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Archiv der Kategorie ‘Kunst‘

18. September 2013 19:27:21

… unbeabsichtigt gegeneinander: Painting forever – To Paint Is To Love Again – 4 Frauen in der Kunsthalle Deutsche Bank

Im vom Land Berlin finanzierten Projekte „Painting forever“ arbeiten die vier wichtigsten Berliner Kunstinstitutionen zusammen. Das Motto zieht die Aktivitäten von der Berlinischen Galerie, der KunstHalle Deutsche Bank, des KW – Kunstwerke und der Neuen Nationalgalerie während der Berlin Art Week 2013 zusammen. Zwei der Ausstellungen sind zu Gegenpositionen geworden, ohne dass es recht geplant gewesen wäre.

In der Nationalgalerie gibt Direktor Udo Kittelmann Raum für vier äußerst marktkonforme deutsche Künstler. Unter dem genauso spielerischen, wie konsequent sinnlosen Ausstellungstitel „BubeDameKönigAss“ poltern vier konsequent konzeptionierte Monster-Egos einer Generation auf Großformaten: Martin Eder (*1968) Michael Kunze (*1961) Anselm Reyle (*1970) und Thomas Scheibitz (*1968). Natürlich war keiner der Typen bei der Pressekonferenz. (Mehr dazu in einem weiteren Artikel …)

In der KunstHalle Deutsche Bank lässt Kuratorin Eva Scharrer unter dem Titel „To Paint Is To Love Again“ vier Frauen unterschiedlicher Generationen säuseln: Jeanne Mammen, Antje Majewski, Katrin Plavčak und Giovanna Sarti. Sie malen Unsichtbares, Geheimnisvolles, Verborgenes und Ephemeres und standen alle (sofern noch lebend) den Journalisten für Fragen bereit. Man kann diese beiden Ausstellungskonzeptionen nur als Gegenpositionen sehen, die sich leider zuvorderst geschlechtlich verorten lassen, ohne dass sie sich so eigentlich positionieren wollten. Das ist besonders in Bezug auf die weibliche Zusammenstellung schade und ein Problem, denn es verstellt natürlich den Blick für die Kunst der bzw. des einzelnen.

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Jeanne Mammen, Verheißung eines Winters (1975)

Jeanne Mammen (1890–1976) – obwohl in der letzten Ecke der Schau – bildet mit bisher weitgehend unbekannten Arbeiten aus den 1950er – 7oer Jahren den Ausgangspunkt in der KunstHalle. Ihr Spätwerk steht stark in der Tradition von Klee einschließlich der verheißungsvollen Titel: „lyrische Abstraktion“ Symbolismus aus pasteuser Ölfarbe mit eingearbeiteten Glitzereffekten (Stanniolpappierchen von Bonbonverpackungen). Es ist ein trauriger Abgesang gegenüber den kraftvollen, vitalen und treffenden Zeichnungen, die sie in ihrer expressiven Phase z.B. im Simplizissimus veröffentlichen konnte.

Die anderen drei in Berlin lebenden Künstlerinnen haben sich nach eigenen Angaben bewusst auf den Dialog mit Mammens Werk eingelassen. Gefährlich bei einer so schwachen Vorlage.

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Antje Majewski (*1968) spüren Texten des Museumskurators Sebastian Cichocki nach. Sie illustriert Literatur – konkretisiert und kategorisiert Imaginäres. Sie zeigt in ihren Bildern Objekte, die aus bestehenden Wertesystemen. Unter anderem eine Bildreihe mit merkwürdig geformten Hundekörpern. Es sind Miniskulpturen gefertigt aus aus den Resten von Plastikzahnbürsten, die Frauen im KZ Ravensbrück als Geschenke für andere gefertigt haben. Ich bin mir unsicher, ob dabei nicht mehr Zauber verloren geht als geschaffen wird.

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Katrin Plavčaks (*1970) überträgt aktuelle Themen in den Bereich des leicht Surrealen. Sie arbeitet vielfältig mit Formaten und Materialien und deutlich aus weiblicher interpretativer Sicht.

