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Archiv der Kategorie ‘Charlottenburg-Wilmersdorf‘

8. Mai 2017 21:40:33

… Herbert is der Beste

In Berlin ist jetzt so gut wie alles weg von Herbert, abgespielt, abgesetzt, ausgelaufen, es gibt nur noch ein paar mal „Pfusch“ an der Volksbühne (ganz ganz schwer, dafür Karten zu kriegen), ein einziges Mal noch die „Apokalypse“ und weiterhin im Repertoire der Komischen Oper seine Inszenierung von Mozarts „Don Giovanni“. Er wird dann an der Schaubühne wieder auftauchen, Herbert Fritsch, und jetzt haben sie ihm zum Abschied, zum Umzug und zum Dank den Berliner Theaterpreis gegeben.

Seine Schauspieler – Sebastian Blomberg, Corinna Harfouch, Wolfram Koch, Josef Ostendorf, Bettina Stucky, ChrisTine Urspruch und zwei Hände voll weiterer Fritschler, Fritschisten, Fritschovskis – gaben ihr Bestes in Victoria Behrs Wahnkostümen auf der Bühne des Festspielhauses gestern mittag. Das steckte alle an, Castorf – hier seine Laudatio – , Lederer, Oberender, alle lümmelten sich irgendwie angefixt durch ihre Reden; über allem schwebte der Geist des Vergänglichen, das Ende einer Ära, und brillant performten die Fritschianer die Begründung der Preisjury. Besser geht Preisverleihung nicht.

 

 

30. Dezember 2014 22:43:17

… West:Berlin. Eine Insel auf der Suche nach Festland

<p>Bierlokal in der Lehrter Straße, Moabit</p>

Bierlokal in der Lehrter Straße, Moabit

Eine Insel. So kam sie einem vor. Mauerstadt. Frontstadt. Stadt der Bewegungen, Stadt in Bewegung. “Keine Atempause, Geschichte wird gemacht” sangen die Fehlfarben in den frühen 1980er Jahren. Da hatte West-Berlin schon einige Jahre Geschichte hinter sich. Und dieser widmet das Stadtmuseum aktuell im Ephraim-Palais eine bunte, informative Ausstellung, die trotz zahlreicher Exponate – vom Amphibienfahrzeug bis zur Bahlsen-Keksschachtel – nur kleine Schlaglichter auf 40 Jahre Leben der knapp 2 Millionen Menschen am Ostrand des geteilten Deutschland werfen kann. Das Konzept der von Thomas Beutelschmidt und Julia M. Novak kuratierten Schau ist sympathisch: „Es gibt keine festgelegte Reihenfolge“, lautet die Einweisung am Eingang. „Sie können die Ausstellung von oben nach unten oder von unten nach oben besichtigen.“
Wir beginnen oben, im 3. OG, wo die Nachkriegsjahre mit Ruinen und Wiederaufbau sich mit Bildern von Blockade und Luftbrücke mischen, und wandern bis ins Erdgeschoss, wo aus privaten Fotografien von Berliner_innen eine eigene kleine Diashow den Parcours durch die Geschichte beendet.
Erinnert wird an Unternehmen, die in der 1961 bis 1989 eingemauerten Stadt blieben oder von den Subventionen der Berlinförderung angelockt in die Stadt kamen: Schering, IBM, AEG, Brinkmann … Modestadt war West-Berlin, Film- und Festivalstadt seit der ersten Berlinale, Ort architektonischer Ikonen: Nationalgalerie, Philharmonie, Hansaviertel … Sie war Metropole des Fortschritts, in der die Straßenbahn visionären und glücklicherweise nie ganz realisierten Autobahnplanungen weichen musste. Die Idee, den Kreuzberger Oranienplatz in ein Autobahnkreuz zu verwandeln, verschwand ebenso in den Schubladen, wie die ehrgeizigen Sanierungspläne geldgieriger und nicht selten korrupter Baulöwen. Nicht zuletzt dank des massiven Widerstands der wachsenden Jugend- und Bürgerinitiativen. Die Abschottung half der Alternativbewegung, eigene Biotope zu entwickeln: Auf TUNIX folgte TUWAT, die taz, die erfolgreichen Instandbesetzungen und die legendären 1. Mai-Demos. Gleichzeitig lebte im Vakuum des Kalten Krieges West-Berlins aber auch der Schwarze und Rote Filz der Regierenden. Die „Stadt am Tropf“ sorgte für erfolgreiche Reisemodelle. Wer die Transitstrecke mit den behäbigen und zeitraubenden Kontrollen in Dreilinden, Drewitz, Helmstedt usw. meiden wollte, flog mit BEA, PanAM oder Air France über den realsozialistischen Gürtel – erst die „Zone“, dann die DDR – hinweg. Busreisen waren populär, wie heute wieder.
Das Meer – die Ostsee – war nah und doch so fern, aber eigentlich genügte man sich hier selbst.
All das und mehr lässt West:Berlin in Bild, Ton und Dokumentation wieder lebendig werden. Es ist vergnüglich, zu erinnern, wie es einst hier war. Für diejenigen, die – weil zu jung oder zu weit weg – jene Jahre nicht selbst erlebt haben. Und für nostalgische West-Berliner_innen sowieso. West:Berlin. Eine Insel auf der Suche nach Festland. Noch bis zum 28. Juni 2015 im Ephraim-Palais am Nikolaiviertel. Eintritt: € 7,00.

