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Archiv der Kategorie ‘Mitte-Tiergarten-Wedding‘

4. November 2011 20:23:18

… und transparent: Der kleine Luther

Immer wieder wird über mangelnde Transparenz geklagt: In der Politik, in der Wirtschaft, ja selbst im Sport und in der Kultur. Ex-Parteivorsitzender K. ließ darüber im unklaren, woher das Spendengeld kam. Minister G. wollte nicht erkennen, wen er in seiner Doktorarbeit verarbeitet hat. Manager H.v.P. war zwar immer für Transparenz, aber in seinem Konzern wurde bestochen, dass die Heide wackelte. Baufirma D. klagt gegen eine undurchsichtige Auftragsvergabe. Kollegin K. kann nicht begreifen, warum er nun Abteilungsleiter geworden ist und nicht sie. Dichter Z. verliert seine letzten Haare, weil die Jury wiederum nicht ihm den lange ersehnten und verdienten Preis zuerkannt hat. Chefredakteur H., siegesgewiss, wird nicht Indendant, sondern die Frau W., dazu noch Ostdeutsche! Bewährter, harter Polizeiführer muss vorerst weiter von seinem neuen Posten träumen. Ergo: Wie viele liegen vor einem Pöstchen auf der Lauer; dann kommt plötzlich ein Dritter aus dem Gebüsch und ist Sieger. Wo liegt die Ursache für all den Gram? Nun: Keiner kennt die Spielregeln richtig, insbesondere aber nicht ihre Auslegung. Das muss nicht sein.

Ganz anders dagegen mein Hausmitbewohner R. Er nimmt das große Eingangstor unseres Mietshauses, in dem eine Menge Leute wohnen, sozusagen als Kirchentür von Wittenberg und schlägt dort, nein Thesen sind’s nicht, sein Vergabepersonaltableau an. Der Herr R. hat wirklich was zu vergeben, nämlich die Leitung von Weihnachtsmärkten in brandenburgischen Städten. Dazu lädt er die Bewerber – einer von ihnen wird dann der Glückliche – zu Personalgesprächen ein. Also 14.00 – Herr B., 14.30 – Frau C., das geht bis abends durch. All das ist fein säuberlich mit Klarnamen auf eine DIN-A4-Seite geschrieben und auf das Eingangstor zur Straße hin geklebt. Seien wir ehrlich: So transparent haben wir uns die Demokratie und die Marktwirtschaft immer erträumt.

Ich gehe nun davon aus, dass R. das Ergebnis seiner umfangreichen Gespräche morgen früh am Tor aushängen wird. Ob die unterlegenen Kandidaten mit einem (öffentlichen) Frühschoppen abgefunden werden, ist noch nicht bekannt.

* Auf evtl. Nachfragen gebe ich vorab bekannt: Selbstverständlich existiert von diesem Aufruf ein Foto. Dieses kann aber leider aus Geheimhaltungsgründen nicht veröffentlicht werden.

 

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23. Oktober 2011 13:34:34

… Man in Black: Der Geselle

Der Mann hatte Ähnlichkeit mit Matt Damon und er trug komplett Schwarz. Nach der Farbe hätte es auch Johnny Cash sein können, aber die Gitarre fehlte. Die goldglänzenden Knöpfe seiner Kluft trugen das alte Innungswappen. Auch der Spruch „EINER FÜR ALLE-ALLE FÜR EINEN“ (bisher dachte ich dabei immer an die Musketiere) ist nicht mehr aktuell. Nun prüfte er die Heizungsanlage, von der er bis zu diesem Tag nicht wusste, dass es sie überhaupt gab. Er war der Geselle – aber wann trifft man in Berlin schon noch auf einen; das ist so selten wie eine Erdölquelle in Brandenburg – aber sein Chef, der Schornsteinfegermeister, wusste auch nichts von dieser Heizung.

