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12. Mai 2011 13:56:33

… anti: Touristen und Kreuzberg

Berlin does not love you

Mit dem Einspieler „Wir müssen draußen bleiben“ wurde in den ARD-Tagesthemen mit leicht ironischem Unterton berichtet, wie wenig begeistert alt eingesessene Kreuzberger, die ja ihrerseits auch alles nur Wahlberliner sind, auf Touristen aus aller Herren Länder reagieren. „Berlin does not love you“ schallt es von kreisrunden Aufklebern, die in übler Absicht arglosen Touristen auflauern, um ihnen hinterrtücks mit ausgrenzender Ablehnung entgegenzuschlagen, so im Beitrag zu hören.

Tatsächlich gibt es eine nicht ganz unbegründete ablehnende Unterströmung, gegen die absolute Tourismusvermarktung der Berliner Kieze, wobei deutlich zu sagen ist, dass sich diese Haltung eher gegen die hiesigen Profiteure, als gegen die Touristen selbst richtet. Denn es ist nicht zu leugnen, dass sich einzelne Stadträume wie z.B. der Wrangelkiez in wenigen Jahren extrem verändert haben, natürlich nicht nur zu deren Ungunsten, wobei aber der unangenehme Nebeneffekt auftritt, dass die Mieten in den Kiezen extrem rasch ansteigen. So entsteht ein Verdrängungsprozess, der das typische Kiezleben, das ja gerade für Touristen so attraktiv sein soll, in wenigen Jahren zum absterben bringt, und gegen Billig-Restaurants global-einheitlicher Ausprägung ersetzt.

Und an dieser Stelle beginnt dann doch die Touristen-Schelte, denn es ist festzustellen, dass vielen Besuchern der lokale Bezug der touristischen Attraktionen vollkommen egal ist. Viele wollen einfach nur Spaß haben, andere Touristen treffen, sich die Birne zusaufen, Burger fressen und dabei schlechte Musik hören – „international style“ zu lokalen Tiefstpreisen. Es scheint das ausgemachte Ziel dieser jungen internationalen Fun Communiy zu sein, die Berliner Innenstadt flächendeckend mit Scherben zu überziehen (scheiß auf die lokale Sitte der Pfandflasche), nachts laut und grundlos herumzugröhlen (Kreuzberger haben für ihre öffentlichen Äußerungen hingegen meist ernste Anliegen), alles abzufotografieren (wo wir doch extra unsere Häuder bei Google-Maps haben verpixeln lassen) und in die Grünflächen zu kotzen (Berliner betreten erfahrungsgemäß die innenstädtischen Grünflächen ohnehin nur widerwillig, von daher ist dieses Detail noch am wenigsten störend).

Also: Was wir wollen sind Flugpreise, die die echten Kosten dieser Technologie widerspiegeln und damit so teuer werden, das nur noch berechtigte Anliegen einen internationalen Flug rechtfertigen, so dass dann die Touristen zu uns kommen, die wir Kreuzberger sehr gerne bei uns empfangen, bewirten und mit denen wir gerne feiern.

scherben

Dazu die kleine Presseschau:
TagesspiegelSpiegelFocus

 

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2 Reaktionen

  1. Berliner

    Ich finde es schon erstaunlich, dass Leute die selbst meist als Studenten nach Berlin gezogen sind, nun definieren wie Berlin auszusehen hat. Dabei geht es nicht nur um Touristen in Kreuzberg. Das zeigt sich auch bei vielen anderen Themen: Keine Verbreiterung der Kastanienallee, kein Mc-Donalds in Kreuzberg und erst recht keine Media-Spree. Diversivität bedeutet demnach, wenn das ganze Viertel der eigenen Lebensweise entspricht. Willkommen in der Bio-Akademiker-Welt wo der ganze Kiez aus Heilpraktiker-Praxen, Montessori-Kindergärten und Bio-Supermärkten. besteht Man muss dazu nur mal durch den Prenzlauer Berg laufen, wo diese Vision bereits Wirklichkeit geworden ist. Diese Weltsicht ist so unglaublich beschränkt, dass sie nicht bemerkt, dass es in dieser Stadt auch Menschen gibt, die ihr eigenes Geld verdienen müssen und die nicht dem verwöhnten Bildungsbürgertum entstammen. Für diese Menschen aus Lichtenberg, Lichtenrade und Reinickendorf ist es ein Segen, wenn sie Arbeit im Tourismus oder der Mediaspree finden. Denn soviel Arbeit hat Berlin nicht
    zu bieten und gerüchteweise gibt es noch eine Stadt hinter dem Kreuzberger Tellerrand.

  2. Magnus Hengge

    Hab mich auf diesen Kommentar schon gefreut. Erstaunlich wie lange es gedauert hat 😉
    Lustig auch: Die genannten Stadtteile weisen allesamt eine kaufkräftigere Bewohnerschaft in der Sozialstatistik als Kreuzberg aus. Kreuzberg ist eben nicht ein nach der Wende von Akademikern und Erben übernommener und überalterter Ostbezirk, wie der Prenzlauer Berg es war, der sich hilflos gegen Spekulanten aller Art ergeben hat, was zu korrekt beschriebenem Straßenbild geführt hat. Weil Kreuzberger/-innen aber eben lieber selbst bestimmen, wo die Reise hingeht, wird hier viel diskutiert und gelabert, verzögert und ausgebremst, was im Ergebnis zu einem gemäßigten, meistens sozialverträglichen Gesamtkurs führt. Um dabei nicht ins Stolpern zu kommen, ist es immer gut, die Geschwindigkeit mit etwas Sand im Getriebe zu drosseln (um alle gängigen Metaphern wild durcheinander zu wirbeln).

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