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Archiv der Kategorie ‘Kino‘

12. Februar 2011 00:46:44

… Berlinale Panoramablick 3: The Devil’s Double

Filmstill11 Doubles habe Fidel Castro, erzählte mir vor etlichen Jahren ein Freund in Havanna. Keiner wisse, wann er vor dem echten Numero Uno stehe. Vielleicht war das übertrieben, doch vermutlich haben alle wichtigen Herrscher ihre Doppelgänger, und wenn diese Glück haben, bleiben sie am Ende des Regimes ihrer „Herren“ am Leben und können ihre Geschichte erzählen. Wie Latif Yahia, der „Fidai“ des degenerierten, exzessiv koksenden brutalen Sohnes eines brutalen Staatschefs. Yahia schrieb ein Buch über die Zeit, in der aus dem Golfkrieg zurückgekehrte Leutnant gezwungen wird, seine Identität aufzugeben und die des gnadenlos brutalen, egoistischen Uday Hussein zu werden. Uday mordet, vergewaltigt, raubt. Sein Leben dreht sich um schicke Autos, teure Uhren, Frauen … Uday kennt weder Grenzen noch Pardon. Latif hat keine Wahl, als sich mit dem Tyrannen zu arrangieren.
Der neuseeländische Regisseur Lee Tamahori (Die another day¸The Sopranos u.a.) hat mit The Devil’s Double aus dem in zahlreiche Sprachen übersetzten Bestseller einen actionreichen Politthriller gemacht. Grandios ist Dominic Cooper in der Doppelrolle als Uday Hussein und Latif Yahia, spannend das Spiel mit der Doppelidentität: Uday wird zu seinem Vater zitiert und schickt sein Double, das auf Husseins Double (Philip Quast als Sadam Hussein und sein Fidai Faoaz) trifft. Am Ende gibt es das nur in Spielfilmen denkbare Happy End: Alle von Uday gequälten und zur Grausamkeit gezwungenen Zuarbeiter, Helfer, Offiziere … tun sich zusammen und üben Rache. Schrill und psychotisch. Im echten Leben sah das nachher anders aus. Aber wer will schon immer das echte Leben sehen, wenn er/sie ins Kino geht? The Devil’s Double ist keine politische Abrechnung mit dem Regime. Allerdings eine gut gemachte Auseinandersetzung mit dem Schrecken der Macht und menschlichen Grenzen.

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12. Februar 2011 00:37:35

… Berlinale Panoramablick 2: Qualunquemente

Alles ist möglich in Berlusconi-Land. Und so erscheint noch die absurdeste Situation in der kalabrischen Kleinstadt Marina di Sopra denkbar. Nicht zuletzt ein – nun ja, manipulierter – Wahlsieg des neuen Bürgermeisters Cetto La Qualunque (Antonio Albanese), kaum dass er nach vier Jahren „Auszeit“ in Brasilien mit einer schönen Frau, deren Namen er sich nicht merken kann und die er deshalb schlicht „Wiebitte“ (Veronica da Silva) nennt, zu seiner Frau Carmen (Lorenza Indovina) und seinem naiven Sohn Melo (Davide Giordano) zurückkehrt. Denn Gefahr droht von Giovanni de Santis (Salvatore Cantalupo), ein Bürgerrechtsaktivist, der ebenfalls Bürgermeister werden will. Mit ihm sollen Ehrlichkeit und Ordnung in die Stadt einziehen, die Bürger – und zwar alle – sollen Steuern zahlen. Schluss mit Korruption und laissez-faire. Cettos Freunde wollen sich damit nicht abfinden und heuern den „Guru“ Jerry (Sergio Rubini) an, der, unterstützt mit Schmiergeld für schmierige Journalisten und unwillige Wähler, den Heimkehrer zum Spitzenkandidaten und Sieger aufbauen soll. Mit dem Motto „Kümmer dich um deinen Scheiß“ und wirr-witzigen Kommentaren zu allem und nichts beginnt der Wahlkampf. Eine skurrile Posse des römischen Regisseurs Giulio Manfredonia (If I were you), mit viel Humor, netter Musik und schrillbunten Bildern erzählt. Die Figur des dreistdummen Frauenhelden und Geschäftsmanns Cetto La Qualunque schuf Antonio Albanese bereits 2003 für die RAI-Sendung Non c’è problema (Kein Problem). Qualunquemente (Whatsoeverly) ist ein kritisch-unterhaltsamer Kinofilm und eine mehr als sympathische Fortsetzung der TV-Serie auf großer Leinwand.

