht um P-Funk, aber tatsächlich ist. Es die nächste Stufe des ElektroSwings. Dirty Honkers pusten einem mit 2 Saxophonen und ner Menge Spielkonsolen den letzten Rest kritisches Auffassungsvermögen aus dem Hirn. Eine steile Blondine in Kunstlederbandage, ein Psychobilly in Silbershorts und ein schwabbeliger, kreativ körperbehaarter Mann können richtig geile Musik machen, wenn sie mit  JoySticks vor viel zu engen goldenen Höschen rumspielen. „Yeah move your body and take your cloths off!“ Let’s do a little workout!“

Dann kurz rüber ins Lido zu Braids, aber die warn nach den Dirty Honkers nicht wahrnehmbar. Also schnell wieder zurück zum Postbahnhof:

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Yalta Club mit deutlich Anleihen bei Afrobeats und Straßenmusik sorgen für ordentlich gute Laune und flüssige Bewegung bei Menschen, die auf handgemachte Musik stehen. Und englische Texte mit leicht französischem Akzent sind ja ausgewiesenermaßen unwiderstehlich (siehe Phoenix). Besonders nett: Zum letzten Song sollten sich das ganze Publikum auf den Boden setzen und die Musiker/innen kamen mit handverlesenen Instrumenten mitten in den Raum und spielten wirklich unpluggt. Ich hatte das Glück genau in der Mitte des Raumes zu hocken und so kam es, dass alle Musiker sich im Kreis um mich einfanden – so wurde der letzte Song mein ganz persönliches Ständchen 😉

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Danach fand ich alles andere langweilig und so soll der Rest unerwähnt bleiben.

 

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5. September 2013 14:10:40

… Club crawling: FWTB 2013 – Tag 1

Dieses neue Festival „First we take Berlin“ (FWTB) macht wirklich Spaß: 80 Newcomer Bands verteilt über 8 Locations an 2 Tagen. Alle Konzerte verteilen sich auf die bekannten Clubs rund um die Oberbaumbrücke, so dass das Wechseln zu Fuß oder mit dem Fahrrad überhaupt kein Problem ist.

Am Mittwochabend sah ich:

Bipolar sunshine
Bipolar Sunshine hatte im Magnet leider ein paar technische Probleme, doch ihre Songs entlohnten mehrheitlich für die Wartezeiten. In guten Momenten klingt ein bisschen Bloc Party durch wobei sie nie deren Raffinesse erreichen, aber die Grundstimmung ist bei diesen nämlich manisch-depressiven, tendenziell Richtung Mittelgrau zu verorten.

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Nebenan beim Dänenfest im Comet geht es offensiv poppig zu. Vorsätzlich glatt aber mit (zumindest live) interessanter Stimme Kadie Elder in Hosenträgern. In ihrem flachen Halbinselstaat haben sie sogar schon einen kleinen erhebenden Hit mit „Simple Guy“ gelandet.

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Weiter ins Lido zu Thomas Azier: Experimentieren mit den Grundbegriffen des Synthie Pop mit einem expressiver Sänger, der kontrolliert trifft, was er wünscht.

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Ab in den PrivatclubDort ging’s mit unplugged Bargesang mitten im Publikum los – gefolgt  von der Ansage „we play no love songs tonight“. Dann zwischen unterdrückten Rülpsern und Akkordanschlägen auf der Gitarre mit Bierflasche in der Hand vor nacktem, verschwitztem Oberkörper, werden extrem verhallte langsame Melodien gegröhlt. Das ganze ist durchaus gelungene Kunst von  M O N E Y.

 

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1. September 2013 12:18:16

… leselustig: Mathias Énard beim 13. internationalen literaturfestival berlin

Mut zum Experimentellen bewies Mathias Énard 2008 mit Zone. Für die sympathische Novelle Erzähl ihnen von Schlachten, Königen und Elefanten erhielt er 2010 den Prix Goncourt des lycéens. Sein Roman Remonter l’Orénoque aus dem Jahr 2005 wurde 2012 von Marion Laine mit Juliette Binouche und Edgar Ramirez unter dem Titel A coeur ouvert verfilmt.

