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28. September 2010 00:59:21

… putzig: Die Meistersinger von Nürnberg an der Komischen Oper

Die auf diesem Foto zu sehenden Meistersinger sind nicht nur meisterliche Sänger, sondern auch Meister in ihren Handwerksgilden. Allesamt kleine Männer in putzigen Kostümen, die ein bisschen wie typisch deutsche Gartenzwerge aussehen und auch ähnlich stilisiert agieren. Immer mit den Händen ihre dicken Bäuche streichelnd, treten sie als selbstgefälliger Haufen Spießbürger auf, die ihre Traditionen feiern und sich auf ihren Erfolgen ausruhen, nur um letztlich andere daran zu hindern, in ihren erlauchten Kreis aufgenommen zu werden. Es geht um nicht gewährte Teilhabe an der Gesellschaft oder (kapitalistisch gesprochen) um Markteintrittsbarrieren. Wer in diesem Nürnberg etwas werden will, muss sich mit den Meistern arrangieren, sich auf das Reglement des Singer-Clubs einlassen.

Nun kommt aber einer daher, ein Ritter, der gar nichts werden will in der Stadt der Kleinbürger („will ohne Meister seelig sein“), sondern der sich ganz schlicht verliebt hat. Er möchte die Erlaubnis, die Tochter des Obermeisters zu freien, doch dieser macht seine Einwilligung davon abhängig, ob der Bewerber es schafft, im Singen vor den Meistersingern zu bestehen. Es wird eine Art zweistufige Casting Show veranstaltet, in deren Endrunde auch der Stadtschreiber brillieren möchte, um die schöne Tochter zu bekommen. Der Ritter muss zunächst einen Eignungstest bestehen, und die konservativen Meistersinger sind alles andere als begeistert, denn der Eindringling beherrscht natürlich die Regeln der geschlossenen Welt der Gilden-Sangeskunst nicht. Nur einer der Meister, Hans Sachs, der sich selbst mehr als Poet denn als Schuster-Meister versteht, erkennt die sehnsuchstvolle Kraft und emotionale Qualität der neuartigen Kunst des Ritters. Hans Sachs öffnet die Ohren der anderen Meister und ihre Wahl fällt letztlich auf den, der die Kunst am weitesten voran bringt, denn wichtiger noch als das Abwehren von unnützen Eindringlingen ist ihnen das Integrieren von weiteren Kompetenzen in den eigenen Kreis. Zum Abschluss wird das Loblied auf eben diese deutsche Kunst, flexibel und opportunistisch zu sein, gesungen. Hier kann man sehen, was der brave Bürger unter Integration versteht.

Die Schlussszene wird in den meisten Inszenierungen der Meistersinger äußerst nationalistisch ausgelegt, doch in der Aufführung von Andreas Homoki wird dankenswerter Weise drauf verzichtet. Hans Sachs muss sein Lob des Deutschen allerdings quasi alleine auf der Bühne singen, denn das Volk verlustiert sich lieber sonstwo auf der Festwiese, als dem nationalen Gequatsche des Poeten zuzuhören. So einfach kommt man sauber aus der Nummer raus!

Die Aufführung ist wirklich schön anzuschauen, wobei man zu Dreivierteln einem Schwarz-Weiß-Film sieht. Bis zum Vorsingen auf der Festwiese sind alle Kostüme (Christine Mayer) und die ganze Bühne (Frank Philipp Schlößmann) in Grau gehalten. Erst zum Schluss, wenn die Lust sich frei entfalten kann, wird die Farbe reingedreht und alles was vorher grau war, endlich bunt und fröhlich. Auch die Häuser der Stadt, die selbst aktive Protagonisten während des ganzen Spiels sind – sie geben den Sängern mal in ihrer Mitte Platz, sperren sie mal aus, oder bringen die ganze Gemeinschaft durcheinander – scheinen am Schluss zu tanzen.

Richard Wagners Die Meistersinger von Nürnberg werden sicher lange auf dem Spielplan der Komischen Oper bleiben, denn das Publikum war begeistert. Vielleicht ist die Inszenierung insgesamt ein bisschen brav ausgefallen, aber wahrscheinlich würde man knalliges Regietheater zu 4-1/2 Stunden Wagner auch nicht aushalten, auch wenn die Musik weniger fett und voluminös ist, wie man es sonst von Wagner-Aufführungen kennt. Im kleinen Orchestergraben der Komischen Oper spielt ein schlankes, agiles Orchester eine flotte Vorstellung unter der Leitung des jungen Patrick Lange. Interessant, wie schnell die Oper dabei ins Leben des Publikums sticht. Das Orchester beginnt die Overtüre und die Auftakte zu den Akten noch bei voller Raumbeleuchtung und selbst im Stück wird einmal das Licht angedreht, um die Situation noch öffentlicher zu gestalten. Das Stück und die Handlung kommen einem dadurch noch näher.

> Stückerklärung bei Wikipedia

 

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