Im Jahr 1935 wurde die deutsche Gewerbeordnung, § 39, geändert und erhielt eine neue Fassung, wonach im Deutschen Reich Kehrbezirke für Schornsteinfeger einzurichten seien. Fortan sollten Kehrarbeiten nur von Bezirksschornsteinfegermeistern oder deren Gesellen ausgeführt werden. Nach 1945 gab es in der BRD und DDR neue Gesetze über das Schornsteinfegerwesen, das Monopol blieb. Einige Leute, speziell Hausbesitzer, waren, bis in die heutige Zeit, sauer auf die Männer in Schwarz, die regelmäßig kamen, prüften, kassierten. Manche meinten, so oft müsse man doch nicht fegen und andere, dass wäre wie eine Lizenz zum Gelddrucken.

Mit dem Jahr 1990 wurden auch die Karten in der Schornsteinfegerbranche neu gemischt. Man begann im Ostteil Berlins Häuser zu sanieren, alte Kohle-Kachelöfen abzureißen und neue Heizungen – auch Etagenheizungen in Miethäusern – auf Basis Öl oder Gas zu installieren. Dafür gab es anfangs sogar Investitionszuschüsse des Landes Berlin. Die Schornsteinfeger mussten diese neuen Feuerstätten prüfen und abnehmen. Es gab aber auch Wechsel der Hauseigentümer und der Kehrprofis und bei letzteren verschwand der eine oder andere Kunde – Karteikarten und PC waren nicht immer kompatibel – aus den Listen, wie der Rauch aus dem Schornstein. Dann wurde 2008 das Schornsteinfegerrecht geändert, das Kehrmonopol wackelte – der Tag X für die Men in Black. Ab 1.1.2013 gilt nun Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit.

Matt Damon war freundlich und hat seine Arbeit ordentlich gemacht – die Heizungsanlage funktioniert einwandfrei – und er hat das mit einem Protokoll bestätigt. Nebenbei ging’s noch um die ausländischen Schornsteinfeger, die jetzt in Berlin eingekehrt sind. Die Rechnung für die Prüfung kommt per Post, aber vielleicht ist sie ja nicht so hoch, wie angekündigt. Denn: Wer einen Schornsteinfeger sieht – und sei es ein Geselle – der hat bekanntlich Glück!

 

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19. Oktober 2011 18:42:43

… im Vorübergehen: Das Elend der Welt

Ja, die Menschen bleiben stehen; manche schauen mit erstarrten Gesichtern auf die Fotos, andere kauen weiter an ihrem Döner. Hier legt der Mann seiner Frau die Hand auf die Schulter, dort kichern Mädchen über irgendein fotografisches Detail. WORLD PRESS PHOTO 11 zeigt im Bahnhof Friedrichstraße ausgewählte und mit Preisen ausgezeichnete Fotografien über uns und unser Elend.

Die Foto-Auswahl würde ich so kategorisieren – Tierwelt, Mensch und Natur, Sport, Mensch und Politik. Was auch immer für diese Wanderausstellung ausgewählt wurde, ergibt es doch ein überwiegend trauriges, zweifelndes und pessimistisches Bild. Selbst bei den Sportfotos, wie den Aufnahmen von Chris Keulen über das, in unwirtlicher Gegend stattfindende, Eritrea-Radrennen, sieht man zwar die große Begeisterung der Einheimischen und das Nebeneinander von Tradition und Moderne, aber man ahnt auch, wohin alles einmal führen wird.

Die Ohnmacht des Menschen gegenüber der Natur und dem Wüten der Elemente nimmt in dieser Ausstellung breiten Raum ein. Da sind z. B. die Arbeiten von Kemal Jufri über den Vulkan-Ausbruch auf Java, die jene von der Katastrophe getöteten Menschen als ascheüberzogene, plötzlich erstarrte Figuren zeigen, die wie Plastiken eins werden mit dem Gestein um sie herum. Man mag es nicht aussprechen, aber hier gebärt sogar der Tod Schönheit. Ein weiteres Beispiel sind die apokalypsehaften Fotos von Olivier Laban-Mattei und Daniel Morel über das Erdbeben in Haiti, dass uns Mitteleuropäern keinen Vergleich mit dem erlaubt, was wir hier an Naturkatastrophen schon erlebt haben.

Besonders trostlos sind die Aufnahmen, in denen es um das Wirken des Menschen gegenüber seinesgleichen geht. Beim Betrachten der Fotos von Fernando Brito, der in Mexiko die Opfer von Bandenkriegen zwischen den Drogenkartellen festhielt – Tote liegen wie vergessene Feldsteine in der Landschaft – kommen einem die einfachen Worte Menschenrecht und -würde in den Sinn.

