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Monatsarchiv für November 2011

30. November 2011 10:09:13

… Filmsalat: Libido im Bratenrock

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Obwohl (oder gerade weil?) es sich hierbei um „die wahre Geschichte einer Begegnung“ zweier bedeutender Männer und einer ebenfalls bekannten Frau handelt, spielt dieser Film quasi in einem Reinraum: Staubfreie Luft, gerade Wege, beschnittene Sträucher, schneeweiße Kragen, trockene Dialoge und garantiert erotikfrei. Keira Knightley müht sich als Sabina Spielrein wirklich redlich, die hysterischen, epileptischen Anfälle einer seelisch Kranken nachvollziehbar zu machen. Allein man sieht es, dass sie schauspielt. Michael Fassbender als (Carl) Gustav Jung und Viggo Mortensen als Sigmund Freud führen über einen Zeitraum von gefühlten zehn Stunden Dialoge und Briefwechsel zu psychoanalytische Themen, insbesondere über die Rolle der Sexualität und deren Folgen für die Welt. Es wird aber nicht nur analysiert, sondern mit Sabina auch praktiziert – ohne dass Gustav seine Gamaschen ablegt.

Besonders bizarr verläuft ein Gespräch – die übrige, große, Freudsche Familie hört de facto hypnotisiert mit und verputzt dabei ihr sonntägliches Bratenstück – über Libido und andere Herausforderungen, derweil der allgegenwärtige Zigarrenqualm den Durchblick zusätzlich vernebelt. Ich frage mich – und der andere Zuschauer im Saal vielleicht nun auch – ob David Cronenberg in diesem Film dem Klischee vom Psychoanalytiker entgehen wollte, in dem er es haarklein und stinklangweilig genau so vorführt, wie man meint, dass es wäre. Ich habe versucht aus den hochgestochenen Dialogen etwas zu lernen oder Ironie zu extrahieren, wo doch keine war. Schade, denn alle drei waren interessante, tragische Persönlichkeiten. Das Film-Wirken der beiden Männer erinnert mich jedoch fatal an einen auch heute zu beobachtenden Trend: Wenn ich von einer Sache schon nicht viel verstehe, kann ich aber immer noch Ratgeber werden und Leute coachen. Übrigens heißt der Streifen: „Eine dunkle Begierde„.

Dieses Kinoerlebnis fand übrigens im „Moviemento“ statt, dem – laut Eigenwerbung – ältesten (gegründet 1907) Kino Deutschlands. In dem Haus am Kottbusser Damm 22 ist immer was los. Vorgestern z. B. strömten einige Schulklassen mit angeregten Gesichtern aus der Vorstellung, nachdem sie sich vorher den, 2010 herausgekommenen, Streifen „The Social Network“ angesehen hatten. Im dem Kino, dass ja eigentlich aus mehreren kleineren Sälen besteht, herrscht Arbeitsatmosphäre und Improvisationsgeist. Von letzterem kündet u.a. der über dem Empfangstresen hängende Lampenschirm: Er war in seinem früheren Leben mal eine Waschmaschinentrommel.

Noch älter als das „Moviemento“ ist auf jeden Fall Max. Nachname Skladanowsky. Geboren 1863 in Pankow, gestorben am 30.11.1939, also heute vor 72 Jahren, in Berlin. Max Skladanowsky war mit seinem Bioscop einer der Wegbereiter des Films!

 

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26. November 2011 13:34:49

… Unterschied: Bond, und dann auch James

Am Eingang der Köpenicker Straße 95 in Berlin hängt eine Granittafel mit folgender Inschrift: 

LUISENSTÄDTISCHE BANK   EINGETRAGENE GENOSSENSCHAFT MIT BESCHRÄNKTER HAFTPFLICHT: GEGRÜNDET 1863   DISKONTIERUNG VON WECHSELN   AN- UND VERKAUF  SOWIE BELEIHUNG VON EFFEKTEN   ANNAHME VON DEPOSITENGELDERN   CHECK-VERKEHR   SPARKASSE   VERMIETUNG VON TRESORFÄCHERN

Diese Luisenstädtische Bank war nichts anderes als ein Vorläufer der heutigen Berliner Volksbank. Sie handelte also bereits zu jener Zeit mit Effekten, was nichts anderes sind als Wertpapiere, also z. B. Aktien oder Anleihen (Bonds), über die heute in den Nachrichten – „Frau Merkel lehnt Eurobonds ab“ – jeden Tag gesprochen wird.