 

 

27. September 2013 15:49:03

… 50 Shades of Grey: Eva Illouz über die neue Liebesordnung

„Erfolgreiche Bücher sind Barometer für die Normen und Ideale einer Gesellschaft“, postuliert Eva Illouz (Warum Liebe weh tut) und erläutert das in ihrem aktuellen Aufsatz Die neue Liebesordnung ausgerechnet am Beispiel von Erika Leonards alias E.L. James’ Bestsellertrilogie Shades of Grey. Sie hätte auch über Daniel Defoes Robinson Crusoe schreiben können, merkt die israelische Soziologin augenzwinkernd an. Aber „dass ein Softporno über zwei Menschen, die sich sadomasochistischen Praktiken hingeben, etwas über einhundert Jahre nach Kate Chopins Das Erwachen von 1899 zu einem weltweiten Bestseller werden kann, erlaubt uns einen Einblick in den gravierenden Wertewandel, der seitdem in der westlichen Kultur stattgefunden haben muss und der so einschneidend gewesen zu sein scheint wie die Einführung von Fließendwasser und Elektrizität in Privathaushalten.“

Ihren nicht ganz neuen aber wohlsortierten Betrachtungen zu der dreibändigen Liebesschmonzette – E.L. James nennt sie auf ihrer Website Provocative Romance – stellt Illouz zunächst einige allgemeine Überlegungen zur Frage „Was ist ein Bestseller“ voran. Sie erläutert, dass Bestseller „Werte und Einstellungen transportieren, die entweder bereits hegemonial und weithin institutionalisiert oder immerhin schon so weit verbreitet sind, dass sie mittels eines kulturellen Mediums in den Mainstream vordringen können.“, und betont, dass Bestseller „gemacht“ werden: Sie sind „das Ergebnis eines Prozesses, der im 16. Jahrhundert einsetzte und den wir als die Kommerzialisierung des Buches bezeichnen können…. Mit Hilfe der Marktforschung versucht man, den Publikumsgeschmack zu ermitteln, vorherzusagen und zu beeinflussen. Die Plots … folgen ausgeklügelten und standardisierten Formeln, die gehütet werden, wie die Rezepte von Coca Cola.“

Nun wissen wir seit Malcolm Gladwells Der Tipping-Point. Wie kleine Dinge Großes bewirken können, dass Trends nicht von allein entstehen: Es müssen die richtigen Leute an den richtigen Stellen für etwas werben. Laut dem amerikanischen Soziologen Michael Schudson bedingen fünf Faktoren den Erfolg einer Idee: Verfügbarkeit, rhetorische Kraft, Resonanz, institutionelle Speicherung, Bestimmtheit. Gladwell und Schudson allein erklären jedoch nicht das Phänomen der Shades of Grey. Wie also konnte es dazu kommen? In Die neue Liebesordnung. Frauen, Männer und Shades of Grey verspricht Eva Illouz eine Antwort auf die Frage. Ihre Argumente lassen sich in zehn Thesen zusammenfassen:

These 1: „Resonanz“. In Bestsellern erzählte Geschichten müssen etwas mit den Themen zu tun haben, die eine Gesellschaft beschäftigen: Zwischen dem Roman und „seiner“ Gesellschaft entsteht eine „Resonanzbeziehung“. Die Erzählung bietet einen passenden neuen Rahmen, der dem Publikum hilft, ein bestimmtes Phänomen zu verstehen. Das Shades of Grey bietet Rezepte an, die die Leser befolgen können. Texte werden populär, wenn sie (symbolische) Lösungen für soziale Widersprüche vorschlagen.

These 2: Shades of Grey erzählt eine Geschichte, die viele der unlösbaren Fragen vor Augen führt, die sexuelle Beziehungen zwischen Männern und Frauen in unserer Gegenwart kennzeichnen. Das sadomasochistische Verhältnis der Figuren bietet dabei einen Ausweg aus dem Dilemma (und ein Verfahren zur Überwindung der Hilflosigkeit angesichts der Unlösbarkeit der Lage).

These 3: Shades of Grey passt bestens zur Selbsthilfekultur der modernen Gesellschaft. Für Illouz ist die Trilogie „ein sexueller Selbsthilfeleitfaden“. Selbsthilfe wird dabei als kultureller Marker verstanden.