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Giovanna Sarti (*1967) erarbeitet ihre Bilder kompositionslos. Im Ergebnis enttäuschend, geht es ihr ums Prozessuale, bei dem durch Handwerklichkeit und technisch bedingte Abfolgen Strukturen und Artefakte entstehen. Das hat man schon tausend Mal gesehen und hier wird leider nichts Interessantes hinzugefügt.

Leider gelang es mir nicht, dem Henry Miller entliehenen Motto der Ausstellung folgend, die Bilder mit dem Blick der Liebe zu betrachten. Ich empfehle die Ausstellung nur Menschen, die diese Fähigkeit besitzen.

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18. September 2013 14:18:32

… leuchtend: Franz Ackermann – Einzelposition der Berlinischen Galerie zum Gemeinschaftsprojekt Painting Forever zur Berlin Art Week 2013

Franz Ackermann in der Berlinischen Galerie Painting Forever

Thomas Köhler, der Chef der Berlinischen Galerie ist ein Coup gelungen. Seine kuratorische Position „seht her – das findet im Markt statt und es lohnt sich, diese Kunst auch im Museum zu zeigen“ geht auf.

Die 40 Meter lange und 10 Meter hohe Eintrittshalle des Museums für moderne Kunst ist als Gesamtraum von Franz Ackermann zu einem Farbmeer umgestaltet worden, in dessen Leuchtkraft man beinahe zu ersaufen droht. Wäre der Boden der Ausstellung mit dem Titel „Hügel und Zweifel“ auch noch in die Gestaltung eingebunden, gäbe es kein Halten mehr – das Farb- und Formspiel würde einen im vollendeten Environment überfluten. Ackermann entgrenzt das Tafelbild nach allen Regeln der Kunst, in die Fläche und in die Tiefe: flexible Rahmenformen, gestalterische Einbeziehung der Wand rund ums Bild, Abheben des Bildes von der Wand, Schichtung im Bild. Er sucht und findet neue Dimensionen im Spiel zwischen Abstraktion und Figuration. Inhaltlich arbeitet er sich im Spannungsfeld globalisierter Einflussnahmen ab. Der kolonisierende Aspekt des Tourismus, die Spannung zwischen den aufeinandertreffenden armen und reichen Menschen aus kulturell unterschiedlich geprägten Ländern und die dabei auftretenden Schäden. Stilistisch, farblich und vom Materialeinsatz her könnte es kaum aktueller sein. Neonfarben, Foto-Collagen, Alu-Dibond-Konstruktionen um Innenwelten, die an aufgeschnittene Organe erinnern, mit Äußerlichkeiten, die mit architektonischen Elementen visualisiert werden, zu kombinieren. Ein bisschen Neo Rauch reloaded mit großer Nähe zum Design.

Bis bis 31.03.2014.

 

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26. Mai 2013 15:19:18

…unbedingt: Martin Kippenberger

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Hamburger Bahnhof. Weltstadt-Niveau? My ass. Bürokraten-Arschlochismus, klassische Variante. Man hat zwei große doppeflüglige Türen zur Verfügung, nutzt jedoch nur einen einzigen schmalen Flügel – sowohl für Ein-als auch Ausgang !! Lange Schlangen hinaus ins Freie und die Treppen hinunter? Auch bei Regen? Scheißegal, Hauptsache die zahlen und verschwinden wieder. Wie man so was professionell und besucher-orientiert macht: kurzer Besuch in London genügt. Man kann aber auch selber drauf kommen…

Hamburger Bahnhof, bis 18. August – MARTIN KIPPENBERGER :  SEHR GUT | VERY GOOD

www.hamburgerbahnhof.de

 

 