Mit einer Staatsanleihe leiht sich der Staat Geld bei anderen, z.B. Staaten, Banken oder bei Privatpersonen. Dafür zahlt er dem Käufer in der Laufzeit der Anleihe einen Zins und am Ende die Anleihe zurück. Der Staat haftet also für die Anleihe. Wenn die Bonität des Staates gut ist bzw. so bewertet wird, ist das Risiko für den Anleihekäufer niedriger, aber auch der Zins. Ist die Bonität schlecht bzw. wird so beurteilt, steigt das Risiko für den Käufer, aber der Staat muss auch höhere Zinsen geben. Wenn der Staat seine Anleihen nicht mehr bedienen kann, muss man ihm die Rückzahlung verlängern, wenn auch das nicht hilft, die Schulden erlassen oder er müsste „Pleite“ gehen. Soweit die Theorie.

Und die Praxis? Beispiel: Deutschland zahlt für seine Bundesanleihe WPKN 114157, Laufzeit bis 10.4.15 einen Zins von 2,25% p.a. Die Rendite (nach Abzug Kosten, unter Berücksichtigung des Kurses) dieser Anleihe liegt bei äußerst mageren 0,78%. Der Zins, den ein Anleihekäufer bekommt, liegt also in etwa genau so hoch, wie die Teuerungsrate in Deutschland Januar bis Oktober 2011 (2-2,5%). Nimmt man aber die Rendite als entscheidendes Kriterium, dann bedeutet es, dass ein deutscher Anleihekäufer sehenden Auges den Wert des eigenen Ersparten reduziert. Wenn er es als Festgeld anlegt, kann er die Teuerung gerade mal ausgleichen. Mehr wird’s jedenfalls nicht.

Die Türkei z. B. begibt ebenfalls Staatsanleihen, so z.B. die WPKN A0DDXD, Laufzeit bis 15.3.15, Zins von 7,25%. Nach Abzug der Kosten und unter Berücksichtigung des Kurses wird eine Rendite von 4,46% angegeben. (Quelle: www.finanzen.net) Die Türkei zahlt ihren Anleihekäufern (man kann sie auch als Deutscher erwerben) also deutlich mehr Zinsen, o b w o h l die Staatsverschuldung der Türkei niedriger liegt als bei Deutschland. (41,2% zu 83,2% jeweils bezogen auf BIP – Quelle: FOCUS 40/11). Sicher spielen noch andere Faktoren hinein. Dennoch:

Nicht jeder, der ein ernstes Gesicht macht, ist ein Gauner. Und nicht jeder, der in eine Kamera strahlt, ist ohne Probleme. James Bond jedenfalls weiß das.

 

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22. November 2011 21:58:56

… janz weit draußen: Brunow aus Tejel

Jestatten: Brunow mein Name. Ludwig Brunow. Vawechseln Se mir, deshalb lass ick hier mal die Amtssprache, aba nich mit Ludwig Brunow, Bildhauer und Jroßherzoglicher Professor in Berlin. Der is schon 1913 hinüber, ick aba erst 1929. Vorher war ick in Tejel jahrelang Amtsvorsteher jewesen. Wennset janz jenau wissen woll’n, von 1874-1903, een halbet Menschenleben. Die heutijen Amtsträjer halten ja nich so lange aus, die meisten wern nach vier Jahre schon wieda rausjekegelt. Dat Schlimme is bloß: Die schielen erst uff det Amt und denn uff die Uffjabe.

Int Jahr 1898 wurde dat Jefängnis fertichjestellt, det wird ja heute noch jebraucht. Zwee Jahre nach meine Ausmusterung als Beamta, also 1905, wurde die Kirche am Platz jebaut. Allet Klinker und heute frisch saniert. Die eene Straße zum Platz heeßt jetz Medebacher Weg, die andre, na wie sollse heeßen, Brunowstraße. Und inne Mitte is son Rondell, also een runder Platz, dessen Name lautet jetz Brunowplatz. Und uff den Platz is een Jedenkstein für mir. Mehr Brunow jeht nich.