These 4: Shades of Grey ist ein Frauenroman, „von einer Frau geschrieben, als Frauenroman beworben und in erster Linie von Frauen gelesen.“. Er formuliert„eine zeitgenössische Liebesutopie, die sich wie Phönix aus der Asche der Konventionen romantischer Leidenschaft erhebt.“ Denn anders als in Pauline Réages Geschichte der O (1954) endet das sexuelle Drama nicht mit dem Tod oder der „Vernichtung der Frau als begehrenswertes Subjekt.“

These 5: Shades of Grey ist kein feministisches Buch, hat aber „feministische Codes in seine Erzählstruktur und in die Figuren eingearbeitet“. Illouz konstatiert die „Sehnsucht nach dem Patriarchat“ als „Gegenreaktion auf den Feminismus“, weil sich Frauen „nach den emotionalen Bindungen sehnen, die die männliche Vorherrschaft begleiten. … Dass der Roman so viele Handlungen schildert, die von Greys Wunsch motiviert sind, Ana zu beschützen und zu besitzen, spricht dafür, dass ihnen große Bedeutung zukommt. In ihnen spiegelt sich nämlich die Zwiespältigkeit vieler Frauen gegenüber der Art und Weise, wie der Feminismus traditionelle Männlichkeit und Weiblichkeit und damit die Geschlechterverhältnisse verändert hat – ein ambivalentes Ergebnis, das damit zu tun hat, dass die feministische Revolution weitgehend unvollendet geblieben ist.“ Natürlich merkt Illouz an, dass diese männliche Beschützerrolle nicht vom „feudalen Herrschaftssystem [getrennt werden kann], in dem der Mann solchen Schutz gewährt.“, und sie betont, dass die „Sehnsucht nach der sexuellen Dominanz der Männer keine Sehnsucht nach ihrer gesellschaftlichen Dominanz als solcher“ ist. Ihre Schlussfolgerung lautet: „So gesehen ist die Phantasie, die den Kern der Geschichte bildet, ein Musterbeispiel für ein ‚falsches Bewusstsein’.“

These 6: Auch in anderer Hinsicht bietet Shades of Grey eine Antwort auf ein zeitgenössisches Dilemma, das Illouz wie folgt beschreibt: „Moderne Gesellschaften produzieren ein chronisches Defizit an Anerkennung. … Die Anerkennung [hat sich] zu einer zentralen Problematik für moderne Liebesbeziehungen entwickelt (neue soziologische Qualität).“

These 7: Die zentrale von BDSM geprägte Beziehung zwischen (den Protagonisten der Geschichte) Christian Grey und Ana Steele spiegelt letztlich auch die Verlagerung der Sexualität auf das Feld der Identitätspolitik wider: „Die SM-Beziehung entwickelt sich parallel zur Entfaltung von Anas Subjektivität als gleichwertiges begehrendes Subjekt. BDSM bietet mithin eine Reihe von symbolischen Strategien, um die Dilemmata des heterosexuellen Kampfes zu überwinden.“ Illouz behauptet, BDSM bereichere den Kampf um Anerkennung zwischen den Geschlechtern in modernen Liebesbeziehungen um „eine interessante Wendung“, da es dem Schmerz eine Form verleihe, ihn also ästhetisiere. Gleichzeitig biete BDSM einen Ausweg angesichts des „Begehrens“, das, so Roger Scruton „freiwillig gegeben“ werden müsse und nicht Gegenstand einer konsensuellen Übereinkunft sein könne. BDSM beruhe zwar auf einem Konsens, erfordere aber kein „freiwillig gegebenes“ Begehren. „BDSM ist hochgradig formalisiert und daher angstfrei. … BDSM ist eine brillante Lösung für die strukturelle Instabilität von Liebesbeziehungen, gerade weil es sich um ein immanentes, in einer hedonistischen Definition des Subjekts verankertes Ritual handelt, das Gewissheit über Rollen, Schmerz und die Kontrolle des Schmerzes sowie die Grenzen des Konsenses verspricht.“

These 8: Das Feld der Sexualität ist soziologisch gesprochen unbestimmt geworden. Shades of Grey aber oszilliert zwischen der Unbestimmtheit der zeitgenössischen Liebesbeziehung und der Bestimmtheit der Rollen und Positionen beim SM-Sex.

These 9: Shades of Grey ist kein Porno: „Pornofilme lösen das sexuelle Problem durch die Darbietung von Sex.“ (Linda Williams). Shades of Grey ist dagegen „eher ein Ratgeber … Die Sexszenen zielen nicht darauf ab, die visuelle Vorstellung anzustacheln, sondern Leser und Leserinnen über einfallsreiche und effektive Möglichkeiten zur Steigerung ihres sexuellen Vergnügens zu belehren. Dass diese Selbsthilfe-Erotik („Erotik zum Selbermachen“) hier nicht nur als kultureller Modus sondern ganz real als Marketing-Motor funktioniert belegen übrigens eindrücklich die deutlich gestiegenen Absatzzahlen von Sexspielzeugen in den USA nach Erscheinen des Romans.

