Lesezeichen setzen: RSS Feed abonnieren  Zu del.icio.us hinzufügen Zu Technorati Favoriten hinzufügen Diese Seite zu Mister Wong hinzufügen

25. September 2008 13:32:52

… turbulent: Mirandolina im Zelt des Deutschen Theaters

Mirandolina im Telt des DT

Schauspiel im Zelt des DT ist ein bisschen wie Sommertheater im Schlosshof. Man sitzt auf harten Bänken mit mäßiger Sicht, hört eine Menge Störgeräusche und hat Probleme mit der Akustik. Genau der richtige Ort für einen ordentlich krachenden Schwank und so ist „Mirandolina“ von Carlo Goldoni (geschrieben 1752) als Stück für diesen Ort gut gewählt.

Die schöne Wirtin Mirandolina (Konstanze Becker) beherbergt zwei Ehrenleute, die mit allerlei Aufmerksamkeiten die Zuneigung der jungen Frau gewinnen möchten. Der mit seinem neuereichen Geld und seinem gekauften Grafentitel protzende Parvenü Graf von Albafiorita (Stephan Grossmann) und sein zum unterlegenen Spielkameraden heruntergewirtschafteter, aber tatsächlich hochwohlgeborer Marquis von Forlipopoli (Jörg Gudzuhn) bilden den grotesken gesellschaftlichen Hintergrund der Geschichte im 18. Jahrhundert. Eine Ständegesellschaft, in der Titel viel und Geld noch mehr bedeuten, Stil und Form die Säulen der Ordnung bilden, wobei … das Gemeinwesen moralisch und ethisch völlig verdorben und hohl ist. Trotz des historischen Abstands ist es nicht schwer, die Ähnlichkeiten zur Jetztzeit zu entdecken. Der Graf und der Marquis führen ein entzückend irr rivalisierendes Kinderspiel auf, um die Zuneigung der Wirtin zu erlangen. Mit wunderschön überdrehten Kostümen (von Christine Mayer) und Stimmlagen flattern sie wie aufgeblusterte Pfauen durchs Stück, immer im Bewusstsein, dass die stetige Zurückweisung der Wirtin im Prinzip angemessen ist und letzlich als akzeptabeles Spielergebnis hingenommen werden kann. Es geht hier nicht ums Ergebnis, sondern um den Prozess des Spiels, in das auch andere liebreizende oder vulgäre Frauen (zwei durchziehende Komödiantinnen) einbezogen werden können. Dieser Teil des Stücks ist reine Koketterie und ein großartiger Spaß mit reichlich Slapstick und absurden Elementen.

Schwieriger ist der eigentliche Handlungsstrang zu genießen, denn hier spielt Konstanze Becker eine kühl berechnende Frau mit emanzipatorischem Ernst, der es darum geht, den Ritter von Ripatraffa (Mathis Reinhardt), als einzigen Mann im Gasthaus, der sich einen Dreck um ihre Liebreize schert, zu einem ebenso kümmerlichen Narren zu dekonstruieren, wie es die anderen Herren sind. Ihre Machenschaften und Instrumentalisierungen sind nicht wirklich komisch und der Ritter zerbricht zuckend in seiner tragischen Rolle, die aber leider nicht tragisch komisch ist. Zusätzlich fügt sich das Beziehungsgeflecht schließlich auch noch in, vom längst verstorbenen Vater Mirandolinas, vorbestimmte Bahnen. So drängt einen das Ende des Stücks, den Theaterabend als moralisches Trauerspiel zu rezipieren, was man nur unfreiwillig möchte.

Schade, denn der krachende Klamauk, der von Ernst Stötzner über einen Prozess der Schauspielerimprovisation in die Regie integriert wurde, ist wunderbar und sämtliche Nebenfiguren sind in Form und Stil ein Vergnügen.

 

Autor:

 

Eine Reaktion

  1. Christoph

    Diese Krtitik macht wirklich Lust auf mehr. Sollte es noch gespielt werden werde ich mal hingehen.

Beitragsarchiv

Bizim Kiez – Website