Abschließend sei auf zwei, bemerkenswerte und dennoch unterschiedliche, Aufnahmen verwiesen. Einmal das Foto von Vincent Yu, dass den nordkoreanischen Staatschef mit seinem jüngsten Sohn in der Öffentlichkeit zeigt. Hier ist, abseits alles Politischen, ein Foto gelungen, dass den Vater mit Verschlossenheit, Misstrauen und sogar Trauer auf seinen hochmütigen Sohn blicken lässt. Und schließlich nenne ich noch das bekannte, geradezu hypnotisierende Foto von Gustavo Cuevas, der den Moment des Kampfes festhält, als der Stier dem Matador das Gehörn durch den Kopf schlägt.

Die Ausstellung ist noch bis 24.10.11 im Bahnhof-Friedrichstraße zu sehen.

 

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16. Oktober 2011 21:08:58

… weiße Welt: Im Wartezimmer

Sie hantieren an und in Körperteilen, sowie mit Substanzen, über die Mann (und Frau) nicht mehr wissen wollen als unbedingt nötig, es sei denn, sie wären eine Romanfigur von Charlotte Roche. Aber es passiert eben manchmal, so wie der penetrant riechende Kollege, der über den Durst trinkende und dann ausfallend werdende Nachbar, die Läuse in der Kita oder der unbotmäßige, am falschen Ort entweichende, Furz.

Im Wartezimmer eines jener Ärzte saßen an diesem Tag einige ältere Frauen und Männer. Auch ein etwa Vierzigjähriger hoffte – sein abwehrendes Gesicht schien zu sagen: Ich gehöre hier definitiv (noch) nicht her – darauf, möglichst schnell aufgerufen zu werden. Ältere Ehepaare kommen häufig zusammen, wobei die Frau ihren Mann oft nur begleitet um ihn seelisch zu unterstützen, denn sie ist fast immer der tapferere Teil eines alten Ehegespanns. Es geschieht daher – wie auch hier – dass der Mann ihr die Hand hält, damit der Mut zu ihm hinüberströme. Aber nicht nur das; die Frauen sind auch praktischer. Während er sich im Geiste vielleicht schon ausmalte, wie ihm der Arzt bug- und heckseitig auf den Grund geht, unterbreitete sie, noch im Wartezimmer, vielfältige Ideen und Vorschläge für den folgenden Einkauf und das anschließende Mittagessen. Anwesende hörten so ungewollt mit und konnten die eine oder andere Idee für den eigenen Speiseplan übernehmen.

Die meisten Männer kommen jedoch allein hierher, weil sie diesen Moment und Ort aus vielerlei Gründen mit niemandem teilen wollen. Betreten sie den Warteraum, wird ein Platz eingenommen, die Zeitung hervorgeholt und in stummer Würde des Aufrufs geharrt. Es gibt Männer, die nach der Untersuchung, sofern problemlos, ihre Streitlust wiedergewonnen haben und dann gegenüber der Schwester – die stets darauf hinweist, dass sie nichts dafür kann – auf die Bürokratie und die langen Wartezeiten im Gesundheitswesen schimpfen. Andere hingegen tauen erst in diesem Moment auf und zeigen ein entspanntes, lächelndes Gesicht. Zu welcher Liebenswürdigkeit sie fähig sind, wird sichtbar, wenn sie der Schwester Komplimente machen und mit einem Scherz, der nicht immer verstanden wird, die Arztpraxis verlassen. Das Lob haben sich die jungen Damen hier auch deshalb verdient, weil sie einerseits mit robuster Freundlichkeit agieren, andererseits notwendige, technische Anweisungen mit nonchalanter Diskretion geben, was den Herrn, sofern er nicht schwerhörig ist, erfreut.

Dass es auch schneller und weniger diplomatisch geht, hörte ich gestern beim Überholen einer Mittdreißigerin. Sie kam mit der, lautstark in ein Mobiltelefon gerufenen Frage „Wie jeht et nu dir und deiner Kackerei“ sehr direkt auf den Punkt. Was ist die rot-schwarze Regierungsbildung in Berlin und die Krise des Euro schon gegen eine solch elementare Frage?