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11. Februar 2011 09:03:53

… Berlinale Panoramablick 1: Tomboy

„Mikhael“, antwortet Laure (Zoé Heran), als die zehnjährige Lisa (Jeanne Disson) fragt, wie sie heiße. Laure möchte lieber Junge als Mädchen sein, und die Tatsache, dass sie mit ihren Eltern und der kleinen Schwester Jeanne (Malonn Lévana) mitten in den Sommerferien in eine neue Stadt zieht, ist ihre Chance. Lisa glaubt ihr – und verliebt sich prompt in Mikhael. Auch die anderen Kinder – Vince (Yohan Véru), Noah (Noah Véru), Cheyenne (Cheyenne Lainé) und Ryan (Ryan Boubekri) haben keine Zweifel. Obwohl das Leben als Junge nicht so simpel ist: Einfach in der Fußballspielpause am Spielfeldrand im Stehen pinkeln geht nicht, und der Besuch im Schwimmbad heißt nicht nur, den Badeanzug zerschneiden, damit er zur Badehose wird, sondern auch aus Knetgummi etwas basteln, das die Hose ausfüllt … Jeanne mit ihren großen Augen und den zauberhaften Locken kommt der großen Schwester auf die Schliche. Doch sie hält dicht. Raffiniert schlägt sie Laure einen Deal vor: sie hält die Klappe, dafür darf sie mit den „Großen“ spielen. Am Ende kommt Laures Scharade doch ans Licht. Céline Sciamma, die für ihr 2007 in Cannes präsentiertes Spielfilmdebüt Unter Wasser, über Kopf den französischen Louis Delluc Preis bekam, ist mit Tomboy ein netter Film gelungen. Ein bisschen blass vielleicht, angesichts des durchaus heiklen Themas von Geschlecht und Identität, und irgendwie am Ende ohne Alternative – Mädchen sind Mädchen, Jungs sind Jungs. Doch den mangelnden Tiefgang machen die wunderbaren KinderschauspielerInnen, die für den Film gecastet wurden, mehr als wett. 84 schöne Kinominuten also.

Kleiner Gesprächsmitschnitt:

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10. Februar 2011 17:27:01

… Berlinale. True Grit – ein Opening auch für Männer

Ein „Frauenfilm“ sei es, rechtfertigte Berlinale-Direktor Dieter Kosslick die Entscheidung, die Filmfestspiele mit einem Western zu eröffnen. Dass er die beiden Drehbuchautoren, das Erfolggespann Joel und Ethan Coen (No Country for Old Men; O Brother Where Art Thou?) gern ins ab heute bis zum 20. Februar festivalbewegte Berlin holen wollte, ist verständlich. Also True Grit, ein Frauenfilm, aber bestellt in der cineastischen Männerabteilung und, trotz einer begabten weiblichen Heldin (die 13jährige Hailee Steinfeld in der Rolle der verwöhnten aber auch mutigen Mattie Ross), beworben mit einem Plakat, das nur männliche Protagonisten kennt: Jeff Bridges (als Whiskey liebender Altersheld Rooster Cogburn), Matt Damon (als texanisches Plaudertäschchen LaBoeuf) und Josh Brolin (als tumb-brutaler Killer Tom Chaney).