These 10: Shades of Grey bedient die (gender-typische) handlungsleitende Qualität von Literatur, denn, so Illouz: „Frauen lesen sozial, d.h. sie lesen zusammen mit anderen und lassen sich durch die Lektüre zum Nachdenken über ihre engen – sexuellen oder emotionalen – Bindungen inspirieren, was zu dem Wunsch führt, diese zu verändern.“

Ein wenig blass bleibt, nach den auf 88 Seiten formulierten Überlegungen zu Shades of Grey die Schlussfolgerung, die Eva Illouz zieht: Die Romantrilogie sei „schlechte Literatur“, schreibt sie. Und doch kreuze sie „die Unterscheidung zwischen Fiktion und Wahrheit“, weil sie uns vor Augen führe, wie es heute um unser Sexual- und Liebesleben bestellt ist. Vielleicht ist der abschließende Verweis auf „unser Sexual- und Liebesleben“ die ureigene Marketingstrategie der Autorin, die zuletzt umfänglicher zu Liebe, Männern und Frauen publiziert hat. Es mag also ihre Einladung an die interessierte Leserin sein, in ihren anderen Texten weitere Einsichten suchen. Alternativ möchte ich die Fortsetzung der Debatte vorschlagen. Beispielsweise über die Frage, was denn „gute“ von „schlechter“ Literatur unterscheidet, oder ob das Lesen an sich, in Zeiten überbordender und omnipräsenter elektronischer Medien (und sagenhaft niveauloser Reality Shows), nicht schon ein Wert an sich ist, gleichgültig ob Schmonzette oder Fantasy. Schließlich haben wir alle mal mit Comic-Heftchen angefangen. Oder?

Veranstaltungshinweis: Über die Politik der Gefühle diskutieren am Sonntag, 29.9. um 12.00 Uhr Carolin Emcke und Eva Illouz im Streitraum der Schaubühne am Lehniner Platz.

Postscriptum / Zum Weiterwissen:

Die Geschichte eines Bestsellers

Der Erfolg für Shades of Grey kam nicht über Nacht: 2009 veröffentlicht Erika Leonard ihr modernes Märchen von der Studentin und dem Millionär unter dem Pseudonym Snowqueens Icedragon auf Fanfiction-Seiten zu Stephenie Meyers Vampirromanen. Als kritische Kommentare zum sexuellen Gehalt ihrer Texte überhand nehmen, publiziert sie sie auf ihrer eigenen Website weiter. 2010 gründet der australische Verlag The Writer’s Coffee Shop dann einen Verlag, der Shades of Grey unter dem Pseudonym E.L. James als E-Book und Print-on-demand-Taschenbuch herausbringt. Soziale Medien und virales Marketing machen den Roman zum Hit: Innerhalb weniger Monate findet Shades of Grey 250.000 Käufer_innen. Im März 2012 erwirbt Random House angeblich für 1 Mio. US$ die Rechte, wirft die globale Marketingmaschine an, und macht das Werk zum Bestseller. Die in über 50 Sprachen übersetzten Bücher wurden mittlerweile über 70 Millionen Mal verkauft. 2014 soll Teil 1 der Trilogie Geheimes Verlangen mit Dakota Johnson und Charlie Hunnam ins Kino kommen.

Zahlen und Fakten

Romance novels (Liebesromane) stehen ganz oben auf der Liste der erfolgreich vermarkteten Werke. 2011 wurde mit ihnen in den USA ein Umsatz von 1,358 Mrd. US$ (14% des Buchmarktes) erzielt, 474 Titel aus diesem Genre schafften es auf die Bestsellerlisten von New York Times, USA Today und Publishers Weekly.

Der globale Branchenführer in diesem Genre ist Harlequin (aus Toronto), der deutsche Ableger heißt Cora. Der Tochterverlag mit Sitz in Hamburg veröffentlicht etwa 800 neue Titel pro Jahr und verkauft davon ca. 15 Millionen Exemplare. 91% der romance-Leserschaft ist weiblich; 31% davon bezeichnen sich als „Intensivleserinnen“, d.h. sie lesen täglich.

 

 

15. September 2013 10:30:21

… leselustig: Salman Rushdie beim 13. internationalen literaturfestival berlin

Rezensiert man das jüngste Buch von Salman Rushdie als Literatur? Oder als Dokumentation von über Jahre geführten Tagebuchnotizen, Erinnerungen, Groll, Ängsten, Wut, Verzweiflung des Mannes, der die Satanischen Verse schrieb und dafür von einem längst verstorbenen Ayatollah mit einer Fatwa belegt wurde? Schwierige Frage. Denn ist es natürlich verständlich, dass ein junger Schriftsteller, dessen möglicherweise grandiose Karriere mit all dem Glamour, den eine solche mit sich bringt – Einladungen, Preise, Starrummel, Festivals, Geld – massiv ausgebremst wird, verbittert erinnert, wer in all den Jahren sein Feind, und wer sein Freund war. Und dabei hier und da Kritik und Unentschlossenheit – oder auch die Angst – anderer nicht souverän ignoriert, sondern offenbar akribisch notiert, um sie eines Tages in eine Autobiografie einfließen zu lassen, die aber nicht als „Salman Rushdies Memoiren“ erscheint, sondern mit dem fiktionalisierten Titel „Joseph Anton“. Joseph Anton war der Name, den Rushdie wählte, um für seine Personenschützer und andere ansprechbar zu sein in der Zeit, in der er ohne Bodyguards keinen Schritt machen konnte. Konsequenterweise erzählt er nun 720 Seiten lang die Geschichte des Joseph Anton.

