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25. Mai 2008 18:32:47

… erschütternd: Einstüzende Neubauten live in der Columbiahalle

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Ein dicklicher Sänger in schwarzen Hosen, die ihm früher mal gepasst haben, ein humpelnder Bass-Rocker mit Metallica-Alüren, ein annähernd kahlköpfiger, wie ein 8-jähriger Flummy hüpfender Schlagwerker, und noch einer, der gutmütig seiner Arbeit im Stahlwerk nachgeht, ein Gitarrist, der sich die Klänge aus den X-Beinen quetscht und ein Keyboarder der vor 25 Jahren auf einem Roxy Music Trip hängen geblieben ist. Das sieht nicht wirklich gut aus, auch wenn es ermutigend für die eigene alternde Zukunft gesehen werden kann, in der man, wie es scheint, entspannt und erfolgreich seiner Schrulligkeit anhängen darf. Doch das körperlich Beeindruckende an dieser Band ist ganz Blixa Bargelds Stimme, die derartiges Volumen in den Raum bringt, dass die Worte wie leibhaftige Wesen im Auditorium wandeln. Diese Stimme hat …
… eine semipermeable, verspiegelte Außenhaut, in der sich die Zuhörer einerseits in visionärer Selbstreflexion erkennen und andererseits hinter ihr in eine Welt der Posie schreiten können. Um diesen Sprachkörper herum, der gleichsam punktgenau scharfzüngig wie abwegig weitläufig formulierte Texte beinhaltet, brausen die Töne der naiv klopfenden Band, die zwar einen enormen Dynamikumfang absteckt und Temporeichtum auszahlt aber harmonisch eher einspurig spielt. Es ist eine Mischung aus Post Industrial/Post Punk mit mehr gesprochen als gesungenen Gedichten und dieses Spiel mit vordefinierten Regeln (wie jedes echte Spiel) verbindet sich aufs Schönste und Stimmigste in einer absolut zeitgenössischen Lyrik. Dionysischer Krach und appolinische Textversessenheit zur Ausweitung der Experimantalzone nach Vollzug der eigenen inneren Reinigung (siehe Songtext „Unvollständigkeit“): Romantik in Reinform.

Dabei scheint ein Missverständnis zwischen Band und Teilen des Publikums aufzutreten, für die Neubauten-Stücke vor allem laut, lärmend und anti (= gegen die Verhältnisse) sein müssen. Da wird gemeckert, wenn die Band vor einem Stück Karten aus einem schwarzen Sack zieht, auf denen steht, was als nächstes gesungen, getrommelt, gespielt werden soll. Das wird dann langweilig gefunden, obwohl es ja gerade das Spannende ist. Die Neubauten überlassen damit die Hoheit über die Ausgestaltung eines Stücks Musik dem Zufall des Spiels, weil sie das interessanter finden, als ihre eigenen eingefahrenen Denkbahnen (= gegen das eigene Verhalten). Konsequenterweise wird so Erwartungen widersprochen, was bei manchem Fan, der die Band schon lange begleitet, eine gewisse Enttäuschung auslöst. Die Neubauten haben sich aber frei davon gemacht, Menschen (die nicht sie selbst sind) Wünsche erfüllen zu müssen. Darum haben sie sich auch mit einer Art Subskribtionsmodell von den Plattenfirmen emanzipiert und sie sind kontinuierlich dabei, sich von ihren eigenen vordefinierten Vorstellungen von Musik zu lösen. Man kann das in den Texten hören. Im Zwiegespräch des jungen und des alten, oder wie er sagte, des alten und des neuen Blixas im Lied „Susej“ fallen die Worte „der Pöbel und die Massen / sie können jetzt nach Hause gehen“ und in „Ich warte“ hören wir „Ich warte, warte, warte / […] direkt am schwarzen Loch /[…] letzendlich auf Musik“.

Die Einstürzenden Neubauten sind aktive Hoffnung auf „den einen großen, unbeherrschten Klang“ (möge er bei irgendeinem Experiment endlich gelingen) bei gleichzeitiger Melancholie darüber, das eben dies nie erreicht werden kann.

Großartig!

Hier noch ein Mitschnittt von der Szene, in der die Neubauten das „Ich erwürfle mir einen Song-Spiel“ durchziehen. Der Ton während der Musik ist bei meiner Mini-Fotokamera so mies, dass ich den Song selbst (natürlich auch aus rechtlichen Gründen) rausgeschnitten habe.

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Eine Reaktion

  1. edgar edgar

    was dür eine unverschämte kritik

    das ist eine kultband

    die jungen seicher hören so was nicht mehr ..traurig genug…aber dann noch kritisieren ?!

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