„True Grit“ heißt übersetzt so viel wie „echter Schneid“ und ist damit eine originäre Ingredienz der amerikanischen Seele. Der Film – in diesem Jahr für diverse Ocars nominiert und ausdrücklich kein Remake der Produktion mit John Wayne von 1969 – basiert auf einem Fortsetzungsroman von Charles Portis, der 1968 in einer Zeitung namens Saturday Evening Post erschien. Er erzählt die Geschichte des Alpha-Girls Mattie, die loszieht, den Tod ihres Vaters zu rächen. Sie kennt den Mörder – Tom Chaney – und verfolgt ihn gemeinsam mit Marshall Cogburn und dem Texas Ranger LaBoeuf. Der Film hat, nach knapp zwei Stunden mit schönen Bildern und wildwesttauglicher Filmmusik, ein glückliches, und dann noch ein zweites indifferentes Finale. Natürlich endet die richtig gefährliche Jagd des nur unter großen Schwierigkeiten harmonisierenden Mann-Mann-Mädchen-Gespanns wie es sich für einen Hollywood-Western gehört: Die Guten siegen, die Bösen werden mit viel Knallerei erschossen. Und dann gibt es mit einem Fast-Forward von 25 Jahren noch einen Bonus-Track: Die mittlerweile erwachsene Mattie, jetzt eher verhärmt statt provozierend, und wie 59 wirkend obwohl sie rechnerisch erst 39 sein kann, erinnert sich anlässlich einer Rodeo-Roadshow in Memphis an Rooster, der aber leider gerade gestorben ist, und an LaBoeuf, von dem sie nie wieder gehört hat. Mattie ist ledig geblieben. Entweder weil sie zu selbstbewusst war, oder zu schwer, glücklich zu machen. Beides scheint möglich.

Der Eröffnungsfilm der Berlinale – wie bewertet frau ihn nun? Ein verspielter Film? Ein Film für Leute, die Abenteuer mögen und nicht so kritisch hinschauen? Ein Film, der visuell etwas Fantasy und inhaltlich auch Ironie ins Westerngenre holt? Treffende Charaktierisierungen. Es gibt auch ein paar ganz lustige Szenen und Dialoge. Und überflüssigerweise auch abgehackte Finger und andere brutale Nicht-Hingucker („Frauenfilm“?). Dann gibt es vermutlich Zuschauer, die nicht genervt sind, wenn ein Mädel, das nicht bekommt, was es sich gerade ins hübsche Köpfchen gesetzt hat, schmollt oder zickt und, wenn es denn gar nicht anders geht, ein bisschen weint. Ach so, ja: einmal nimmt sie auch die Pistole. Aber leider weiß sie nicht, was man damit so macht. Dafür kann sie Gruselgeschichten am Lagerfeuer erzählen, während der texanische Ranger traurig feststellt, dass es bei ihm zuhause nicht so viel Wasser gibt, wie in Arkansas, und der Marshall ein Seil um sein Waldbett legt, damit ihn die Schlangen nicht beißen.

Nein. Ich erwarte keinen Tiefgang von einem Western. Und da das Genre an sich ja politisch unkorrekt ist, kann ich auch damit leben, dass Mattie, weil sie schon wieder unartig ist, ganz „altmodisch“ mit dem Stock auf den Hintern eine Tracht Prügel bezieht (was die Schauspielerin, so erklärt sie in einem Interview, übrigens witzig fand). Schließlich spielt die Geschichte in der Zeit nach dem amerikanischen Bürgerkrieg. Da war das alles vermutlich so. Last but not least ist es bei Coen-Brürder-Filmen gewiss wie bei Tarantino: Man mag sie (ihn) oder eben nicht. Über all das will ich nicht schreiben. Nur noch so viel: Ich bin sicher, das Etikett Frauenfilm hat Kosslick nur in den Raum geschmissen, damit optimistisch-strahlende weibliche Schönheit mit großer Vorfreude auf einen Film ganz für sie heute Abend über den roten Teppich in den Berlinale-Palast am Potsdamer Platz strömt und die Show beginnen kann. So sei es!