 

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6. Oktober 2011 21:29:42

… Augenblicke: Friedrichstraße 6.10.11

Nochmal begleitet uns ein freundlicher Oktobernachmittag. Vor dem „Hilton“ kommt mir ein Mann in abgerissener Kleidung mit allerlei Gepäck entgegen. Er spricht mich nach Geld an und ich gebe ihm, gleichzeitig danach fragend, wo er herkomme. „Aus Paris“, antwortet er mit zitternder Stimme, „um hier Deutsch zu lernen“. Als ich wissen will, wie es mit unserer Sprache klappt, schaut er verständnislos.

Gegen 16:30 seh ich eine Demonstration in der Friedrichstraße, die sich nordwärts bewegt. Es geht gegen Nazis, Immobilienhaie, Mietwucher, vor allem aber gegen die Diskriminierung von Minderheiten, insbesondere der Roma in benachbarten Staaten. Der lautstarke, ca. 300 Menschen umfassende, Zug zieht an den Filialen großer deutscher Banken vorbei, die, so konnte man vor einiger Zeit lesen, Geschäfte mit Streubombenproduzenten machen. Andere verhökern der Oma ihr klein Häuschen, verbraten Steuergelder und manche verdienen auch noch am Tod. Passt alles nicht zur Corporate Identity, die in den Hochglanzprospekten dieser Institute immer wieder beschworen wird!

Die Polizei sperrt für den überschaubaren Marschblock die Straßen ab, herrscht ab und zu ein paar Passanten an, welche die Kreuzung Unter den Linden – es hat begonnen zu nieseln – schnell überqueren wollen und macht mit ihrem flackernden Blaulicht die flanierenden Touristen neugierig. Nervös werden einige dann durch die Lautsprecher der Demonstranten und die leidenschaftlichen, mit oft gehörten Begriffen gespickten, Aufrufe der Sprecher. Der Zug biegt schließlich in die Dorotheenstraße ein.

Hinter der Weidendammer Brücke hat linkerhand ein Feinkostgeschäft seinen Geist aufgegeben – der Laden ist ausgeräumt. Der nördliche Teil der Friedrichstraße hat eben nicht die Kaufkraft des Kudamms oder der Schlossstraße in Steglitz. Dennoch hat sich ein Bio-Geschäft – adrett, bunt, hell – hier neu etabliert. Wenige Käufer halten sich zwischen den Regalen auf – die Hälfte schwangere Frauen, die andere Hälfte 60-Jährige aus der „For ever young“-Fraktion. Alles läuft freundlich, gelassen und niemand kauft hier ein, um gesehen zu werden oder eine Botschaft zu vermitteln. Man ist dankbar.

Einige Meter weiter staune ich über die Auslage in einem Büchergeschäft. Drucke des großen französischen Grafikers und Karikaturisten Honore Daumier – branchengetrennt – werden in Kalenderform angeboten. Einer zeigt – für die Mediziner – einen Arzt, der mit Riesenspritze zustechen will, koste es (für den Patienten), was es wolle. Hat sich in diesem Punkt in fast zwei Jahrhunderten viel geändert?

 

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4. Oktober 2011 22:39:48

… Es war einmal: „Le Havre“

Es passte zeitlich und so bin ich zur Nachmittagsvorstellung gegangen. Dann, wenn auch Kinder ins Kino kommen. Aber es erschienen nur noch zwei ältere Ehepaare. Vielleicht lieben auch sie Märchen, so wie sie uns Aki Kaurismäki vorführt.

Es waren einmal ein Mann und eine Frau. Beide lebten bescheiden, in Eintracht und zufrieden. Sie wohnten in dieser französischen Hafenstadt, deren Name so luftig klingt wie eine leichte Brise auf See und dennoch sah man beide nie lachen. Eines Tages begab es sich, dass im Hafen der Stadt ein großes Behältnis auftauchte, in dem Menschen aus Afrika bis nach Frankreich gekommen waren. Einer von ihnen, ein 15-jähriger Junge floh, wurde dann von dem guten Mann und seiner Frau versorgt und schließlich sogar für viel Geld, welches sich der Mann mit Unterstützung anderer, die auch ein gutes Herz hatten, besorgte, zu seiner Mutter nach England verschifft.