Ich muss zugeben, dass mich die Lektüre enttäuschte und ich das Buch über weite Strecken eher langweilig fand. Spannend ist in der Tat die Geschichte seiner Familie, die schwierige Beziehung zum Vater und auch zur Mutter. Öde allerdings sind endloses Names-Dropping – wer wo bei welchem Empfang war, wer welchen Preis bekam oder hätte bekommen oder auch nicht bekommen sollen. Und geradezu unangenehm die zahllosen Einsichten in Rushdies diverse Ehen und die Abrechnung mit all seinen Ehefrauen. Man müsste schon begeisterte Leserin von Bild der Frau oder ähnlicher Blättchen sein, um sich daran ergötzen zu können.

Nach all den schönen Erzählungen und Romanen, die Rushdie in diesen vielen Jahren geschrieben hat – und ich habe fast alle seine Bücher mit großer Begeisterung gelesen, die Mitternachtskinder, Harun und das Meer der Geschichten, Der Boden unter ihren Füßen, Des Mauren letzter Seufzer, Wut, Shalimar der Narr … – erscheint Joseph Anton mehr Pamphlet denn Kunst zu sein. Wie gesagt: Es ist verständlich, dass jemand ein solches Buch schreibt, und doch ist es bedauerlich. Andererseits hat Rushdies schonungslose Offenheit in einer Zeit, in der wir permanent von Blendern umgeben sind, und in der viele erst checken, was man von ihnen hören will, bevor sie etwas sagen, auch etwas Faszinierendes. Überdies wird uns die Absurdität der Geschichte um die Satanischen Verse selbst noch einmal brutal in Erinnerung gerufen.

Insofern ist Rushdies „Autobiografie“ auch ein politisches Signal und ein Aufruf an alle – Leser wie Schreibende – sich nicht einschüchtern zu lassen. Manchmal muss man sich vielleicht im Kleiderschrank verstecken. Wichtig ist aber, dass man auch wieder herauskommt. Dass Salman Rushdie nie aufgehört hat zu schreiben ist ihm unbedingt hoch anzurechnen.

Salman Rushdie, „Joseph Anton – Die Autobiografie in der Übersetzung von Bernhard Robben ist 2012 im C. Bertelsmann Verlag erschienen (720 S., 24,99 Euro). Der Autor ist Gast des internationalen literaturfestivals berlin 2013. Ein Gespräch mit Rushdie und seinem deutschen Übersetzer Bernhard Robben gibt es heute am 15.9. um 11.00 Uhr im Haus der Berliner Festspiele.

 

 

8. September 2013 11:33:23

… leselustig: Helon Habila beim 13. internationalen literaturfestival berlin

Nach Waiting for an angel und Measuring time legt der in den USA und Nigeria lebende Helon Habila (Jg. 1967) eine weitere ebenso spannende wie bewegende Geschichte vor. Oil on Water (Öl auf Wasser, Verlag Das Wunderhorn, 2012) handelt von den verheerenden Folgen der Erdölförderung für die Natur, für den Menschen, für die Gesellschaft, und steht als internationaler Bestseller auch hier bereits auf Platz 2 beim Deutschen Krimipreis.

Zusammen mit seinem Idol, dem vom Alkohol zermürbten ehemaligen Starreporter Zak, ist der auf eine Karriere als Journalist hoffende Fotograf (und Ich-Erzähler des Romans) Rufus einer der wenigen Pressevertreter, der der Bitte eines für die Ölindustrie arbeitenden Briten, mit den Kidnappern seiner Frau zu verhandeln, nachkommt. Exklusive Berichterstattung aus den Lagern der Rebellen interessieren die beiden dabei zunächst (scheinbar) mehr, als das Schicksal der entführten Gattin. Doch Zak war immer schon ein Einzelgänger und mutiger Kämpfer, wie wir in den Rückblenden im Lauf des Romans lernen, und Rufus’ Story entwickelt sich völlig anders, als er erwartet: Erst geraten sie in einen Hinterhalt und in die Gefangenschaft des Militärs, dann in den „Schrein“, ein Camp einer religiösen Sekte, die mit der Guerrilla sympathisiert; Zak erkrankt am Dengue-Fieber, Boma, Rufus’ entstellte Schwester – auch sie ein Opfer des Krieges – folgt dem Bruder auf die Insel, und statt Karriere zu machen verliert dieser seinen Job, und verliebt sich in die Krankenschwester Gloria … Derweil fressen die Flammen der Bohrtürme die letzten Wald- und Weideflächen, und lassen Geisterdörfer zurück.