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3. Februar 2011 20:52:46

… angeschaut: Billy Wilder and lovely Shirley

Billy Wilder, in Polen geboren, Jude, späterer US-amerikanischer Meisterregisseur, schaut seit beinahe neun Jahren von der rosarot eingefärbten Filmwolke auf die Erde nieder. Und was sieht er dort: Seine Filme, vor allem in den 40-er bis 60-er Jahren des 20. Jahrhunderts gedreht, werden immer noch gezeigt. Das Publikum besucht die Retrospektiven (Sehnsucht nach Qualität), wie jetzt im Kino Babylon, amüsiert sich über seine Komödien und hört fasziniert den schnellen, intelligenten und frechen Dialogen „seiner“ Schauspieler zu. Gestern lief „Das Appartement“: Der kleine Versicherungsangestellte C. C. Baxter, gespielt vom Super-Komödianten Jack Lemmon – hier noch glatt und faltenlos – arbeitet in einem größeren Unternehmen und „vermietet“ seinen Vorgesetzten, auf deren freundlichen, aber direkten Druck hin, seine Wohnung für gelegentliche Schäferstündchen mit ihren jeweiligen, meist aus der eigenen Firma stammenden, Freundinnen. Seine Bosse geben sich zunächst sozusagen die Klinke bzw. den Wohnungsschlüssel in die Hand und später Baxter dafür die Möglichkeit Karriere zu machen, also seinen Platz im Großraumbüro gegen ein kleines Zimmerchen mit Grünpflanze einzutauschen. Dabei ist Baxter auch nahe dran, seine kleine, aber immer größer werdende Liebe zur anmutig-herzlichen Fahrstuhlversuchung des Versicherungs-Hochhauses zu opfern. Die überaus aparte Shirley MacLaine zeigt in dieser jungen Frau, die in der Fahrstuhlrolle zwar ein wenig naiv angelegt ist, dennoch aber eine zurückhaltende Kraft, mit der sie auch die diversen Auf und Ab in ihrem Leben gemeistert hat. Der Film lebt aber vor allem von Jack Lemmon, er starb 2001, der sich als Baxter Witze machend durch’s Leben windet, kämpft, gewinnt, verliert, aber letztlich Gesicht und Rückgrat zeigt.

Billy Wilder wollte mit diesem Film keine Komödie drehen und es gibt einige Szenen, da überdeckt die dargestellte Heuchelei und Verkommenheit sogenannten gutbürgerlichen Lebensstils auch jedes Lächeln. Dennoch überwiegt das witzige, humorige, komisch-tragische und letztlich das gute im Menschen. Die Wilder-Retrospektive endet am 6. Februar. Wer sich also den spritzigen Streifen „Das Appartement“ (Original mit deutschen Untertiteln) noch ansehen will, kann das am 5. Februar, 22:00 tun.

 

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1. Februar 2011 18:11:07

… drei: Tom Tykwer gibt Nachhilfe zur Auflösung des deterministischen Biologieverständnises

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Der ideale Ort, um den neuen Film von Tom Tykwer Drei anzusehen, ist natürlich das Eiszeit Kino. Dort hat man fast das Gefühl, die Geschichte würde live über einige Außenkameras ins Kinoinnere übertragen, da eine ganze Reihe der wichtigsten Filmsets in direkter Nachbarschaft liegen: Das Badeschiff, das Jolesch, das Prinzenbad, die Hochbahn, die Bürgermeister-Imbissbude, usw. Dennoch ist es weniger ein Kiez-Film, als vielmehr ein Milieu-Film. Einigermaßen gut situiert und arriviert im Bereich der Berliner Creative-Industries tummelt sich in großer Gewohnheit ein langjährig zusammenlebendes Pärchen. Sie ist Redakteurin und Moderatorin in einem TV-Kulturjournal, das eine Kopie der 3sat-Kulturzeit zu sein scheint, er leitet ein etwas dümpelndes Unternehmen, in dem er für Künstler deren Entwürfe für Skulpturen oder Installationen umsetzt. Man ist liberal, debattiert ähnlich angeregt über Kopftuchverbote wie Begräbniskulturen, hat eine schöne aber mit Büchern und Bildern vollgestopfte Wohnung, liebt gutes Essen beim Österreicher, aber genehmigt sich auch mal ein bisschen kiezigen Fastfood, besucht Ausstellungen und Theater und versucht sich dabei totzdem ein bisschen körperlich fit zu halten. Mit anderen Worten das dargestellte Pärchen ist genauso alt wie ich, lebt ganz genau so – theoretisch freizüg und praktisch kleinbürgerlich – wie ich und mein ganzes Umfeld. Ich hatte wirklich das Gefühl, die Lebensgeschichte eines Freundes erzählt zu bekommen, zumal auch noch reihenweise Bekannte im Film erschienen, die einfach als sie selbst auftauchten. So wie sonst Stars kleine Gastauftritte als sie selbst bekommen, kommen in Drei die Normalos von nebenan vor die Kamera. Die Milieustudie trifft also ziemlich genau.