Die Handlung des Films ist in seiner Realitätsfremdheit kaum noch nachvollziehbar. Das beginnt damit, dass der Hauptdarsteller weder ein Schuhputzer ist, noch sich so benimmt. Die Handlung wird fortgeführt durch irreale Aufnahmen von der Öffnung des seit zwei Wochen unterwegs befindlichen Containers, die Flucht des Jungen vor den Augen der Polizei, dem Verhalten des Kriminalkommissars – man könnte das fortsetzen. Bauten, Ausstattung und Interieurs des Films – man schaue sich allein die Wohnungseinrichtung und die mit Ölfarbe angepinselten Krankenhauswände an – erwecken den Eindruck, als spiele die Handlung vor 30-40 Jahren, dabei wird laufend mit Euro-Scheinen hantiert.

Aber: Aki Kaurismäki ist der Filmemacher langdauernder Momente und er hält an Dingen fest, die altmodisch wirken und langsam aussterben. Seine Aufnahmen der Menschen und Dinge sind Stillleben, die in einigen Situationen an holländische Malerei des 17. Jahrhunderts erinnern, so bei Wiedergabe der Gläser in der Kneipe, des Hundes und der Zimmereinrichtung. Die Musik des Films wechselt von melancholischer Musette bis zu handgemachtem Rock’n Roll. Der grauhaarige Little Bob mit der roten Lederjacke singt im Refrain das exemplarische „Long time ago …“. Besonders viel Zeit widmet der Kameramann den Gesichtern beider Helden des Films, gespielt von Andre Wilms und Kati Outinen. Diese werden oft in Nahaufnahmen gezeigt, aber sie sind meist unbewegt, ruhen in sich. Nur selten sind stärkere Regungen erkennbar, so als die Frau in stummer Verzweiflung ins Krankenhaus muss. Kaurismäki führt uns das einfache Leben, Nächstenliebe und Solidarität unter Menschen vor. In diesem Film gibt es zusätzlich auch ein paar ironische Untertöne (z.B.: Der Filmname des Haupthelden ist Marx, der sich im Restaurant gerade mal ein Omelette, aber nur aus einem Ei leisten kann). Für all das schätze ich diesen großen Filmemacher.

 

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14. September 2011 20:21:07

… nicht Wien: Buchvorstellung im Österreichischen Kulturforum mit Eva Menasse und Thomas Kapielski

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Nach der Lesung im Gespräch von links nach rechts: Der Verleger Joachim Otte, die Autorin und „Patin“ des Buches Eva Menasse und der Berliner Autor Thomas Kapielski

Das war schon recht amusant, wie gestern Abend im Österreichischen Kulturforum bei der Buchvorstellung „Wien, küss die Hand, Moderne.“ zwischen Wien und Berlin kleine zänkische Nettigkeiten ausgetauscht wurden. Schon der österreichische Kulturattaché Wilhelm Pfeistliger brillierte mit einer wortverliebten Eingangsrede über den lebendigen Tod und im unsterblichen Wien (schade, dass sie niergend veröffentlicht wird) und die folgenden Lesungen der beiden Autoren Eva Menasse und Thomas Kapielski brachten zwei ganz unterschiedliche Annäherungen ans Thema „Wien“ auf die Bühne. Einmal aus der Sicht einer, die Wien wohlüberlegt verlassen hat und halb wehmütig und halb erleichtert zurück blickt, und einmal von einem, der als Kaffeetester extra hingeschickt wurde und den nach einiger Zeit der heiße Mokkafuror trieb.

Der Kapielski-Text über einen 3-tägigen Dauertest in unzähligen Wiener Kaffeehäusern kann man auch beim Österreichischen Standard nachlesen. Dort im Schriftbild leider schwer zu lesen, im Vortrag des Autors war’s aber höchst amüsant.

Das Buch ist im Corso Verlag erschienen.