28. Februar 2013 14:02:27

… unerhört: unmenschliche Musik im HKW

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Kann es überhaupt Musik geben, die nicht menschlich ist? Nach landläufiger Meinung ist Musik das kulturell geprägte, menschliche Spiel mit Tönen, Klängen, Rhythmen, Harmonien und Melodien. Wenn dagegen in der Natur Schwingungen auftreten, die zueinander Intervalle, Interfrenzen oder sonstige Strukturen aufweisen, halten wir es für interessante Geräusche. Wir weigern uns, den Gesang einer Amsel als Musik zu begreifen, denn logischer Weise müssten wir dann auch Amseln als Musiker ansehen. Anders, wenn ein Musiker, den Gesang einer Amsel sampelt, mit einigen physikalischen Parametern (rück)koppelt und im Kontext einer Ausstellung oder eines Konzerts abspielt. Hier lassen wir die Technik oder Technologie die menschliche Rolle des Musikers oder Komponisten spielen, da wir grundsätzlich alle technischen Phänomene der kulturellen Sphäre zurechnen. Kommt Geräusch und Technologie im Spiel zusammen, sind wir geneigt, es Musik zu nennen: Kunst-Musik oder zumindest Kultur-Musik.

Das Festival „Unmenschliche Musik – Kompositionen von Maschinen, Tieren und Zufällen“ balancierte genau auf den Grenzen zwischen Technologie, Natur und Kultur und stellt sich in der Form zwischen Ausstellung und Konzert dar. Es bieten sich Begriffspaare wie „performative Installation“ oder „interaktiver Klangraum“ an, um zu beschreiben, was da im Haus der Kulturen der Welt vor sich ging. Klänge auf der Suche nach den Anfängen und Enden der Musik.

Ich habe die Eröffnungsveranstaltung besucht und das Konzert von und mit Nobukazu Tekemura und dabei höchst unterschiedliche Eindrücke gewonnen. Zur Eröffnung ließ …
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30. Januar 2013 14:38:24

… retrograd: transmediale BWPWAP

transmediale2013_bwpwap_abstimmung
Mit gelben Karten gegen Pluto abstimmen.

Das Akronym BWPWAP (back when pluto was a planet) bezeichnet die Kurzform des diesjährigen, kuratorischen Konzeptes der transmediale 2013. Das Kürzel bildete sich in der Web-Sprache und bezieht sich auf den Statusverlust des Ex-Planeten Pluto, der 2006 demokratisch von offizieller Stelle, der Internationalen Astronomischen Union, zum Zwergplaneten herabgestuft wurde. Eine solche Rekategorisierung geschah übrigens schon öfters in der Geschichte der Astronomie und immer begründet durch neue Erkenntnisse, die alte Annahmen ablösten: Bis ins Jahr 1846 wurden insgesamt 13 Objekte als Planeten bezeichnet. Weil dann aber ab 1847 laufend neue Objekte zwischen Mars und Jupiter entdeckt wurden, führten Astronomen 1851 eine neue Kategorie ein: Die der Asteroiden (Planetoiden). Die Zahl der großen Planeten belief sich danach somit wieder auf acht. Plutos Schicksal ist also kein Einzelfall, was aber neu war 2006 ist, dass es das Internet gab. Global vernetzt und mit sentimentalem Hang erhob sich eine Welle des Mitgefühls für den kleinen verstoßenen Pluto, der in der solaren Großfamilie entrechtet wurde – wo der arme doch eh schon so weit weg von allen ist. Schnief.
Allerdings wurde ihm eine Ersatzfamilie angeboten, deren Chef er nun ist. Zusammengefasst wurden die „Plutoiden“ als Gruppe von trans-neptunischen Zwergplaneten, die jenseits von Neptun, dem
letzten Riesen im Sonnensystem, auf vereierten Bahnen umherschwirren.