Nochmal zu die Kirche. Anne Seite is da jetzt son Jlaskasten für Neuichkeiten aller Art. Da jehts um Jottesdienst, aba ooch um die Sprechstunde für Anonyme Alkoholiker. Also in meene Amtszeit, da kannt ick meene Pappenheimer. Aba heute ham se zwar alle Fernsehen, aba kenn sich trotzdem nich. Besonders freu ick mir aba über det Koppsteinflaster. Alle Straßen, die uff den Platz führ’n, sind Koppsteine. Da würd ick heute jern mal mit meine Droschke lang holpern, denn viel Vakehr is ja hier nich.

Wer mir uff den Platz besucht, der hat aba janz wat andret vor. Der will eijentlich zu Fränkel inne Schlieperstraße, die is jleich umme Ecke. Der hat ne Wurstfabrikation und die Leute vonne Friedrichstraße komm hierher und koofen die Dinger. Janz erstaunlich. Sonst is hier nur ne Tortenstube und ne Jaststätte, sonst nüscht. Ansonsten jibts ja Stücke weiter noch den Flugplatz. Aber der wird ja nu ooch jeschlossen. Nur der See wird ja bleiben, also wenner nich austrocknet bei die Klimaerwärmung. Ick jloobe, ick hab mir rechtzeitig davonjemacht. Aber nüscht für unjut.

 

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18. November 2011 19:45:42

… Kurzkritik: „Poll“

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Die Schwiegermutter meines Onkels war Bäuerin und stammte aus Ostpreußen. Von ihr hörte ich, wenn es z. B. um die nie endende, öde Arbeit des Rübenverziehens ging, des öfteren das heute fast ausgestorbene Wort „marachen“ (schwer und schnell arbeiten). Sie sprach auch diesen so sehr gemütlich klingenden Dialekt, der dem Baltendeutsch ähnelt, das in dem Film „Poll“ immer wieder zu hören ist.

Die Handlung des Streifens, auf wahren Begebenheiten fußend, führt in das Estland des Jahres 1914 zurück – am Ende des Films hört der Zuschauer die Nachricht vom Ausbruch des 1. Weltkrieges. Regisseur Chris Kraus verknüpft in dieser Produktion familiäre Erkundungen – eine Hommage an Oda Schaefer (eine Großtante von Kraus und heute völlig vergessene Lyrikerin) – mit einem historischen Exkurs in das bis 1918 zu Russland gehörende Estland (Baltikum). Beides wird mit einer ungewöhnlichen Liebesgeschichte zwischen der blutjungen, aus besserem – zudem deutsch sprechendem – Hause stammenden, Oda und einem baltischen Anarchisten (Tambet Tuisk), der gegen die Russen kämpft, angereichert.

Edgar Selge spielt den Vater von Oda, der als abgeschobener Pathologie-Professor einen feinfühligen, aber auch ambivalenten Charakter (Selge spielt nicht zum ersten Mal einen solchen Typ) verkörpert. Jeanette Hain tritt als dessen Ehegattin, die ein leidenschaftliches Verhältnis mit dem Hofverwalter (Richy Müller – sehr einprägsam) pflegt und Oda’s Mutter, in Erscheinung. Die wirklichen Entdeckungen dieses Films, der auch auf kleine Schock- und Horroreinlagen (wozu die Pathologie geradezu einlädt) nicht verzichtet, sind jedoch das wunderbar kraftvolle und gleichzeitig sensible Spiel der Laiendarstellerin Paula Beer als junge Oda, zweitens der Drehort, mit dem ins Wasser gebauten, wunderlichen und unheimlichen Schlosshaus und schließlich die lichtvollen Bilder dieser Landschaft am Meer, welche uns die Kamera immer wieder vor Augen führt.

Der Film lief bereits im Februar 2011 in den Berliner Kinos, leider habe ich den Streifen seinerzeit verpasst. Wem es ebenso erging, kann sich die, seit einigen Tagen angebotene, DVD ausleihen. Unbefriedigend, zumindest auf meiner Film-Konserve, ist die teilweise schlechte Tonqualität. Man hört z. B. von den Dialogen am Beginn nur Genuschel. Also, entweder vorher mal reinhören oder bis zu einer TV-Ausstrahlung warten.