 

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31. August 2011 21:12:14

… Steckbrief: Lautlos wie 007

Es hat seinen Siegeszug gerade begonnen. Man trifft es – selbst in Berlin – noch selten, zahlenmäßig nicht vergleichbar mit seiner lärmenden Verwandtschaft, aber es entwickelt sich. – Lautlos und elegant wie ein Indianer bewegte sich gestern das Elektromoped in der Nebenstraße an mir vorüber – bestückt mit einem etwas hochnäsigen Fahrer, der mir seine Antworten im Abfahren zuwarf. – ELMOTO hieß das Ding, kostet um die 4.600 € und fährt mit einer Akkuladung ca. 60-70 km weit. Die Reichweite ist noch nicht befriedigend, der Preis zu hoch, aber es hat begonnen. Irgendwann wird man bessere Akkus mit einer höheren Speicherkapazität bauen, die Reichweite und die Anzahl der Ladestationen werden zunehmen. Damit wird es für einen größeren Kreis von potentiellen Käufern interessanter und aufgrund höherer Produktionszahlen werden auch die Kosten und Preise sinken. Die kleinen E-Mopeds oder E-Fahrräder, aber auch die E-Autos werden unsere Ohren sowie die Umwelt schonen und vielleicht sogar unsere Abhängigkeit vom Import-Öl etwas verringern. In Berlin – auch in Deutschland insgesamt gibt es Veränderungen – krempelt sich die Verkehrsstruktur sowieso um, der Beginn ist bereits eingeklingelt. Mehr und mehr Fahrradfahrer sind im Straßenbild zu sehen. Die Erweiterung bestehender oder der Bau neuer Radwege hinkt hier dem Bedarf und den Prioritäten jedoch hinterher. Kleines Beispiel: Während man endlos über den Umbau der Kastanienallee diskutiert, ist der Radweg in der vielbefahrenen Schönhauser Allee bereits völlig überlastet und dringend erneuerungsbedürftig. Der öffentliche Personennahverkehr wird, wenn auch mit Kostendruck, bleiben und die privaten, kleinen, wendigen, parkplatzsparenden Verkehrsmittel werden für die Großstadt weiter an Bedeutung gewinnen. Und eines Tages werden diese lautlosen, elektrischen Mobile nicht mehr nur von Technik-Freaks, Angebern oder von denen, die es sich finanziell einfach leisten können, gefahren: Das Jahrzehnt der elektrisch angetriebenen Mobile ist gerade angebrochen und wir werden dabei sein! Auf die Stille in den Straßen müssen wir allerdings noch ein Weilchen warten.

 

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25. August 2011 13:47:26

… Augenblicke: Junge Frauen und Botticelli

Heute früh stand vor dem großen Schaufenster des Zeitungskiosk auf dem Bahnhof Friedrichstraße eine Frau, die das dort ausliegende Buch „Die Entdeckung der Frauen in der Renaissance“ von Thomas Blisniewski fotografierte. Auf meine Frage, warum sie das tue, antwortete sie, dass der Autor gerade im Ausland sei und sie ihm das Foto mailen wolle.

Das „Profilbildnis einer jungen Frau“ von Sandro Botticelli (1445-1510) gemalt, welches jenes Buchcover schmückt, ist in der Ausstellung im Bodemuseum zu sehen, die heute unter dem Titel „Gesichter der Renaissance“ (bis 20.11.11) beginnt. Botticelli, der Maler, der u.a. die geheimnisvolle Bilderreihe „Geschichte des Nastagio degli Onesti“ – die im Madrider Prado hängt – und das berühmte „Die Geburt der Venus“ geschaffen hat, zeigt uns mit der schönen Frau aus dem Profilbildnis ein selbstbewusstes, kluges und erstaunlich heutiges Gesicht. Auch die komplizierte und wunderschöne Haarpracht ist von dieser Welt und so ähnlich ja manchmal auch im Alltag zu sehen. Auffallend ist die verblüffende Ähnlichkeit der Gesichtszüge der Frau im Profilbildnis und der Venus. Dass die Schöne somit nicht nur ein Modell, sondern für Botticelli vielleicht sehr viel mehr war, lässt sich erahnen und – zumindest aus männlicher Sicht – leicht nachvollziehen. Möglicherweise ist dieses ansprechende Antlitz aber auch eine konstruierte und modellierte Idealschönheit, wie sie zuweilen ja auch der Büste jener altägyptischen Nofretete zugesprochen wird, die heute Berlins edelstes und bekanntestes Frauengesicht darstellt.

