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18. Februar 2012 00:19:48

… ein Entwurf: Anna Huber und Yves Netzhammer – Aufräumarbeiten im Wasserfall

Geometrie, Orthogonalität, Radien, Gelenkverkettungen in großer Präzision, Quadrate, Kugeln, Flächen, Räume.
Alles ist mit grundlegenden 3D Körpern bespielt, alles hat seine Ordnung, scheint in Ordnung. Kitschige Projektionen machen den Anfang: Eine große Sonne über einer heilen Welt – Kraniche fliegen über Berge, Dörfer, Einfamilienhäuser. Aber es ist eine kalte Konzeptwelt des Scheins, in der keine echten Menschen leben, sondern Gliederpuppen eingesetzt wurden, überwacht von Hubschraubern, umstellt von Gerüsten und Zäunen, die die Kulissen zusammenhalten. Hier ist nichts gewachsen, sondern alles gemacht und manches dabei nichts geworden. Diese Welt muss im Detail nachgearbeitet werden, mit riesigen Zahnbürsten geschrubbt werden, als wäre ihr Schöpfer unzufrieden mit dem gegenwärtigen Stand der Dinge. Und dann plötzlich ist da in mitten der Kunstwelt-Projektion ein Schatten von etwas Lebendigem, ein Mensch dringt darin ein, oder taucht vielmehr aus ihr auf, tritt in Kontakt und in den Dialog mit einer der Gliederpuppen. Diese zeigt voller Übermut gleich ein Kunststückchen, lässt ein paar ihrer Gliedmaßen fernab ihres Körpers durch den Raum tanzen, und doch ist gleich zu spüren, dass die echte Lebendigkeit der Tänzerin so viel mehr zu bieten hat. Die Tänzerin übernimmt nun die Eckigkeit der Gliederpuppe erkundet den Konzeptraum, als wolle sie ihn vermessen und austesten. Es wird eine Art Belastungsprobe für Mensch und Material, die so anstrengend ist, dass die lebende Tanzpuppe zwischendurch doch ganz aus der Rolle fällt, Pause machen muss, um sich um die körperlichen Bedürfnisse zu kümmern. Sie muss essen, trinken und darf dabei ganz Mensch sein. Die 3D-Puppe sieht in einer Mischung aus Irritiertheit und Neid dabei zu. Letztlich verliert die menschliche Tänzerin auch die Nerven, rafft die gesamte Geometrie der Bühneninstallation zusammen und gibt der Gliederpuppe den ganzen Konzeptmüll wie ein getragenes Kleid zur Wäsche zurück.

Die Zusammenarbeit der Tänzerin und Choreografin Anna Huber und des Bildenden Künstlers Yves Netzhammer erwies sich als sehr ergänzend und ungemein fruchtbar. Beide künstlerischen Handschriften sind deutlich und unverfälscht sichtbar und wirken zusammen gegenseitig erhellend. Das Tanzstück „Aufräumarbeiten im Wasserfall“ ist eine intensive Performance auf der Schnittstelle zwischen darstellender und bildender Kunst, mit reichlich Zitaten aus der Kunstgeschichte. Für Momente scheinen Oskar Schlemmers Figurinen, Luise Bourgeois Spinnen und Alexander Calders Kinetische Objekte mit in dieser verdrehten M. C. Escher-Welt zu sein, doch die formale Sprache der beiden Zeit- und Eidgenössischen Künstler ist immer stark genug, um die Performance zu einem eigenständigen Ästhetischen Erlebnis zu machen.

Sehenswert: in den Uferstudios im Wedding

 

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