 

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15. November 2011 19:32:59

… seltene Momente: Klassentreffen

Das Abitur liegt viele Jahre zurück, nun kam ein Jubiläum. Treffen im Audi Max. Die Lehrer sitzen auf der Bühne, die Schülerjahrgänge ihnen zu Füßen. Jeder der einstmals Lehrenden erzählt etwas über seine Zeit mit uns, nach uns. Offen berichten sie, einige so ehrlich, dass ich betroffen bin. Denn: Manchmal waren sie Leuchttürme für uns und dann doch selbst Schiffe in Not.

Mit einem von ihnen, nicht viel älter als wir, auch Klassenlehrer, sitzen wir anschließend zusammen. Die Zeit hat die einst noch sichtbaren Altersunterschiede beinahe nivelliert, geglättet wie ein gebügeltes Hemd. So duzt man sich nun und hört trotzdem mit Achtung zu. Er erzählt – mit einem Selbstvorwurf – von einem unserer Mitschüler, dem er mal eine innige Bitte und gute Idee abgeschlagen hat, was ihn heute noch beschäftigt. – Nein, es sind nicht alle gekommen. Einige von den Fernbleibern hätte ich auch gern wieder gesehen. Aber unterschlagen wir nichts: In der Zwischenzeit ist den hier Versammelten ein Staat abhanden gekommen und ein neuer kam mit wuchtigen Veränderungen. Alles wurde umhergewirbelt, wie Laub im November. Aber mehr noch: Manchem ist in dieser Zeit auch eine Liebe gestorben, so wie es Tom Petty sehr lakonisch in „To Find A Friend“ besingt: „In the Middle of his life – he left his wife.“ Wobei es im Osten eher die Frauen waren, die gingen.

So wird erzählt, zugehört und in die Gesichter geschaut. Der damals Pfiffige ist genau so erfolgreich durch’s Leben gekommen. Die Lachende, Strebsame wurde zur vielfliegendenden Managerin, die hier aufmerksam zuhört. Der Ungelenke ist überraschend zum Sportler mutiert. Aus dem Vor-dem-Abitur-Abgänger ist nun ein abgeklärt wirkender Niederlassungsleiter geworden. Aber auch Unerwartetes ist erkennbar: Bei einem sieht man Bitterkeit im Gesicht, ein anderer ist offensichtlich gesundheitlich beeinträchtigt. Jeder hat seine Geschichte. Aber alle sind offen, unverstellt; horchen in gemeinsam Erlebtes hinein, einige berührt, manche sogar erstaunt über ihre Emotionen.

Die Hahnenkämpfe sind vorbei. Niemand muss sich mehr Sporen verdienen, manche haben sie vielleicht abgelegt, andere maßen ihnen nie eine Bedeutung zu. Das Leben hat Spuren hinterlassen, die Gesichter blieben jedoch neugierig; gleichen jetzt rohem, unbearbeitetem, länger gelagertem und trotzdem in sich arbeitendem Holz. Gleichmäßige Ringe, schöne Maserung, aber auch Streifen, Äste, dunkle Stellen. Ohne Farbanstrich. Ohne Lack.

 

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15. November 2011 13:19:48

… genervt: Verified by VISA ist absoluter Mist

verifiedbyvisa-mist

Dieses zusätzliche Sicherheitssystem von VISA ist so User-unfreundlich wie man es sich nur denken kann. Die Website funktioniert am Mac in keinem der verfügbaren Browser, es werden haufenweise unverständliche Abkürzungen verwendet (PAM?) und es fühlt sich an, als wäre man auf einer besonders bescheuerten Phishing-Website geandet. Ich habe es mit einer halben Stunde Aufwand nicht geschafft, mich da anzumelden.

Gesamturteil: Ungenügend! Fazit: Abgelehnt!