Helon Habila inszeniert seine gesellschaftliche Parabel als Abenteuerroman und Politthriller. Hier und da erinnern die fesselnden Bilder und Beschreibungen an Lohn der Angst, und das ist als Kompliment gemeint! Damit sollte es dem brillanten Erzähler gelingen, ein großes Publikum zu erreichen. Es wäre ihm zu wünschen. Und es wäre wichtig. Das Thema der skrupellosen Ausbeutung der Naturressourcen der Ärmsten ist – im wahrsten Sinn des Wortes – ein brennendes. Nicht nur in Nigeria.

Helon Habila liest am 12.9. um 19.30 im Haus der Berliner Festspiele.

Video: Helon Habila bei den Heidelberger Lesetagen 2012

 

 

7. September 2013 18:37:25

… abgedreht: FWTB 2013 – Tag 2

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Der zweite Abend des Newcomer-Festivals First We Take Berlin (FWTB) fing auf hohem Indie Pop Niveau im Fluxbau. Sebastian Lind aus Dänemark kommt total sympathisch mit überzeugenden Melodien über sauber strukturierten Songs. Einfach gute, aktuelle Pop Mukke.

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Mein persönlicher Topact des Abends fand im Postbahnhof statt. Kranke Kostüme, überbordende Körperlichkeit und konsequent für den Schrägen Dance Floor. Man könnte meinen es geht um P-Funk, aber tatsächlich ist. Es die nächste Stufe des ElektroSwings. Dirty Honkers pusten einem mit 2 Saxophonen und ner Menge Spielkonsolen den letzten Rest kritisches Auffassungsvermögen aus dem Hirn. Eine steile Blondine in Kunstlederbandage, ein Psychobilly in Silbershorts und ein schwabbeliger, kreativ körperbehaarter Mann können richtig geile Musik machen, wenn sie mit  JoySticks vor viel zu engen goldenen Höschen rumspielen. „Yeah move your body and take your cloths off!“ Let’s do a little workout!“

Dann kurz rüber ins Lido zu Braids, aber die warn nach den Dirty Honkers nicht wahrnehmbar. Also schnell wieder zurück zum Postbahnhof:

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Yalta Club mit deutlich Anleihen bei Afrobeats und Straßenmusik sorgen für ordentlich gute Laune und flüssige Bewegung bei Menschen, die auf handgemachte Musik stehen. Und englische Texte mit leicht französischem Akzent sind ja ausgewiesenermaßen unwiderstehlich (siehe Phoenix). Besonders nett: Zum letzten Song sollten sich das ganze Publikum auf den Boden setzen und die Musiker/innen kamen mit handverlesenen Instrumenten mitten in den Raum und spielten wirklich unpluggt. Ich hatte das Glück genau in der Mitte des Raumes zu hocken und so kam es, dass alle Musiker sich im Kreis um mich einfanden – so wurde der letzte Song mein ganz persönliches Ständchen 😉

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Danach fand ich alles andere langweilig und so soll der Rest unerwähnt bleiben.

 

Autor:

 

1. September 2013 12:18:16

… leselustig: Mathias Énard beim 13. internationalen literaturfestival berlin

Mut zum Experimentellen bewies Mathias Énard 2008 mit Zone. Für die sympathische Novelle Erzähl ihnen von Schlachten, Königen und Elefanten erhielt er 2010 den Prix Goncourt des lycéens. Sein Roman Remonter l’Orénoque aus dem Jahr 2005 wurde 2012 von Marion Laine mit Juliette Binouche und Edgar Ramirez unter dem Titel A coeur ouvert verfilmt.

Vielfalt ist also ein Kennzeichen des französischen Autors und aktuellen DAAD-Gastes, der 1972 in Niort/Frankreich geboren wurde und zurzeit in Berlin lebt. So wundert es nicht, dass sein jüngstes Buch eine sehr politische Geschichte um Flucht, Migration und Marginalisierung ist. Sie spielt in Tanger und Barcelona und erzählt von Träumen und Hoffnungen, die sich nie erfüllen werden. Dennoch ist Straße der Diebe kein deprimierendes Buch. Enard scheint existenzialistisch inspiriert: Seine Helden leben dennoch, trotz aller Schicksalsschläge, trotz absurder Verwicklungen, aus denen es kein Entrinnen zu geben scheint.