Nun warum taugt diese Geschichte als Background für die transmediale 2013? Weil es im Kern um die Änderung der Perspektive geht, von der aus man etwas betrachtet und kategorisiert. Außerdem ist die Gesellschaft darauf angewiesen, sich den wertenden Blick von Experten ausrichten zu lassen, die den nicht-Experten sagen, wie ein Objekt oder ein Konzept einzuordnen und zu begreifen ist. In der Welt der Kunst leicht nachzuvollziehen durch die beliebte Frage „Ist das Kunst oder kann das weg?“, die nur von Sachverständigen, oder besser noch vom Erzeuger/Künstler selbst, zweifelsfrei geklärt werden kann. Und wo ein Experte eine Meinung vertritt, findet sich garantiert ein anderer Experte, der das genaue Gegenteil vertritt. In der Kunst wie in der Wissenschaft ist das der Normalfall, und in beiden Welten entscheidet mittelfristig die Zeit darüber, wer Recht hat. Landet ein umstrittenes Kunstwerk im Museum, weil es z.B. einen nachhaltigen Einfluss auf andere Künstler hatte, und bestätigt sich eine wissenschaftliche These durch die Forschungen nachfolgender Experimente? Beides kann der Fall sein und beides kann später widerlegt werden. In vielen Museen wird irgendwann aussortiert und weggeworfen, weil die zeitgenössische Kultur nichts mehr mit dem vormals gesammelten anfangen kann, und viele als gefestigt geltende wissenschaftliche Thesen wurden nach Jahrzehnten falsifiziert.

Dies alles wäre eine wunderbare kulturwissenschaftliche Basis, um darüber eine fantastische Ausstellung zu organisieren, doch leider erfüllt die transmediale 2013 BWPWAP diese Erwartung in keinster Weise. Es werden keine Perspektivwechsel erlebbar, keine Neuordnungen vorgenommen und keine inhaltlichen Diskussionen geführt, sondern es wird eine sentimentale und belanglose Sammlung von Retro-Kunst gezeigt. Kopierer, Kassettenrecorder und Fax-Geräte dürfen noch mal reüssieren, wobei man sagen muss, dass die Projekte in Form und Inhalt lange nicht an diejenigen herankommen, die zu Zeiten gemacht wurden, als die Apparate erfunden wurden und neue Möglichkeiten boten. Es scheint, dass der Blick nach vorn in einer zunehmend komplexen Welt immer weniger attraktiv ist und Künstler statt dessen lieber zurück zum analogen Low-Tech flüchten. Es ist eine mitfühlende Hinwendung zum alten Gerümpel, das nutzlos geworden scheint, aber im Blick der Künstler doch noch zu so vielem taugt. Natürlich ist auch das in gewisser Weise ein Perspektivwechsel, doch erfolgt dies spürbar im Gefühl, selbst in der rasenden technologischen Entwicklung der Welt zu unwichtigem Staub zermahlen zu werden. Genau wie das weltweit geäußerte Mitgefühl für den herabgestuften Pluto, entsteht beim Besuch der Ausstellung eher Mitleid für die Künstler, die sich quasi selber degradieren. Das Abwenden vom Neuen, könnte man allenfalls als anti-konsumistische Haltung verstehen, um aus dem Vorhandenen im Sinne der Ressourcenschonung zu schöpfen, doch auch davon ist nicht zu sehen.

In der Eröffnungsveranstaltung hingegen wurde von den Vortragenden ein ganz wunderbarer Moment der kulturellen Umdeutung inszeniert. Das Für und Wider der neuen oder alten Plutobetrachtung wurde exemplarisch durchexerziert und am Schluss durfte das Auditorium über den stellaren Status Plutos abstimmen (quasi in einer Art Reenactment zur IAU-Abstimmung von 2006): Die vorbereitete Resulotion zielte auf die Wiederherstellung des Planetenstauts für Pluto und der künstlerische Leiter der transmediale Kristoffer Gansing schien sich siegessicher. Doch es kam anders: Mit klarer Mehrheit wurde die Resolution abgelehnt. Das Publikum will nicht zurück, es will voran!