 

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Alltägliches | Internet

 

11. November 2011 22:16:15

… leuchtender Pfad: Demonstration im Botschaftsviertel

Wie aus – gewöhnlich gut unterrichteten – Sicherheitskreisen verlautete, kam es am späten Nachmittag des heutigen Tages vor den Botschaften von Ghana und Eritrea in der Berliner Stavangerstraße zu einer nicht angemeldeten Demonstration. Wie sich aus der weiteren Marschroute des Trupps ergab, war auch die Botschaft der Republik Kuba – gleich um die Ecke – betroffen. Die Zahl der Schlendernden, einige mit Schals vermummt, soll bei etwa 40-50, beiderlei Geschlechts, darunter einige dunkelhäutige Personen, gelegen haben. Besonders auffällig aber war die große Anzahl von Kleinkindern, die mit Leuchtkörpern ausgestattet waren und, wohl nur scheinbar, harmlos und ziellos vor sich hin trottelten. Bei genauerem Hinhören sollen aus der sich bewegenden Menge Gesprächsfetzen, Lachen und sogar Singen an das Ohr des Lauschenden gedrungen sein. Besonders interessant für das weitere Profiling war die Tatsache, dass der Name Martin erwähnt wurde. Schließlich, es war nicht zu erkennen ob einer der Vermummten damit begann, war ein Lied zu hören, welches von vielen mitgesungen wurde. Nach Ansicht von Experten handelt es sich bei dem gesungenen Text jedoch um einen Code, denn wie anders lässt er sich sonst erklären: „Ich geh mit meiner Laterne und meine Laterne mit mir.“ Noch mysteriöser wurde die folgende Zeile: „Dort oben leuchten die Sterne, hier unten leuchten wir.“ Besonderes Kopfzerbrechen bereitet der Dechiffrierabteilung jedoch das refrainmäßig auftauchende „Rabimmel, Rabammel, Rabumm„. Nachdem die dubiose Gruppe an den Botschaften vorbei gezogen war, sammelte sich anschließend alles auf einem Spielplatz an einer Ecke der Bornholmer Straße. Während die Erwachsenen, meist 30-40-ig Jährige, munter miteinander plauderten und die Leuchtkörper in Sträucher und Bäume hängten, tollten die Kinder umher. Dabei soll sich dann die in jenen Kreisen so typische, chaotische Stimmung herausgebildet haben. Sicherheitsexperten untersuchen in jede Richtung, können aber zum jetzigen Zeitpunkt auch nicht ausschließen, dass es Kontakte von dieser Zelle, es wäre die erste in Prenzlauer Berg, bis in die Kreise von Al K… geben könnte.

Wie sich nun – bedauerlicherweise sind hier Sicherheitskreise durch einen übereifrigen Informanten auf eine falsche Fährte gelockt worden – im Laufe des Abends durch den, nicht zufällig, vor Ort befindlichen Berlin-Ist. de Reporter heraustellte, handelte es sich bei diesem Vorgang jedoch eindeutig um den fröhlichen Lampionumzug einer Kita-Gruppe am Martinstag.

 

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9. November 2011 19:01:12

… nachgefragt: Der öffentliche Raum I

Es ist Zufall, aber ich greife ihn gern auf: Im vorhergehenden Beitrag  war u.a. von den Berlinern die Rede, die ihre Stadt noch mehr bewohnen müssen. Ich greife mal einen speziellen Aspekt dazu heraus.

Wer hat es nicht selbst schon x-mal erlebt! Da wird an einem historisches Gebäude ein hässliches oder/und kommerzielles Riesenplakat aufgehängt; da besetzen Gastwirte mit ihren Tisch- und Stuhlbatterien die Bürgersteige, so dass niemand mehr vorbeikommt; da reserviert sich ein Unternehmen Parkplätze im öffentlichen Raum; da sperrt eine Baufirma die Straße ab, okkupiert Flächen und macht die Anwohner faktisch zu Geiseln, weil die nicht mehr wissen, wo sie entlang laufen, wie sie mit ihrem Auto aus der Straße herauskommen und wo sie schließlich parken sollen. Was passiert in Berlin eigentlich so mit öffentlichen Stadträumen und -flächen und wie verhält sich dazu die Verwaltung?

Ich habe mir mal drei Beispiele aus dem Stadtbezirk Mitte herausgesucht und am 26.10.11 per Mail beim Bürgeramt Mitte folgende Fragen gestellt:
1. Haben die genannten Betreiber bzw. Investoren eine Genehmigung vom Bezirksamt Mitte, öffentlichen Raum für ihre eigenen, privaten, geschäftlichen Zwecke teilweise oder auf Dauer zu nutzen?
2. Bezahlen die genannten Betreiber/Investoren dafür eine Gebühr an den Stadtbezirk und wenn ja, in welcher Höhe?
3. Welche gesetzlichen Grundlagen werden für die private Nutzung von öffentlichem Raum zugrunde gelegt und sollen diese beibehalten werden?

