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Monatsarchiv für Juli 2015

6. Juli 2015 22:29:20

… zum Einschlafen: Montiverdis »Orfeo« von Sasha Waltz

Ich wollte ja eigentlich keine schlechte Kritiken mehr schreiben, weil irgendwie immer Beziehungen damit gefährdet werden. Aber in diesem Fall bin ich so enttäuscht, dass ich andere warnen möchte.

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Foto: Monika Ritterhaus

Wer nichts dafür kann:
Das Freiburger Barockkonsor ist ein sehr authentisch klingendes Orchester, das meisterhaft auf historischen Instrumenten spielt. Wenn man schon hermetische und geradezu banal unterkomplexe Barockmusik mit der harmonischen Raffinesse von öden Weihnachtsliedern hören möchte, dann am besten so.
Den Sängern ist nichts vorzuwerfen und die arabesken Koloraturen des Orfeo (Georg Nigl) ließen einen kurzzeitig mal aufwachen.
Der Plot des Stücks ist so zäh wie er halt ist – über Stunden gibt es nur eine minimale Handlung: Orfeo verliebt sich in Euridice und diese wird alsbald von einer Schlange gebissen, woran sie stirbt. Orfeo will ihr in die Unterwelt folgen, singt den Wächter in den Schlaf, geht ins Totenreich, bekommt sie aber nicht zu sehen. Er sieht ein, dass es eine schlechte Idee war, geht wieder zu den Lebenden und lässt sich preisen. Also typischer Opern-Quatsch auf Kindergarten-Niveau – wär ja nicht schlimm, wenn die Inszenierung was draus machen würde.

Was wirklich schlimm ist:
Sasha Waltz fällt nichts mehr ein und sie wagt nichts mehr. Wer ihre Stücke kennt, braucht dieses nicht anzusehen, denn man hat alles schon früher besser gesehen. Die Art der Bewegungen, die Kostüme, das Spiel mit den Zweigen, die Wasserpfützen … es ist halt Sasha-Waltz-like – nur auf Sparflamme.
Der Tanz bleibt die ganze Zeit nur Illustration einer total langweiligen Story. Wenn Euridice Blumen pflückt, werden ihr Blumen gereicht, wenn sie von einer Schlange gebissen wird, bewegen sich einige schlangenartig. Wäre die Musik wenigstens metaphorisch oder anstrengend oder irgendwie anspruchsvoll, dann würde man die banale, bestenfalls kitschige, Interpretation ja noch akzeptieren, aber es gibt einfach keine Kraft und Kontraste in dieser Inszenierung.
Nur einmal nach der Pause gibt es eine Szene, die nicht völlig einschläfernd ist: Es wird getanzt ohne Musik. Wenigstens einmal – ein Einfall, doch auch diese Szene bleibt beliebig und geht einfach wieder über ins gleiche ermüdende Allerlei wie zuvor und danach.
Das Drolligste ist das Finale: Mehr oder weniger unbewegliche Musiker versuchen zwischen den umher hüpfenden Tänzern und Sängern ein bisschen lauter aufzuspielen. Leider verliert dadurch das Spiel auch noch die Konzentriertheit und es verkommt zur blöden Hopserei, die versucht ein Finale zu simulieren.

Sasha Waltz hat sich mit ihrem Orfeo zu einer Helene Fischer des Tanztheaters entwickelt. Nett und vollkommen langweilig. Inhaltslos und gefeiert von einem bräsigen Publikum, das sich in einer anspruchslosen Schönheit ergötzt.
Helene Fischer wäre übrigens parallel bei ihrem Konzert im Olympia Stadion fast vom Blitz erschlagen worden. Donnerwetter!

Das einzige was überraschend war:
Der Chor der Tänzer/innen. Es ist ungemein erfrischend mal Stimmen zu hören, die nicht total geglättet in möglichst reinen Intervallen barockes Heißa von sich geben. Plötzlich bekommt das ganze Kraft und Authentizität, die man ansonsten in allem vermisst.

Wirklich sehr schade das alles.
Aber zum Glück kann man in dieser Spielzeit auch nicht mehr hingehen.

Gesehen:
ORFEO – Favola in Musica in einem Prolog und fünf Akten von Claudio Monteverdi
Libretto von Alessandro Striggio, eine Choreographie von Sasha Waltz,
in der Staatsoper im Schiller Theater

 

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Musik | Oper | Tanz

 

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