Vielfalt ist also ein Kennzeichen des französischen Autors und aktuellen DAAD-Gastes, der 1972 in Niort/Frankreich geboren wurde und zurzeit in Berlin lebt. So wundert es nicht, dass sein jüngstes Buch eine sehr politische Geschichte um Flucht, Migration und Marginalisierung ist. Sie spielt in Tanger und Barcelona und erzählt von Träumen und Hoffnungen, die sich nie erfüllen werden. Dennoch ist Straße der Diebe kein deprimierendes Buch. Enard scheint existenzialistisch inspiriert: Seine Helden leben dennoch, trotz aller Schicksalsschläge, trotz absurder Verwicklungen, aus denen es kein Entrinnen zu geben scheint.

Sein Protagonist, Lakhdar, der wegen einer jugendlichen Affäre mit seiner Cousine Meryem von seiner Familie verstoßen wird, schließt sich, gemeinsam mit dem naiv-gemütlichen Nachbarssohn Bassam, Sheikh Nourredines „Gruppe für die Verbreitung koranischen Denkens“ an. Doch weitaus weniger radikal als der Jugendfreund, und entsetzt von der fundamentalistischen Gewalt, für die die islamistische Szene steht, wendet er sich bald wieder seinem eigentlichen Ziel zu: Krimis und Europa. Als er die spanische Studentin Judit aus Barcelona kennenlernt, scheint sein Traum wahr werden zu können. Doch illegal in Europa ist keine wirklich Perspektive. So verdingt sich Lakhdar zunächst bei einem französischen Raubkopierer, der seine Leidenschaft für das Genre Noir teilt; dann heuert er auf einer Fähre an, die täglich die Strecke Tanger-Tarifa fährt. Als die Reederei Konkurs anmeldet, und das Schiff den Hafen von Algeciras nicht mehr verlassen darf, wagt Lakhdar endlich den Schritt auf den nahen und doch so fernen Kontinent. Und landet schließlich – ohne Papiere und verfolgt von der Polizei – in Barcelona, in der „Straße der Diebe“. Ob Judit, die mittlerweile zur militanten Aktivistin der Indignados wurde, ihn noch liebt, ist ungewiss. Als Bassam und Sheikh Nourredine aus dem fern gewordenen Orient ebenfalls in Spanien eintreffen, scheint der Showdown fast unausweichlich …

Mathias Énard ist ein wunderbarer Erzähler. Seine Worte und Beschreibungen lassen Menschen, nicht Klischees, vor den Augen der Leserin entstehen. Und darum geht es auch. Straße der Diebe ist ein Appell, wenn es sein muss auch gegen Windmühlenflügel zu kämpfen, und sich dabei nicht zu verlieren. Während Bassam zur Marionette der Islamisten wird, geht Lakhdar einen anderen, besonnenen, ehrlicheren Weg: „Ich bin kein Mörder, ich bin mehr als das. Ich bin kein Marokkaner, kein Franzose, kein Spanier, ich bin mehr als das. Ich bin kein Muslim, ich bin mehr als das. Machen Sie mit mir, was Sie wollen.“

Énard hat eine kluge Parabel über die Kraft der Nachdenklichkeit und den aufrechten Gang geschrieben. Mehr davon , bitte schön.

Mathias Énard liest am 11.9. um 21.00 Uhr beim ilb 2013.