Und dann, im einem Moment, in das gezeigte Paar, allerdings jeder für sich, in eine mehr oder weniger bedrohliche Lebenskrise kommt, tritt da einer in das Leben der beiden, der ganz anders ist: … Weiterlesen

 

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30. Januar 2011 15:34:18

… wiederholt: Total Recall das wichtigste Festival des nacherzählten Films im HAU1

Alle Jahre wieder im Januar im HAU1: Das zweitägige Festival TOTAL RECALL, zu dem sich Filmfreaks aller Generationen und Genre vereinen, um sich gemeinsam mittels freier Erzählung, an filmische Momente zu erinnern, egal ob bekannt oder unbekannt, Hauptsache der Film, von dem erzählt wird, existiert. Eine/r steht vorne am Pult, hat 10 Minuten Zeit, und erzählt: mal gut und schnell zusammengefasst, mal wild zwischen Filmstory und der eigenen Geschichte, die in mehr oder weniger konkretem Zusammenhang zum ausgesuchten Film steht, meandernd. Besonders überraschend sind dabei oft die Erzähler/innen, die sich kurzentschlossen auf die Bühne trauen, sich aus dem Stegreif versuchen, um das meist zunächst noch lückenhafte Programm zu komplettieren.

totalrecall_andrewentzel

In den letzten Jahren waren es mehrheitlich Männer, die sich auf der Bühne produzierten, oft Typen, denen man den Film-Nerd schon von Weitem ansah, und die dann von höchst schrägen iranischen Kung-Fu-Softpornos aus den 1970ern (gefühltes Genre) erzählten. In dieser Kategorie trat diesmal Andre Wentzel an, der von dem extrem billig produzierten, türkischen Superheldenepos „3 Dev Adam“ berichtete, in dem unter anderem relativ zusammenhangslos ein grün gekleideter, gewaltbereiter Spiderman und ein kleptomanisch veranlagter Captain America ihr Unwesen treiben.

Auffällig aber war diesmal die Dominanz von Frauen, die eindeutig die Führung im Bereich des nacherzählten Films übernommen haben. Und ebenso wie früher die Männer neigten einige dazu, tiefe Einblicke in ihre sexuellen Neigungen und Phantasien zu offerieren. So eine üppige Blondine, … Weiterlesen

 

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9. Januar 2011 19:52:15

… Rückblick: Jenny Gröllmann und Ulrich Mühe

Es gibt ja immer noch Landsleute, die glauben, das Leben in der DDR ausreichend zu kennen, nur weil sie den Film „Das Leben der Anderen“ gesehen haben. Doch das ist hier nicht mein Thema, sondern die beiden Schauspieler Ulrich Mühe – der in diesem Streifen mit der ihm eigenen Darstellungskunst einen Offizier der Stasi spielte – und Jenny Gröllmann. Die beiden waren zwischen 1984 und 1990 miteinander verheiratet.