Am 8.11.11 kam die AntwortMail aus dem Büro des Bezirksbürgermeisters mit der Information, dass meine Anfrage an den Bezirkstadtrat für Stadtentwicklung und Ordnungsamt zur Beantwortung weitergeleitet wurde. Fortsetzung folgt.

 

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8. November 2011 23:51:45

… schön. Der Berliner Flaneur Franz Hessel

Flughafen Tempelhof 2009 @LiAGeese

Flughafen Tempelhof 2009 @LiAGeese

Ein „Memorieren im Schlendern“ nennt Walter Benjamin, der Autor des Passagenwerks, Franz Hessels 1929 erschienenes Buch Spazieren in Berlin. Wie Benjamin ist Hessel ein Flaneur und feinsinniger Beobachter, der kompromisslos subjektiv eine Stadt beschreibt, die nicht mehr und zugleich doch immer ist. Faszinierend, und selbst für intime Kenner der Berliner Stadtgeschichte lehrreich, sind dabei nicht nur seine liebevollen Beschreibungen des Alltags – Märkte, Mode, Manufakturen – und touristischer Highlights – Dom, Schloss, Dampferfahrt -, sondern die Parallelen, die sich, zwanzig Jahre nach dem Mauerfall, zum heutigen Berlingefühl ergeben.

Hessel erzählt von einer Stadt im Aufbruch, in der der Erste Weltkrieg Erinnerung zu werden beginnt, die boomt, die geprägt wird vom architektonischen Übergang von der Gründerzeit zur Moderne, in der „Groß-Cafés“ entstehen, und in der er Heldendenkmäler nur noch als hässliche Anachronismen wahrnehmen möchte. Zentrale Plätze ändern ihr Gesicht, das Scheunenviertel verschwindet, der Alexanderplatz entsteht, neben den Bauten Schinkels manifestieren die prächtigen „Tempel der Arbeit“, die Peter Behrens für Borsig und Siemens errichtet, die Metropole im Werden. Hessels Begeisterung für die urbane Dynamik und den Nonkonformismus, die auch das heutige Berlin wieder auszeichnen, stecken an. Gleichgültig ob man mit ihm über „die weite Fläche“ des Flughafens Tempelhof spaziert, den „alten Westen“ der Maaßen-, Derfflinger- und Kurfürstenstraße besucht, der „aus der Mode gekommen ist“, weil die Wohlhabenden „jetzt“ am Ku’damm und im Westend leben, oder „die Budenstadt eines Marktes“ ansteuert, „der das ganze Maybacher Ufer bedeckt“: Man kann sich der unbändigen Sehnsucht des Autors nach dem Bestehenden nicht entziehen.

Und doch sieht die Leserin heute natürlich auch die Vorboten des Grauens, das nur vier Jahre nach dem Erscheinen des Buches die Gesellschaft zu durchdringen begann und vor dem der Romancier, Lyriker und Rowohlt-Lektor Hessel am Ende selbst fliehen musste. Im Rückblick erschauert man, wenn man seinen Bericht über den Schöneberger Sportpalast liest: „Mit unparteiischem Echo dröhnen seine Wände ‚Hakenkreuz am Stahlhelm’ und ‚Auf zum letzten Gefechte’ wider wie die Zurufe der Sportfreunde. Es ist ja alles Überschwang derselben ungebrochenen Lebenslust.“

Wie rasch diese „Lebenslust“ bei den Nazis zur Mordlust wurde, spürte der 1880 geborene Sohn eines jüdischen Bankiers bald am eigenen Leib. Bis kurz vor den Novemberpogromen 1938 blieb er trotz Berufsverbots in Deutschland. Dann kehrte er – widerwillig – nach Paris zurück, wo er bereits während des Ersten Weltkriegs gelebt hatte. 1940 flieht er von dort vor der vorrückenden deutschen Wehrmacht ins südfranzösische Sanary-sur-Mer, wo er bald nach seiner Freilassung aus dem berüchtigten Internierungslager Les Milles, 1941 stirbt.