Sein Protagonist, Lakhdar, der wegen einer jugendlichen Affäre mit seiner Cousine Meryem von seiner Familie verstoßen wird, schließt sich, gemeinsam mit dem naiv-gemütlichen Nachbarssohn Bassam, Sheikh Nourredines „Gruppe für die Verbreitung koranischen Denkens“ an. Doch weitaus weniger radikal als der Jugendfreund, und entsetzt von der fundamentalistischen Gewalt, für die die islamistische Szene steht, wendet er sich bald wieder seinem eigentlichen Ziel zu: Krimis und Europa. Als er die spanische Studentin Judit aus Barcelona kennenlernt, scheint sein Traum wahr werden zu können. Doch illegal in Europa ist keine wirklich Perspektive. So verdingt sich Lakhdar zunächst bei einem französischen Raubkopierer, der seine Leidenschaft für das Genre Noir teilt; dann heuert er auf einer Fähre an, die täglich die Strecke Tanger-Tarifa fährt. Als die Reederei Konkurs anmeldet, und das Schiff den Hafen von Algeciras nicht mehr verlassen darf, wagt Lakhdar endlich den Schritt auf den nahen und doch so fernen Kontinent. Und landet schließlich – ohne Papiere und verfolgt von der Polizei – in Barcelona, in der „Straße der Diebe“. Ob Judit, die mittlerweile zur militanten Aktivistin der Indignados wurde, ihn noch liebt, ist ungewiss. Als Bassam und Sheikh Nourredine aus dem fern gewordenen Orient ebenfalls in Spanien eintreffen, scheint der Showdown fast unausweichlich …

Mathias Énard ist ein wunderbarer Erzähler. Seine Worte und Beschreibungen lassen Menschen, nicht Klischees, vor den Augen der Leserin entstehen. Und darum geht es auch. Straße der Diebe ist ein Appell, wenn es sein muss auch gegen Windmühlenflügel zu kämpfen, und sich dabei nicht zu verlieren. Während Bassam zur Marionette der Islamisten wird, geht Lakhdar einen anderen, besonnenen, ehrlicheren Weg: „Ich bin kein Mörder, ich bin mehr als das. Ich bin kein Marokkaner, kein Franzose, kein Spanier, ich bin mehr als das. Ich bin kein Muslim, ich bin mehr als das. Machen Sie mit mir, was Sie wollen.“

Énard hat eine kluge Parabel über die Kraft der Nachdenklichkeit und den aufrechten Gang geschrieben. Mehr davon , bitte schön.

Mathias Énard liest am 11.9. um 21.00 Uhr beim ilb 2013.

 

 

26. August 2013 00:36:19

… leselustig: Raquel Palacio beim 13. internationalen literaturfestival berlin

Der zehnjährige August „Auggie“ Pullman ist ein smarter Junge, mutig, humorvoll, umgänglich. Eigentlich gäbe es keinen Grund dafür, dass er nur schwer Freunde findet oder dafür, dass er überhaupt erst mit zehn eingeschult wird. Und doch unterrichtete seine Mutter Isabel ihn zuhause so lange es irgend ging. Denn August ist mit einem genetischen Defekt geboren, und hat, trotz mittlerweile 27 Operationen, ein Gesicht, das so hässlich ist, dass andere Kinder vor ihm Angst haben oder ihn schlicht verspotten. So wundern sich weder seine Eltern, noch seine große Schwester Olivia („Via“) oder Mr. Tushman, der Schulleiter, dass er nur zögerlich einwilligt, doch letztlich zur Schule zu gehen. Und seine ersten Erfahrungen dort scheinen ihm Recht zu geben: Nur ein Mädchen, Summer, setzt sich beim Mittagsessen in der Schulkantine zu ihm, und nur Jack Will scheint sein Freund werden zu wollen. Die anderen, allen voran der arrogante Julian, meiden oder quälen ihn. In einem perversen Spiel, das sie „Pest“ nennen, bemühen sich seine Mitschüler, jede Berührung mit August zu vermeiden. Wem das nicht gelingt, muss sich schleunigst die Hände waschen. Da kann auch die zärtliche Nähe zu Daisy, der alten Hündin der Familie, kaum Trost spenden.

Behutsam, bewegend und trotz des traurigen Sujets mit Witz und pfiffiger Ironie erzählt Raquel Palacio in Wunder eine Geschichte mit einem glücklichen Ende. Dabei wechseln sich ihre Ich-Erzähler ab: August selbst erzählt, dann aber auch Via, Summer, Jack, Justin, Vias Freund, und Miranda, ihre Freundin. Und so entsteht ein perspektivenreiches Panorama, das dieses Kinder-/Jugendbuch, trotz des didaktischen Ansatzes, zu einem echten „page turner“ macht. Wunder ist die Geschichte eines Außenseiters, der mit Mut und Intelligenz seinen Platz im Leben sucht und behauptet. Gegen alle Widrigkeiten. Die Autorin, im wahren Leben Grafikerin und Leiterin der Kinderbuchabteilung bei Workman Publishing in New York (Raquel Jaramillo ist ihr richtiger Name) ist davon überzeugt, dass man viel mehr schaffen kann, als man glaubt, wenn man nicht aufgibt. Ein optimistisches Buch, das sehr viel Hoffnung macht. Und ein großer – leidenschaftlicher – Lesegenuss dazu.

Raquel Palacio liest beim 13. internationalen literaturfestival berlin. Am Montag, 26.8. um 19.30 in der Georg-Büchner-Buchhandlung am Kollwitzplatz, und am Dienstag, 27.8. um 9.30 im Haus der Berliner Festspiele.

