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11. Februar 2011 18:33:48

… Einfach nur: Claire, aber nicht Waldoff

Eigentlich heißt sie Bärbel, aber alle nennen sie nur Claire. Die junge Frau wurde hier geboren und berlinert etwas; kundenangepasst gleitet sie aber auch mal in’s Hochdeutsche. Ich kenne Claire schon einige Jahre. So etwa alle drei bis vier Wochen benötige ich ihre Dienste und suche dann den Friseursalon auf, in dem sie arbeitet. Die Frau beherrscht ihr Handwerk, schneidet akkurat, sehr flott und mit Leidenschaft. Nur das Waschen verläuft häufig suboptimal: Wenn ich auf ihren Stuhl klettere, habe ich mir den obersten Hemdknopf bereits geschlossen. Das hilft nur bedingt, denn Claire schafft es mit ihrer, nun ja, rustikalen Art doch immer wieder, mir Wasser in den Hemdkragen zu gießen, welches dann auch noch den Rücken besucht. Beim Haarschneiden entfaltet sich ihr Temperament in spürbarer Form. Ich sitze ja freiwillig hier, nehme also das rythmische „Batsch, batsch“ – wenn nämlich beim Wechsel von Schere zu Kamm mir letzterer an den Hals klatscht – wie ein zwar nicht angenehmes, aber unabänderliches Naturgeschehen hin. Claire wirbelt mein Haar durcheinander und wechselt ständig ihre Position, um besser angreifen zu können; denn sie ist der Feldherr und mein Kopf wird zum Schlachtfeld. Friedliche Variante: Sie ist der Dirigent, meine Haare ergeben die Partitur.

Wenn die Grobarbeit erledigt ist, folgt das Feintuning. Da nimmt sich Claire der Koteletten und Augenbrauen, ja sogar der Ohren- und Nasenhaare, nun aber mit größter Zurückhaltung und filigraner Technik an (einmal erzählte sie mir stolz, dass sie bei einem türkischen Friseurmeister das besonders sorgfältige Rasieren erlernt habe), wobei sie ja durchaus sieht, dass bei mir jedes Haar zählt. Meine regelmäßige Bemerkung, dass sie mich nicht in einen Dressman verwandeln muss, überhört sie ebenso, führt aber immer alles zu einem sehr guten Ende.

Die junge Frau verkörpert jenes handfeste, unverwöhnte, arbeitende und dennoch nicht auf Rosen gebettete Berlin, abseits vollmundiger Politiker, fern der Bio-Müsli- und Pastinakencremesuppen-Gemeinde, aber auch jenseits medienaffiner Landsleute sowie periodischer Krawallmacher verschiedenster Couleur. Claire ist eine von denen, die – meist unbeachtet – den Großstadtalltag auch im Kleinen am Laufen halten; eine heutige, moderne Variante jener Frauen, die auch von der ( zeitweisen ) Berlinerin Waldoff schon 1930 besungen und von Heinrich Zille gezeichnet wurde: Selbstbewusst, lebensklug, hart im Nehmen – wenn nötig, auch im Austeilen – und immer auf der Suche nach ein bisschen Glück. Claire ist eine gute Friseuse, aber ich weiß auch, wie verdammt wenig sie verdient. In Zukunft muss ich ohne sie auskommen. Die junge Frau hängt ihren Beruf an den Nagel und wird nochmal die Schulbank drücken. Ich wünsche ihr das Beste.

 

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Kategorie:

Alltägliches

 

2 Reaktionen

  1. Joachim

    … ich weiss noch, in den 80ger Jahren des vergangenen Jahrhunderts nahm man gern ein Broccolicremesüppchen zu sich, in den 90gern bin ich mir nicht so sicher, könnte eine Grünkernsuppe gewesen sein. Jetzt ist es also die Pastinakencremesuppe?

    Hier eine mögliche Zubereitungsart:

    Eine Portion:
    1/4 Liter Gemüsebrühe, 125 g Pastinake, 125 g Kartoffeln, 50 ml Sahne,
    würzen mit Pfeffer, Salz und Muskat

    Kartoffeln und Pastinaken klein schneiden und in der Gemüsebrühe schön weich kochen. Dann pürieren und mit den Gewürzen abschmecken. Mit Sahne veredeln.

    Dauert etwa eine halbe Stunde.

    Mahlzeit

  2. Helen

    Hallo Jürgen, ich habe Sie gefunden. Bis später.

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