Im Geleitwort zur 2010 erschienenen Neuauflage des Buches seines Vaters schreibt Stéphane Hessel (Indignez-vous!): „Heute bin ich viele Jahre älter, als mein Vater gelebt hat. Mehr denn je scheint es mir nun notwendig, seine Botschaft weiter zu tragen. Jahr um Jahr kommt sie mir näher. Ohne sie, so erscheint es mir heute, können wir die bedrohliche, gefährliche, zerbrechliche Gesellschaft unserer Zeit nicht bewältigen. Aus der Erschütterung, die er nicht überlebte, trifft sein Lächeln mich tiefer als jeder Schrei.“

Franz Hessel formulierte eine eigene Botschaft speziell für die Berliner, denen er das Nachwort widmet: „Bisher wurde Berlin vielleicht wirklich nicht genug geliebt.“ Und er fordert seine Mitbürger auf: „Wir Berliner müssen unsere Stadt noch viel mehr – bewohnen“, was gar nicht so leicht sei „bei einer Stadt, die immerzu unterwegs, immer im Begriff ist, anders zu werden und nie in ihrem Gestern ausruht. … Wir wollen es [Berlin] … so lange anschauen, liebgewinnen und schön finden, bis es schön ist.“ Vielleicht wäre der Versuch, sich dieser Aufgabe anzunehmen, auch eine Form, das Gedenken an einen der vielen, die der Nationalsozialismus ins Exil und in den Tod trieb, wachzuhalten. Inspiriert von einem zauberhaften Buch, dessen Lektüre Vergänglichkeit ebenso wie die schönen Seiten vergangener Welten evoziert. Die Gegenwart birgt schließlich die Vergangenheit ebenso wie die Zukunft.

 

 

8. November 2011 17:04:29

… Krautrock: Jaki Liebezeit im Festsaal Kreuzberg und Can im Künstlerhaus Bethanien

Als mir vor drei Jahren der Schauspielintendant der Wuppertaler Bühnen Christian von Treskow erzählt hat, dass er sich derzeit sehr für alles Kraurrockige interessiere, war mir dieses Interesse noch sehr fremd. Kraurock ist was für Ü50 Menschen dachte ich, doch als dann Jaki Liebezeit in Wuppertal spielte, hörte ich mich in dessen heutige Musik ein und wurde im Handumdrehen zum „Fan“. Als Ex-Drummer liegen die verdrehten und ungeraden Rhythmen des ehemaligen Can-Schlagzeugers natürlich voll auf meiner Wellenlänge und der in den 60er-Jahren geschulte Elektromusiker Burnt Friedmann bringt so viel Ideenreichtum mit, dass es gegenüber seinen technoiden 90er-Jahre Nachfolgern eine wahre Wonne ist.

Das Duo spielt am 15. Dezember wieder mal in Berlin im Festsaal Kreuzberg. Schon letztes Jahr traten sie in der Volksbühne auf. Damals war es doch sehr meditativ und ruhig, wenn nicht schon einschläfernd. Besonders auch, weil die dazu gebeamten Videobilder so mitreißend waren, wie das ausgedehnte Betrachten einer blubbernden Lavalampe. Ich hoffe das wird diesmal etwas lebhafter visualisiert (oder gar nicht).

Ebenfalls dem Krautrock verpflichtet ist die kommende Ausstellung (ab 24. November) über die Band „Can“ im Künstlerhaus Bethanien. Wahrscheinlich ist die 50+ Generation inzwischen einfach als bestimmende Kuratoren-Generation angekommen und beschäftigt sich nun öffentlich mit der Aufarbeitung ihres jugendlichen Musikgeschmaks. Da sich dies derzeit gut mit  gewissen, nerdigen Jugendvorlieben verbindet, scheint die Zeit reif dafür.

Im Allgemeinen empfehle ich zur gesamtgesellschaftlichen Krautrock-Einfinung diesen BBC-Film (auf englisch). Da lässt sich nachvollziehen, wie eine ganze Musikergeneration nach eigenständig deutschen, von der Vergangenheit unbelasteten Ansätzen suchte.

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