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26. August 2008 12:25:52

… identitätssuchend: Collier Schorr stellt Freeway Balconies zusammen

Collier Schorr, US Soldier, 2004
Collier Schorr, US Soldier, 2004, Courtesy the artist and 303 Gallery, New York

Man ist es gewohnt, in der großen Schuhschachtel der Deutschen Guggenheim ein paar wenige große Werke anzutreffen. Zehn Großleinwände oder eine gigantische Installation. Bei Collier Schorrs Freeway Balconies ist alles anders. Sie stellt eine Art Kunstmagazin oder eine Illustrierte zusammen. Darin sammelt sie Beiträge von insgesamt 21 Künstlern und Künstlerinnen (ihre eigenen inklusive) über alle Kunstkategorien hinweg – Fotos, Bilder, Filme, Skulpturen, Performances. Freeway Balconies reflektiert ein von Pop-Einflüssen durchdrungenes Lebensgefühl, in dem Collier Schorr zuhause ist. Sie ist im Zentrum der amerikanischen performativen Kunstszene, die zwischen Perversion und Transzendenz ihre psychologischen Selbstfindungsvexierspielchen treibt.

Wenn man durch die Ausstellung geht, soll man einen Eindruck davon bekommen, was im Kopf von Collier Schorr vor sich geht, welche Themen sich darin miteinander verbinden, wo ihr Interesse liegt. Leicht zugänglich … … sind diese Gedankentränge nicht immer und es erfordert vom Betrachter ein Einlassen, das tiefer gehen muss, als nur einfaches Betrachten. Aufmerksam muss man die Titel der Arbeiten lesen, chronologische Verbindungen durch die Jahrzehnte ziehen, in denen die verschiedenen Arbeiten entstanden sind und man muss bei allen Arbeiten hinter die ästhetische Gestaltung schauen, muss versuchen zu erkennen, worum es eigentlich geht. Sehr hilfreich ist es, die jungen kunstsachverständigen Guides anzusprechen, die einem helfen, die Bedeutung der Werke zu entschlüsseln.

Da ist ein Foto von einem schwarzen amerikanischen Soldaten (siehe oben), der ein Namensschild mit der Aufschrift „Moore“ trägt. Es dauert ein bisschen, bis man dahinterkommt, was das Irritierende an diesem Bild ist: Die Gesichtszüge des Mannes sind eindeutig kaukasisch geprägt und man beginnt zu zweifeln, ob er wirklich ein Schwarzer ist. Wenn man ein bisschen Glück hat und im stundenlangen Filmprogramm den Kunstklassiker von Bruce Nauman sieht, in dem er sich nacheinander mit den Farben Weiß, Rot und Schwarz einschmiert, versteht man das Spiel mit den Hautfarben und Identitäten. Es geht um Vorurteile, Einschätzungen, Täuschungen, Zuschreibungen und unterschiedliche Realitäten, ja nach dem, wie eine/r aussieht, tatsächlich oder verkleidet, wobei die Verkleidung oder die Transformation selbst eine Realität schafft. In der zu Mr. Moore transformierten Identität wird der weiße Mann seine Umwelt ganz anders erleben.

In New York scheint es das Thema Nummer eins zu sein: Wer bin ich, wer kann ich sein, welche Identität erschaffe ich für mich, welches Image habe ich von mir selbst? Bei Collier Schorr bekommt dieser Themenkomplex der Identitätsaneignung eine deutlich didaktische Note und man spürt die Kunstlehrerin in ihr. Die ganze Ausstellung wirkt wie eine Zusammenstellung von Materialien, die für einen Workshop zur Identitätsfindung zusammengestellt wurde. Es werden Verkleidungsspiele mit Uniformen gemacht („Du siehst so gut als Nazi aus.“), Setfotos von „Julia & Romeo“ mit Leonardo DiCaprio werfen Fragen zur Gleichzeitigkeit der Persönlichkeiten innerhalb von Rollenspielen auf (Wann sehen wir Romeo, wann Leonardo?) usw.

Folgerichtig gibt es auch ein umfangreiches Workshop-Programm.

Alles noch bis zum 21. September, in der Deutschen Gugenheim unter den Linden 13/15, 10117 Berlin.

 

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