Bisher war ich manchmal der Meinung, der kuratorische Überbau zu transmedialischen Unternehmungen irrlichtere im Abwegigen, wobei sich die Kunst davon nicht all zu sehr verleiten ließ. Diesmal scheint es anders herum: Die Konzeption eröffnet einen höchst interessanten Raum, den die Kunst nicht zu bespielen vermag.

Website der transmediale 2013 BWPWAP

 

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15. Dezember 2012 14:05:08

… grenzüberschreitend: „Marina Abramović – The Artist is Present“ im Kino

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Sie hat all das getan, wovor wir Angst haben, was uns zu lange dauert, wovor wir zurückschrecken, wovor wir die Augen verschließen – gerade dem setzte sie sich aus, nahm es an, blickte ihm ins Auge, hielt es aus: als Kunstprojekt, als Performance, als extremes Wagnis – die große Marina Abramović.

Man muss ihre Performances, die sie seit den frühen 1970er Jahren, ja was: präsentiert? zelebriert? durchlitten? hat, nicht aufzählen, hier oder hier sind sie alle gelistet.
Erstaunlich allerdings, dass all diese so stark lokal und zeitlich situierten Performances jetzt doch musealisierbar sind, und noch erstaunlicher, dass Marina Abramović im Zusammenhang mit ihrer großen New Yorker Retrospektive vor zwei Jahren wieder eine Form der Performance gefunden hatte, die Ort und Zeit perfekt entsprach, zu sehen im Doku-Film „Marina Abramović – The Artist is Present“.

Kern der Retrospektive war eine zweieinhalbmonatige Präsenzperformance, bei der sie vom 14. März bis 31. Mai 2010 während der Öffnungszeiten des Museums of Modern Art – insgesamt also 736 Stunden – auf einem Stuhl saß und den Besuchern als Gegenüber, als Spiegel, als Projektionsfläche aller denkbaren Gedanken – für viele jedoch, man merkt es ihnen sogar im Film an, als emotionales Minenfeld – zur Verfügung stand: Man setzte sich hin und blickte sie an. Solange man wollte, konnte. Am Ende waren es 1565 Leute.

Im Sommer hat Abramovic den Plan für ein Performance Center nördlich von New York bekanntgegeben, das von Rem Koolhas und Shohei Shigematsu gebaut wird. Einzige Bedingung für künftige Besucher: Sie müssen sich verpflichten, mindestens sechs Stunden zu bleiben. “I’m asking you to give me your time, and if you give me your time, I give you experience.”

Wer für Marina A. 100 Minuten im Kino übrig hat, wird reich belohnt.

„Marina Abramovic – The Artist is Present“ zur Zeit noch in diversen Arthouse-Kinos in Berlin, bald sicher als DVD.

 

Kategorie:

Kino | Kunst | Performance

 

19. November 2012 14:26:41

… drei in eins: Stefanidad, Stefanie Giersdorf, Steff Hengge – offenes Atelier am Wochenende

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Erst- und letztmals öffnet die Künstlerin ihre weitläufige Kreuzberger Atelierwohnung und zeigt sämtliche Werkzyklen der letzten 10 Jahre in einer Ausstellung. Mitten im Gentrifizierungsprozess setzt Steff Hengge der monetär geleiteten Verdrängung, von der sie selbst betroffen ist, eine poetisch künstlerische Geste der Einladung entgegen. Im Spannungsfeld zwischen Marktdruck (Gewinnmaximierung) und Freigeist (Fülle aus Kreativität) notiert sie Gedanken, Bleiernes und leichte Skizzen, was in einem in Sanierung begriffenen Objekt besondere empathische Momente ermöglicht.
„Nichts steht geschrieben“ spielt und dokumentiert mit Bildern und Vorstellungen von (Im)Mobilität, Ewigkeit, Verstetigung, Verfall und dem Glauben an Erneuerung. Die Ausstellung schält eine ikonografisch-mythische Substanz aus dem täglich aufbrausenden Schwall an Nachrichten über Katastrophen, Banalitäten und Gefühligkeiten.
Parallel zum Austausch der Bewohner des Viertels wechselte auch Steff Hengge ihre künstlerischen Identitäten: Stefanidad, Stefanie Giersdorf, Steff Hengge.

