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28. Februar 2013 14:02:27

… unerhört: unmenschliche Musik im HKW

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Kann es überhaupt Musik geben, die nicht menschlich ist? Nach landläufiger Meinung ist Musik das kulturell geprägte, menschliche Spiel mit Tönen, Klängen, Rhythmen, Harmonien und Melodien. Wenn dagegen in der Natur Schwingungen auftreten, die zueinander Intervalle, Interfrenzen oder sonstige Strukturen aufweisen, halten wir es für interessante Geräusche. Wir weigern uns, den Gesang einer Amsel als Musik zu begreifen, denn logischer Weise müssten wir dann auch Amseln als Musiker ansehen. Anders, wenn ein Musiker, den Gesang einer Amsel sampelt, mit einigen physikalischen Parametern (rück)koppelt und im Kontext einer Ausstellung oder eines Konzerts abspielt. Hier lassen wir die Technik oder Technologie die menschliche Rolle des Musikers oder Komponisten spielen, da wir grundsätzlich alle technischen Phänomene der kulturellen Sphäre zurechnen. Kommt Geräusch und Technologie im Spiel zusammen, sind wir geneigt, es Musik zu nennen: Kunst-Musik oder zumindest Kultur-Musik.

Das Festival „Unmenschliche Musik – Kompositionen von Maschinen, Tieren und Zufällen“ balancierte genau auf den Grenzen zwischen Technologie, Natur und Kultur und stellt sich in der Form zwischen Ausstellung und Konzert dar. Es bieten sich Begriffspaare wie „performative Installation“ oder „interaktiver Klangraum“ an, um zu beschreiben, was da im Haus der Kulturen der Welt vor sich ging. Klänge auf der Suche nach den Anfängen und Enden der Musik.

Ich habe die Eröffnungsveranstaltung besucht und das Konzert von und mit Nobukazu Tekemura und dabei höchst unterschiedliche Eindrücke gewonnen. Zur Eröffnung ließ …
zunächst der aus dem Berliner Schrott-Untergrund kommende Kolja Kugler seine Metal Roboter ganz amüsant herumzappeln (leider viel zu leise), wobei er ständig betonte, dass die beiden Figuren Sir Elten Junk und Afreakin Bassman ihre Aufgabe sonst besser erledigen würden.
Es folgte ein dreiteiliges Gerätekonzert, bei dem einem zunächst Tamer Fahri Özgönenc eine viertel Stunde Lebenszeit mit dem beleidigend dünnen Konzept Cluster 100 stahl, bestehend aus 100 festgeschraubten Bohrmaschinen, die in vier Formationen allesamt voll Stoff liefen und dabei ein stehend jaulendes Brummen abgaben. Der Künstler entblödete sich nicht zu sagen, dass der musikalisch-kompositorische Vorgang eher vom Betrachter bzw. Zuhörer ausging, wenn er sich zwischen den vier Blocks bewegte. Alexander Hacke (von den Einstürzenden Neubauten) durfte 3 Dolmetscherkabinen bespielen, wobei er zu Wurstproduktions-Videosloops als besonders emphatisch geltende Worldmusik unter einen monotonen 120 ppm Beat legte, was er als Kommentar zur Verarmung der Musikalität in der Popmusik verstanden haben wollte. Erschreckend hier vor allem, dass im zugehörigen Video-Interview zwischen Axel Hacke und Detlef Dietrichsen, dem Künstler jede halbwegs intelligente Antwort vom fragenden Kurator in den Mund gelegt werden musste. Anders die abschließende und überzeugende Installation Prepaid Piano von Andrew Pekler. Er präparierte ganz nach dem modernen Vorbild eines John Cage, 5 Handys in einen Flügel, stellte das Klingelsignal auf Vibrationsalarm und baute einen Konferenztisch mit 5 kabelgebundenen Telefonen auf, über die das Publikum die Handys auf den Klaviersaiten brummen lassen konnte. Die interaktiv erzeugten Klänge wurden in einen proaktiven Looper eingespeist und verstärkt, so dass eine autarke und nur mittelbar gesteuerte Zufallsmusik entstand.

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Nach dem Gerätekonzert konnte man miterleben, wie selbst die Teilnehmer der Roboter-Fußballweltmeisterschaft noch immer unfähig sind, ein einigermaßen funktionierenden Spiel entstehen zu lassen. Hat nicht schon Friedrich Schiller mit seiner bekannten Phrase zum Homo Ludens „Der Mensch [] ist nur da ganz Mensch, wo er spielt“ einen Hinweis gegeben, dass das Prinzip Spiel in der Robotik daran scheitern könnte, dass es den Maschinen „innerlich“ zu tiefst gleichgültig ist, ob und wie sie spielen. Ralf Hoyer versuchte quasi als Trittbrettfahrer aus den im putzigen „Spiel der Roboter“ abgenommenen Parametern (Entfernungen zueinander, Geschwindigkeiten, Positionen im Feld usw.) ein Klangereignis zu unter dem Titel Mid Size Robo Soccer Music generieren, was ebenso unspannend war wie das eigentliche Spielergebnis: 12:0 für Magenta.
Später versuchte man sich auf der Bühne beim Café Global noch kläglich an einer Art Quizshow, in der geraten werden musste, ob es sich bei Toneinspielungen um menschliche und unmenschliche Musik handelt. Da war es Zeit zu gehen.

Nobukazo Tekemura Verinnerlichte Körper

Am Samstag besuchte ich dann die ungefähr 45-minütige Uraufführung von Nobukazu Takemuras Verinnerlichte Fremdkörper. Vier Musiker/-innen an klassischem Instrumentarium (Cello, Posaune, Klarinette, E-Bass/Gitarre) spielten nebst Sound-Designer Takemura vor einer in 4 Szenen eingeteilten Videoprojektion. Es ging um die fortschreitende Verinnerlichung von Technik ins Menschliche, wie sie sich z.B. beim Interagieren zwischen Menschen und Service-Robotern zeigt, wobei beide Seiten in gegenseitig lernenden Prozessen eine Entwicklung durchlaufen, die sicherlich nicht zur Vermenschlichung der Technik, sondern leider zur Verarmung des Menschlichen führt. Die ästhetisch strenge Vorführung spannte im Kontrast zwischen der stressend schnell und monoton gesprochenen Sprache und der sehr ruhigen, eher dahin plätschernden Musik einen typisch japanischen Bogen: Hin und her gerissen zwischen oberflächlich spielerischer Begeisterung und tiefer gesellschaftlicher Vereinsamung.

Insgesamt war das Festival trotz allem insofern spannend, als dass es zumindest die Potenzialität der thematischen Aspekte aufzeigte.

 

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