Die Frau vom Zeitungskiosk und ich unterhielten uns noch ein kleines Weilchen darüber, was etwas plötzlich oder nach längerer Zeit zu Kunst werden und manches davon die Jahrhunderte überdauern lässt. Sicher ist, dass nicht jeder Künstler zu Lebzeiten die Anerkennung und vielleicht sogar den Ruhm erntet, die zu späteren Zeiten auf sein Werk fallen. Andererseits ist mancher, der in seiner Zeit als Großer bezeichnet wurde, in den Augen der Heutigen ein Nichts. Wer und was aber entscheidet und erhebt solche Bilder in den Stand der Kunst oder sogar Zeitlosigkeit? Dass viele das auch bei dieser neuen Ausstellung in Berlin selbst herausfinden wollen, zeigt die bereits heute Morgen entstandene, lange Schlange am Ticketschalter.

 

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22. August 2011 08:02:55

… zugeschaut: Bekannte und Unbekannte

Essen ist auch Kultur, manchmal jedenfalls. Die schnurrbärtigen oder glattwangigen, deutschlandweit bekannten, Profi-Essenszubereiter aus dem Fernsehen sind dort ja eigentlich keine Köche mehr. Für das werkelnde Laien-Fußvolk – manche von ihnen mutieren vor der Kamera allerdings förmlich zu Experten – und für das begierig zuschauende oder mittuende Fernsehpublikum sind sie Ratgeber, Manager, Geschichtenerzähler und -abfrager sowie Scharfrichter und Idol in einer Person.

In Berlin läuft das etwas anders. Schon der Alltag im Kiez führt dem Einheimischen immer wieder Prominente vor die Augen, ohne dass er deshalb vor Verzückung gleich aus den Latschen kippen würde. Vor zwei Tagen lief mir in der Ackerhalle Inka Friedrich über den Weg. Natürlich hätte ich ihr bei dieser Gelegenheit lässig sagen können, wie gut sie (ein Weilchen her) in „Sommer vorm Balkon“ gespielt hat. Hab ich aber nicht. – Gestern Mittag wiederum fuhr Annette Schavan mit dem Fahrrad durch die Torstraße. Nun war kein weiterer Mensch in der Nähe und ich hätte ihr zurufen können: „Oh, Frau Ministerin, Sie hier? Guten Weg!“ Oder: „Warum hört man so selten etwas von Ihnen oder was wird denn nun – ja, ja, es ist Ländersache – aus unserem zurückgebliebenen Bildungs – und Schulsystem?“ Dann hätte ich, wie im britischen Unterhaus, noch ein lautes „Yeah, Yeah“ nachschieben können. Nun, solche Reaktionen kann man den Touristen überlassen. Manchmal ist aber nicht mal ein solcher in der Nähe, wie auch im folgenden:

Die Händler und den neueröffneten Markt am Nordbahnhof kennt keiner und niemand geht hin – bis jetzt jedenfalls. Ich will gern meinen Beitrag leisten, um diesem Zustand abzuhelfen und habe Ende der Woche am Obststand zwölf Äpfel aus neuer Ernte (Elstar) gekauft. Anschließend wurden die Äpfel gewaschen, geviertelt, stellenweise ausgeschnitten und kamen dann, zusammen mit 300 ml Wasser, drei Teelöffel Zucker, ein Stück Zimt und zwei Nelken, in den Topf. Daraus wurde Apfelmus gekocht, welches dann durch ein Sieb gedrückt und kaltgestellt wurde. Das kalte Mus hat eine wunderbare hellbraun/zimtene Färbung und schmeckte sehr aromatisch. Dann wurde es in Gläser gefüllt und anschließend in Berlin verteilt. Ein beträchtlicher Teil der Familie lag danieder oder fühlte sich malade. Da kam das Apfelmus gerade recht. – Ich habe zwar auch einen Schnurrbart, bin aber ein unbekannter Koch und will es auch bleiben.

 

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