Nur am Wochenende 24./25.11.2012 in der Skalitzer Staße 49, 10997 Berlin: Unbedingt anschauen!

Siehe Bilder, Objekte und Hefte auf der Website …

Mehr Fotos von der Ausstellung …

 

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1. September 2012 17:32:18

… Ackerland: „Hungry City“ im Kunstraum Kreuzberg – Landwirtschaft und Essen in der zeitgenössischen Kunst

soilkitchen

Unter dem Pflaster liegt leider nicht das Meer, sondern glücklicher Weise Ackerland!
Allerdings ist der Boden im urbanen Raum oftmals durch die Vorbelastung aus der Geschichte des Ortes schwer kontaminiert. Eines der sozialen Kunstprojekte, die in der Ausstellung „Hungry City“ gezeigt werden, geht dieses Problem direkt an und gibt der städtischen Bevölkerung in Philadephia ihren Boden zurück: „Soil Kitchen“ verkocht nicht etwa Dreck aus dem Hinterhof, sondern untersucht für Bürger kostenfrei Bodenproben. So wird transparent, wie verschmutzt oder sauber die verschiedenen Standorte sind und die Aktionskünstler thematisieren, bei Suppe aus Gemüse vom eigenen Acker, biologisch-ethische Ernährungsfragen, um so auf die amerikanische Nahrungskultur einzuwirken. In diese „Re-claim your city“-Richtung gehen noch weitere Projekte: Beispielsweise kann man bei „Kultivator“ Wurmbomben beziehen und mit den kleinen Viechern subversiv den Boden mittels „Guerilla composting“ rekultivieren.

Interessant und kuratorisch bemerkenswert ist, dass nicht nur auf die aktuelle Welle des „Urban Gardening“ eingegangen wird, sondern auch Pionierprojekte aus den 1970er und 80ern gezeigt werden – noch dazu diesseits und jenseits des eisernen Vorhangs. So wird inhaltlich wie ästhetisch eine große Breite an verschiedenen künstlerischen Positionen erlebbar.

Einige Arbeiten begnügen sich damit landwirtschaftliche Praktiken zu dokumentieren, was vielleicht im Sinne der Speicherung von Kulturgütern ein positiver Ansatz ist, allerdings im Ergebnis so einschläfernd, dass wohl diese Dokumentation der landwirtschaftlichen Kulturpraktiken schneller vergessen wird, als die Praktik selbst. Hier wurde leider das Problem der Weitergabe und des Zugangs zum angelegten Speicher an Wissen und Kulturgut nicht gelöst. Beispielhaft möchte ich hierfür das Projekt „WeFarm“ nennen, dass auf der TYPO Berlin 2012 von Nat Hunter vorgestellt wurde (im Video bei 21:36).

In den Gängen zur Ausstellung wurden von einer lokalen Aktionsgruppe, den „Gegnern des Hühneressens“ Plakate geklebt. Hier wird die Anschlussfähigkeit von moralisch-ethischen Essenstabus thematisiert, die üblicherweise religiös geprägt sind. Aber warum sollten die Menschen nicht genauso diskussionslos aus persönlichen, rein kulturell oder global-wirtschaftspolitisch motivierten Gründen mit dem Essen von Hühnern aufhören, und sich zu einer „Glaubensgemeinschaft“ zusammenfügen, die glaubt, dass es richtig ist, Hühner nicht zu essen? Ethisch überzeugend ist sicherlich einzig der Verzicht auf jegliches industriell produzierte Fleisch, uns sicherlich ist es einfacher die Menschen erst einmal Schritt für Schritt zum Verzicht zu bringen, der sich dann sehr schnell zu einem großem Gewinn für alle wandelt. Fangen wir also doch einfach mal mit Hühnern an!