 

 

26. August 2013 00:36:19

… leselustig: Raquel Palacio beim 13. internationalen literaturfestival berlin

Der zehnjährige August „Auggie“ Pullman ist ein smarter Junge, mutig, humorvoll, umgänglich. Eigentlich gäbe es keinen Grund dafür, dass er nur schwer Freunde findet oder dafür, dass er überhaupt erst mit zehn eingeschult wird. Und doch unterrichtete seine Mutter Isabel ihn zuhause so lange es irgend ging. Denn August ist mit einem genetischen Defekt geboren, und hat, trotz mittlerweile 27 Operationen, ein Gesicht, das so hässlich ist, dass andere Kinder vor ihm Angst haben oder ihn schlicht verspotten. So wundern sich weder seine Eltern, noch seine große Schwester Olivia („Via“) oder Mr. Tushman, der Schulleiter, dass er nur zögerlich einwilligt, doch letztlich zur Schule zu gehen. Und seine ersten Erfahrungen dort scheinen ihm Recht zu geben: Nur ein Mädchen, Summer, setzt sich beim Mittagsessen in der Schulkantine zu ihm, und nur Jack Will scheint sein Freund werden zu wollen. Die anderen, allen voran der arrogante Julian, meiden oder quälen ihn. In einem perversen Spiel, das sie „Pest“ nennen, bemühen sich seine Mitschüler, jede Berührung mit August zu vermeiden. Wem das nicht gelingt, muss sich schleunigst die Hände waschen. Da kann auch die zärtliche Nähe zu Daisy, der alten Hündin der Familie, kaum Trost spenden.

Behutsam, bewegend und trotz des traurigen Sujets mit Witz und pfiffiger Ironie erzählt Raquel Palacio in Wunder eine Geschichte mit einem glücklichen Ende. Dabei wechseln sich ihre Ich-Erzähler ab: August selbst erzählt, dann aber auch Via, Summer, Jack, Justin, Vias Freund, und Miranda, ihre Freundin. Und so entsteht ein perspektivenreiches Panorama, das dieses Kinder-/Jugendbuch, trotz des didaktischen Ansatzes, zu einem echten „page turner“ macht. Wunder ist die Geschichte eines Außenseiters, der mit Mut und Intelligenz seinen Platz im Leben sucht und behauptet. Gegen alle Widrigkeiten. Die Autorin, im wahren Leben Grafikerin und Leiterin der Kinderbuchabteilung bei Workman Publishing in New York (Raquel Jaramillo ist ihr richtiger Name) ist davon überzeugt, dass man viel mehr schaffen kann, als man glaubt, wenn man nicht aufgibt. Ein optimistisches Buch, das sehr viel Hoffnung macht. Und ein großer – leidenschaftlicher – Lesegenuss dazu.

Raquel Palacio liest beim 13. internationalen literaturfestival berlin. Am Montag, 26.8. um 19.30 in der Georg-Büchner-Buchhandlung am Kollwitzplatz, und am Dienstag, 27.8. um 9.30 im Haus der Berliner Festspiele.

Raquel Palacio, Wonder

 

 

2. August 2013 14:19:12

… viel zu heiß: Bilderbuch Plansch bringt Abkühlung

Was soll man dazu schreiben? Bei der Hitze kann man doch eh nichts lesen.

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Kategorie:

Musik

 

26. Mai 2013 15:19:18

…unbedingt: Martin Kippenberger

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Hamburger Bahnhof. Weltstadt-Niveau? My ass. Bürokraten-Arschlochismus, klassische Variante. Man hat zwei große doppeflüglige Türen zur Verfügung, nutzt jedoch nur einen einzigen schmalen Flügel – sowohl für Ein-als auch Ausgang !! Lange Schlangen hinaus ins Freie und die Treppen hinunter? Auch bei Regen? Scheißegal, Hauptsache die zahlen und verschwinden wieder. Wie man so was professionell und besucher-orientiert macht: kurzer Besuch in London genügt. Man kann aber auch selber drauf kommen…

Hamburger Bahnhof, bis 18. August – MARTIN KIPPENBERGER :  SEHR GUT | VERY GOOD

www.hamburgerbahnhof.de

 

 

14. April 2013 21:52:23

… Normal. Eine Buchvorstellung.