Raquel Palacio, Wonder

 

 

6. Juli 2011 17:57:07

… wieder mal in Charlottenburg: Georg Schramm

georgschramm

Wie vermisse ich ihn!

Vor einem Jahr entfernte er sich aus dem Medium Fernsehen und ließ uns zurück: Georg Schramm – für mich Deutschlands bester politischer Kabarettist. Er hatte den „Scheibenwischer“ (ARD) verlassen und dann später auch „Neues aus der Anstalt“ (ZDF) für sich beendet. In letztgenannter Sendung gab Schramm – sein kabarettistisches Tun ist von einmaliger Schärfe und seltener Qualität – den bösen Rentner Dombrowski und den Oberstleutnant Sanftleben. Dombrowski, die Figur mit dem Gesicht und Image eines ewig unzufriedenen, weil erfolglosen, Versicherungsvertreters und Sanftleben, mal ehrlich, nachdenklicher, dann ganz forscher Militär, der – im Gegensatz zu seinem zwischenzeitlichen, abgedankten, großen Chef – zu seinem Wort stand. Dieser Oberstleutnant, der in „bester“ preußischer Tradition, aber modern gewandelt, das Wort Kollateralschaden mit bellendem Lachen bedenkenlos an jedem Sonntagnachmittagskaffeetisch fallenlassen würde, der das (auch deutsche) Drama in Afghanistan lange vorher sah und mit schnoddriger Verachtung sezierte, ging uns verloren. Beide Figuren und ergo Schramm selbst haben dem deutschen Zuschauer, also uns, insbesondere aber einer besonders fehlentwickelten Spezies, dem Politiker, respektive seiner, ihn tragenden, Parteien, ihre Wahrheiten um die Ohren gehauen. Das Gift, dass seine Figuren versprühen – in Wahrheit ist es ein Antibiotikum – soll in seiner Zielgruppe nur die Blutbahn und den Kopf von all den Keimen der Dummheit, Verlogenheit und Gier reinigen, gegen die das EHEC-Bakterium vergleichsweise nur ein vorübergehender, zumeist friedlicher, Besucher ist.

Georg Schramm, 1949 geborener Arbeitersohn, Offiziersschüler, zwölf Jahre Psychologe in einer Reha-Klinik, ist – berufsmäßig – ein Sucher nach Leuten und Ansichten, die seine Wut, seinen Abscheu, aber nicht Ignoranz verdienen. Ab heute tritt der Kabarettist wieder für einige Tage in den „Wühlmäusen“ auf. Sein Programm heißt „Meister Yodas Ende“. Natürlich ist alles ausverkauft. Wer noch eine einzelne Karte ergattert, kann sich glücklich schätzen.

 

Autor:

 

11. Mai 2011 20:01:11

… Vater mit Sohn: Don Burghart

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Junger Mann (Karl) liebt junge Frau (Elisabeth) und so schön auch umgekehrt. Aber es ist Karls Vater (Philipp), seinen Sohn verachtend und ihm nichts zutrauend, der sich Elisabeth zur Ehefrau nimmt. Diese erwartet alsbald ein Kind – nicht von Philipp, der keine Chancen bei der jungen Frau hat und sich deshalb eine Geliebte zuführen lässt. Die wiederum hat – richtig – ein Auge auf den schmucken Karl geworfen, der aber nur seiner Elisabeth gehört. Der junge Mann, mutig, entwicklungsfähig, freiheitsliebend und politisch netzwerkend, wie auch sein Freund (Posa), sehnen sich aber auch nach mehr Gerechtigkeit und einem besseren Land. Das bleibt dem mächtigen Vater, der seine Schnüffler überall hat, nicht lange verborgen. Als Philipp dann noch erfährt bzw. ahnt, dass er nicht der Vater von Elisabeths Kind sein kann, schlägt der Despot zu. Karl entgeht der Verhaftung und sofortigen Erschießung nur, weil sich Freund Posa für ihn opfert. Philipp schwankt noch, wie er mit Karl verfahren soll, wird aber dann durch seinen Charakter und Kräfte, die noch mächtiger erscheinen als er, zum Mörder seines Sohnes.

James Ellroy? Henning Mankell? Jussi Adler-Olsen?

Nein, der Autor heißt Friedrich Schiller – hier und heute mit „Don Carlos“ (nicht Don Karlos) seit vielen Monaten im Spielplan des Staatsschauspiels Dresden vertreten. Das Lob über diese gelungene und moderne Aufführung, die ich mir im September 2010 dort ansah, reichte durch den deutschen Blätterwald. Ich erwähne deshalb nur, was mir besonders gefiel: König Philipp von Spanien – gespielt von Burghart Klaußner! Er zeigt das Machtgebaren, Misstrauen, die Angst und Zerrissenheit eines (in diesem Fall emporgehobenen) Menschen auf großartige Weise. Die Inszenierung wurde – wie erfreulich – zum Berliner Theatertreffen 2011 eingeladen und ist am 12. und 13. Mai im Haus der Berliner Festspiele zu sehen.

 

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