Im folgenden wird nun an einen Film erinnert, der bereits 1984/85 in der DDR unter der Regie von Hermann Zschoche entstand und der schon damals das herausragende, schauspielerische Vermögen von Ulrich Mühe zeigte: „Hälfte des Lebens“. In diesem Werk geht es um den Dichter Friedrich Hölderlin (1770-1843), genauer gesagt um einen Zeitraum aus dessen erster Lebenshälfte. … Weiterlesen

 

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3. März 2010 14:27:23

… gezupft: Ukulelescope – The Ukulele Orchestra of Great Britain vertont live historische Kurzfilme

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Es ist eine schöne Tradition, historische Stummfilme mit Live-Musik zu begleiten, und im Babylon Mitte kann man solches Treiben dankenswerter Weise häufiger erleben. Am 2. März war das The Ukulele Orchestra of Great Britain mit einem Filmprogramm, das aus dem Archiv des BFI (British Film Institute) zusammengestellt wurde, auf der Bühne. Sie zeigten eine schwarz-weiße und trotzdem bunte Mischung aus merkwürdigen Lehrfilmen für junge Damen, rätselhaften Kurzspielfilmen und allerlei Dokumenten wissenschaftlicher oder privater Art. Das Orchester spielte einen perfekt synchronisierten und sehr amüsanten Soundtrack und eröffnete so ein vertonten Blick in die Zeit vor rund 100 Jahren, wie durch ein altes Kaleidoskop das man bei Oma auf dem Dachboden gefunden hat.

Der eigenwillige, leicht schepperige Klang der verschiedenen Ukulelen passt perfekt zu den rumpeligen Filmen, unter denen echte Perlen sind. Z.B. eine Aufnahmen, gedreht mit einer alten Hochgeschwindigkeitskamera, die schon in den 1920ern 1200 Bilder pro Sekunde machen konnte, und die heute mit den vielen Artefakten ein Dokument der in mehrfacher Hinsicht verdichteten Zeit geworden ist. Man sieht in ein und derselben Bilderfolge eine tatsächliche Sekunde gedehnt auf knapp eine Minute Zeit und 100 Jahre Lagerung komprimiert auf die selbe Minute. Dazu spielt das Orchester ein Stück, dem sie den Titel des Film gegeben haben: „Movements quicker than thought“ (siehe meine olle Handy-Aufnahme).

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Für mich war das ein großartiger Abend, da gleich mehrere Vorlieben auf einmal bedient wurden: Ukulele spielen (bzw. hören), Filme sehen, Zeitrafferaufnahmen bestaunen und ältere englische Menschen bei leicht absurdem Tun beobachten. Auf meiner persönlichen Wertungsliste alles ganz vorne!

 

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23. Februar 2010 23:31:21

… wo man berlinert: Boxhagener Platz im Kino

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Der Film Boxhagener Platz von Matti Geschonneck wird auf den Plakaten als „Heimatfilm“ vermarktet und auf den ersten Blick könnte man denken, das hätte so seine Richtigkeit. Es wird richtig schön ostig berlinert, es gibt eine Liebesgeschichte, man isst deftig und mault ordentlich. Also allet jut, wa – trinkwa noch een. Aba nee, haltma: Dit is ja der Osten! Und ooch noch 1968. Dit macht die Jeschichte nu nich einfacher.

Ich habe den gleichnamigen und autobiografisch beeinflussten Roman von Torsten Schulz nicht gelesen, aber da er selbst auch das Drehbuch zum Film geschrieben hat und mit Matti Geschonneck einen sensiblen Regisseur gefunden hat, der ungefähr auf der gleichen Wellenlänge schwingt, nehme ich an, der Film ist so, wie es sich die Macher gewünscht haben. Ich glaube es geht ihnen um die Darstellung des lebendigen Kontrastes zwischen Privatheit und Öffentlichkeit (bzw. Staatlichkeit) – ein großes Thema all derer, die gerne über 1968 schreiben und reden.