Manchmal lästern meine Schwestern und ich über diese 150%-Mütter (und Väter), die so unglaublich viel Bohei um ihre Sprößlinge machen. Vor zwanzig Jahren, als unsere Kinder klein waren, war vieles noch banaler – und unser Nachwuchs scheinbar auch gesünder. Allerdings sind das gesamtgesellschaftliche Wissen und der kollektive Druck auf die Eltern 2013 ungleich größer. Der Sohn, der „damals“ als „etwas aufgedrehter Wildfang“ nervte, wird heute heute vom Arzt oder alternativ von der Nachbarin mit einer Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Störung (ADHS) diagnostiziert. Die Tochter, die mal euphorisch, mal tiefbetrübt, also „ganz normal“ pubertierte, landet mittlerweile schnell in der Schublade „bipolar“. Gegen beides gibt es –Merck/Pfizer/BASF sei es „gedankt“ – mehr als genug Medikamente. Und gegen die anderen Syndrome unserer Zeit – Asperger, Fressattacken, disruptive Launenfehlregulation … – glücklicherweise auch.
Verstehen wir uns nicht falsch: Es gibt natürlich reale Geisteskrankheiten. Doch um diese geht es hier nicht. Es geht um die Modediagnosen, um die katastrophalen – ärztlich und selbst diagnostizierten – Symptome, die eigentlich gesunde Menschen leiden lassen und die Pharmaindustrie reich machen. Was sie für die Betroffenen und die Gesellschaft bedeuten hat nun einer aufgeschrieben, der weiß, wovon er spricht: ein Psychiater, der, wenn auch sehr spät in seiner Karriere, die Seiten gewechselt hat.

Allen Frances, selbst einer der Herausgeber des DSM-4, nutzt die anstehende Veröffentlichung des DSM-5 für eine Abrechnung mit dem Trend zur Erfindung immer neuer psychischer Leiden und zur kollektiven Krankschreibung ganzer sozialer Gruppen. Normal. Gegen die Inflation psychiatrischer Diagnosen ist sein Appell an die Branche, auf den Boden der Tatsachen zurückzufinden und zu differenzieren. Denn Ärzte sollen heilen, und wer Gesunde als Kranke behandelt, übersieht am Ende jene, die wirklich krank sind und tatsächlich einer Behandlung bedürfen.

Was ist das DSM?

Das DSM (Diagnostische und statistische Handbuch psychischer Störungen) wird von der APA (Verband der amerikanischen Psychiater) herausgegeben. Es katalogisiert und kategorisiert psychische Erkrankungen, damit deren Behandlung entsprechend abgerechnet werden kann. Alle paar Jahre erscheint eine aktuelle Auflage des DSM. Ein Kreis eingeladener Experten diskutiert und entscheidet, welche Krankheiten neu aufgenommen oder gestrichen werden sollen. Die „Entdeckung“ eines neuen Syndroms ist für die beteiligten Psychiater natürlich ungemein prestigeträchtig, erläutert Frances. Und nebenbei ist sie lukrativ für die pharmazeutische Industrie.

Moderne Medikamente und modische Diagnosen

Ebenso wie alle paar Jahre neue Krankheiten entdeckt bzw. erfunden werden, haben auch Medikamente stets ihre Zeit. Die Psychiatrie als eher junge Disziplin setzte die Menschen in den 1950er Jahren gern unter Bromide, verabreichte in den 1960ern Lithium, sorgte für die massenhafte Verbreitung von Librium und Valium in den 1970ern und trug dazu bei, dass seit den 1980ern zumindest in den USA der Griff zu Prozac mindestens ebenso populär ist, wie das Lutschen eines Wick-Bonbons bei Kratzen im Hals. Problematisch ist dabei nicht nur die Entstehung von Medikamentenabhängigkeit, und bereits heute sind in den USA mehr Menschen von legalen Drogen abhängig als von illegalen. Problematisch sind ebenfalls die körperlichen Nebenwirkungen – Apathie, Lethargie, Übergewicht etc. – und die soziale Stigmatisierung. Und schließlich leiden nicht nur die Angehörigen eines mit einer psychischen Erkrankung diagnostizierten Patienten, sondern auch er/sie selbst. Selbst wenn die Zeitungen voll sind mit Berichten über „multiple Persönlichkeiten“ (die in den 1990er Jahren enorm „verbreitet“ waren, bis sie von der nächsten Diagnose abgelöst wurden): die Folgen der Krankheit oder Diagnose spürt jede/r, die/der sie als Etikett tragen muss. Doch nicht nur die Diagnosen steigen sprunghaft an. Auch die Zahl der Verschreibungen erreicht schwindelerregende Höhen: Jährlich werden allein in den USA 300 Millionen Rezepte über Psychopharmaka ausgestellt. Antipsychotika gehen im Wert von 18 Milliarden US Dollar über die Ladentheke, für Antidepressiva werden 12 Milliarden US Dollar jährlich bezahlt. Pharmakonzerne dürfen in den USA direkt bei den Patienten werben. Nicht wenige sterben an der versehentlichen Überdosierung der legalen Drogen, die sie sich selbst verschreiben. Und selbst wer zum Arzt geht, kann nicht sicher sein, einen kompetenten Diagnostiker an seiner Seite zu wissen: Neunzig Prozent der Angstlöser, achtzig Prozent der Antidepressiva, 65 Prozent der Aufputschmittel werden von Hausärzten verschrieben. Die wenigsten von ihnen sind psychiatrisch geschult. Von der Pharmaindustrie werden sie verständlicherweise gehätschelt.
Ein Umdenken tut Not. Es ist allerhöchste Zeit für mündige Patienten!

Allen Frances, Normal. Gegen die Inflation psychiatrischer Diagnosen,
ist 2013 im Dumont Buchverlag, Köln erschienen.
Es hat 430 Seiten und kostet € 22,–.

Deutschlandpremiere Buchvorstellung am 16. April im Großen Saal der Berliner Zeitung, Karl, Liebknecht-Str. 29,.10178 Berlin
Einlass: 18 Uhr, Beginn: 19 Uhr
Eintritt: 7 €, ermäßigt für Abonnenten der Berliner Zeitung 5 €
Tel.: 030- 23 27 63 41. Mail: kundencenter@berliner-verlag.de

 

 

28. Februar 2013 17:36:00

… Kriegsgebiet: Mazeppa an der Komischen Oper

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Am 24. Februar wurde erstmals in Berlin die Tschaikowski Oper Mazeppa in russischer Sprache aufgeführt.
Das Kriegsepos ist musikalisch extrem dynamisch, facettenreich und umwerfend emotional. Henrik Nánási treib das Orchester schnell und präzise durch die Partitur, wobei auch räumliche Effekte (Bläser hinter dem 2. Rang, oder seitlich im Zuschauerraum) überzeugend genutzt werden. Glänzende Sänger und Sängerinnen mit riesigen Stimmen, die einen in Massenszenen geradezu in Sitze drücken ohne dabei das Gespür für sanfte Zwischentöne zu verlieren. Einzig die Hauptfigur Hauptmann Mazeppa verkörpert von Robert Hayward tritt etwas zu gleichbleibend polternd auf, wodurch sein langer Monolog nach der Pause leider merkwürdig hohl wirkt. Dagegen brilliert Asmik Grigorian als Maria vom höchsten Abstahlen bis zum innigsten Pianissimo. Die Hoffnungslosigkeit ihres Wiegenlieds am Ende des Stücks rührt fast zu Tränen.