In jenem Jahr wurden die politischen bzw. gesellschaftlichen Systeme in Ost und West in Frage gestellt, Kommunismus und Kapitalismus stehen in unterschiedlichen revolutionären Prüfungen, aber die beiden Seiten werden doch vom selben Beben erschüttert. Der Film schaut dabei konsequent aus dem Privaten ins Öffentliche, in dem er beobachtend an der Seite des jüngsten Mitglieds der Familie bleibt: Der Enkel „Holger“ begleitet seine Oma „Otti“ (großartig gespielt von Gudrun Ritter), die sich noch vor dem Ableben ihres fünften Mannes, den sie in einem Nebenzimmer verstaut hat, in den alten Spartakusbund-Kämpfer „Karl Wegener“ (ungewöhnlich konzentriert gespielt von Michael Gwisdek) verliebt. Je oller, je doller sagt ihre Tochter (Meret Becker) und alle fragen sich, wie die Oma das macht, dass sie immer neue Männer bekommt, die dann auch noch so praktisch versterben, wenn man sie los haben will, oder die Liebe eben wieder verflogen ist. Doch obwohl im Laufe des Films zwei alte Männer sterben (einer wird sogar ermordet), ist es kein Krimi. Es ist eher ein Gesellschaftsbild, das in Sepia gefärbt und als Komödie getönt, zeigen will, wie die DDR durch seine Organe (Stasi, Schule, Polizei) als Staatsmacht in das Leben seiner Bewohner einwirkte. Die Menschen mussten sich allein durch den Einordnungsdruck irgendwie zum „System“ positionieren. Wobei in der DDR leben zu lernen bedeutete, allzeit und überall zwischen privater und öffentlicher Einstellung unterscheiden zu lernen. Das legt zumindest der Film nahe und der aufwachsende Holger hat so seine Probleme mit den allgegenwärtigen Halblügen. Die einzige, die von all dem unbeschadet und quasi völlig unberührt von irgendwelchen staatlichen Ordnungsprinzipien ihr Leben eigenmächtig führt, ist Oma Otti. Darum ist die Frage, wie sie das mit den Männern macht, eigentlich die Frage nach dem Geheimnis, wie sie es macht, sich nicht gegenüber der Staatlichkeit zu positionieren, und mit diesem Kunststück auch nicht von deren Organen berührt zu werden.

Leider sind die Außenaufnahmen zum Teil im Studio Babelsberg in der völlig abgenudelten „Berliner Straße“ gedreht, die einfach nie authentisch wirkt. Langsam verschwimmen die vielen hier gedrehten Szenen der verschiedenen Filme zu einem allgemeinen psydo-städtischen Idyll, das gegen jegliche Speilfilmhandlung gefeit zu sein scheint. Es zwängt sich der Eindruck auf, dass das alte Berlin von ca. 1900 bis 1970 nur aus zwei Straßenecken bestand, in denen sämtliche geschichtlichen Tragödien der Deutschen stattfanden ohne nur die geringsten Spuren zu hinterlassen. So intensiv die Schauspieler diesen Ensemble-Film prägen, so lau sind die (zum Glück nicht all zu häufigen) Außenaufnahmen im Studio. Darum: Bitte liebes Studio Babelsberg: Baut endlich eine neue Berliner Straße mit mindestens 3 neuen Ecken, die nicht in diesem unverwechselbaren schrägen Winkel in die Tiefe fluchtet, den wirklich jeder mit ein bisschen räumlichem Vorstellungsvermögen wiedererkennt! Erlöst uns von der Geschichts- und Geschichten-resistenten Berliner Straße! Filme wie dieser hätten es verdeint.

Boxhagener Platz ist ab Anfang März in den Kinos. Ich durfte den Film schon im Rahmen der Reihe „Berlinale goes Kiez“ im Union in Friedrichshagen nebst eingeladener Filmprominenz sehen. Die Veranstaltung und das schöne alte Kino haben mir sehr gefallen. Bei Nacht sah es da draußen aus, als hätte man den Film auch dort drehen können.

 

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Deutschland | Geschichte | Kino | Politik

 

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