Die Inszenierung, des erstmals eine Oper gestaltenden Ivo van Hove, ist eher sparsam, was aber im Kontrast zur beinahe übervollen Komposition den richtigen Raum erzeugt, um das eigentlich recht wirre Libetto vollkommen klar und logisch erscheinen zu lassen. Die Geschichte aus der Zarenzeit wird so, ohne sie krampfhaft modernisieren zu wollen, mühelos ins Allgemeingültige aktualisiert. Weil die Oper streckenweise doch eher wie eine russische Glorifizierung des Krieges klingt, setzt Tal Yarden mit seinen kaum auszuhaltenden Videos eine unmissverständliche Haltung entgegen. Reale Szenen, gefilmt mit den Handy-Cams aktiver Soldaten aus kämpfenden Truppen auf der ganzen Welt, werden zu einem auf die Musik geschnittenen Reigen des Grauens zusammengefügt: Folter, Hass, Erniedrigung, Gedankenlosigkeit, Übersprungshandlungen, Sadismus – es könnte nicht drastischer und brutaler sein. So sehr, dass man kaum hinsehen kann. Und doch notwendig, um nicht dem teils ins Kitschige abtriftenden Heldenaufspiel Tschaikowski zu verfallen.

Kritik auf Deutschlandradio Kultur, der ich mich (bis auf die Kritik an den Videos) anschließen kann: drk_20130224_2306_48922d1e.mp3

 

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28. Februar 2013 14:32:19

… lockig: Darwin Deez mit neuer Platte im Bi Nuu

Darwin Deez im Bi Nuu

Seine erste Platte Darwin Deez und die dazugehörigen Videos war ebenso mellow-happy wie seine Frisur und dadurch sehr erfolgreich. Nun mit der Tournee zum neuen Album Songs for Imaginativ People scheint er sich seinen Kindertraum endlich mal richtige Rockgitarrensolos-spielen zu erfüllen. Leider macht es die Songs schwer verdaulich, doch die fröhlichen Tanzeinlagen zwischen den Stücken entschädigen gerade noch ausreichend. Aber der Junge ist jung und kreativ. Ich bin sicher es kommen wieder bessere Songs …

 

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28. Februar 2013 14:02:27

… unerhört: unmenschliche Musik im HKW

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Kann es überhaupt Musik geben, die nicht menschlich ist? Nach landläufiger Meinung ist Musik das kulturell geprägte, menschliche Spiel mit Tönen, Klängen, Rhythmen, Harmonien und Melodien. Wenn dagegen in der Natur Schwingungen auftreten, die zueinander Intervalle, Interfrenzen oder sonstige Strukturen aufweisen, halten wir es für interessante Geräusche. Wir weigern uns, den Gesang einer Amsel als Musik zu begreifen, denn logischer Weise müssten wir dann auch Amseln als Musiker ansehen. Anders, wenn ein Musiker, den Gesang einer Amsel sampelt, mit einigen physikalischen Parametern (rück)koppelt und im Kontext einer Ausstellung oder eines Konzerts abspielt. Hier lassen wir die Technik oder Technologie die menschliche Rolle des Musikers oder Komponisten spielen, da wir grundsätzlich alle technischen Phänomene der kulturellen Sphäre zurechnen. Kommt Geräusch und Technologie im Spiel zusammen, sind wir geneigt, es Musik zu nennen: Kunst-Musik oder zumindest Kultur-Musik.

Das Festival „Unmenschliche Musik – Kompositionen von Maschinen, Tieren und Zufällen“ balancierte genau auf den Grenzen zwischen Technologie, Natur und Kultur und stellt sich in der Form zwischen Ausstellung und Konzert dar. Es bieten sich Begriffspaare wie „performative Installation“ oder „interaktiver Klangraum“ an, um zu beschreiben, was da im Haus der Kulturen der Welt vor sich ging. Klänge auf der Suche nach den Anfängen und Enden der Musik.

Ich habe die Eröffnungsveranstaltung besucht und das Konzert von und mit Nobukazu Tekemura und dabei höchst unterschiedliche Eindrücke gewonnen. Zur Eröffnung ließ …
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