Hungry City, 1. September bis 28. Oktober 2012, im Kunstraum Kreuzberg (Bethanienhaus), Mariannenplatz 2, 10997 berlin

Kuratiert von Anne Kersten in Zusammenarbeit mit Stéphane Bauer.
KünstlerInnen: Jekaterina Anzupowa (UA/DE), KP Brehmer (DE), Agnes Denes (US), Leticia El Halli Obeid (AR), Fallen Fruit (US), Fernando García-Dory (ES), Futurefarmers (Amy Franceschini, Dan Allende, Lode Vranken) (US), Tue Greenfort (DK/DE) Kultivator (SE), Kristina Leko (HR/DE), MyVillages.org (NL/DE/GB), Heinrich Riebesehl (DE), Antje Schiffers & Thomas Sprenger (DE), Bonnie Ora Sherk (US), Lukasz Skapski (PL), Åsa Sonjasdotter (SE/NO/DE), Daniel Spoerri/Tony Morgan (CH, GB), Ève K. Tremblay (CA/US/DE), Insa Winkler (DE)

Es gibt ein umfangreiches Aktionsprogramm rings um die Ausstellung.

 

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2. April 2012 00:52:05

… Kunst. Wahrheit. Wirklichkeit.

Art and Press. Internationale Künstler beziehen Position lautet der Titel einer der interessantesten Ausstellungen, die Berlin aktuell zu bieten hat. Als gelungenes Edutainment goes Art konzipiert, bietet die Schau viel Spannendes, Aufrüttelndes und Neugierigmachendes aus den Ateliers internationaler Künstler_innen, die sich, in 56 Stellungnahmen zur Zeitung als Medium der Aufklärung wie der Manipulation, als Inspiration und Denkraum, mit ihr als Material und Gegenstand der Kunst auseinandersetzen.

Ai Weiweis Rauminstallation aus einer erdbebenzerstörten Schule, in der 1000 junge Menschen starben, verweist auf eine Tragödie, über die die Presse Chinas nicht berichten durfte. Annette Messager montiert eine Le Monde Diplomatique über einem Ventilator: Dancing Newspaper steht für die Volatilität der Worte. Barbara Kruger füllt in Untitled einen ganzen Raum mit überdimensionalen Zeitungsartikeln zum Thema Migration. Gustav Metzger präsentiert in Eichmann and the angel die schusssichere Box, in der Adolf Eichmann während seines Prozesses in Israel saß, davor eine Wand aus Zeitungen. Faszinierend allein schon auf Grund von Größe und Positionierung im monumentalen Lichthof des Martin-Gropius-Baus ist Anselm Kiefers Kommentar zum Medienwandel, Die Buchstaben.

Die für mich gelungenste Kombination aus bezaubernder Ästhetik und politischem Statement ist William Kentridges Tide Table, ein wunderbares Bühnenbildtableau mit Licht- und Puppenspielen, die das mystische Afrika ebenso evozieren wie die Brutalität des Kolonialismus.

Teil 2 der von der Stiftung für Kunst und Kultur e.V. Bonn mit dem Medienpartner BILD präsentierten, und von RWE gesponserten Ausstellung ist der Historie gewidmet. Auf der Empore über dem Patio des MGB hängen jedoch nicht die Originale der Klassiker, die sich dem Thema Zeitung und Medien künstlerisch näherten – Cézannes Vater des Künstlers, Juan Gris’ Frühstück, Max Beckmanns Bildnis Minna Beckmann u.a.m. – sondern iPads, auf denen die Bilder und ergänzende Informationen zu Werk und Autor abrufbar sind. Überdies hat man von oben noch einmal einen schönen Blick auf Anselm Kiefers raumfüllende Arbeit, die es mir – Sie merken es – besonders angetan hat.

Statistisch, so lernte ich kürzlich auf einer Tagung, verbringt der/die Museumsbesucher_in im Durchschnitt zwei Stunden in einer Ausstellung. Wenn man Art and Press so richtig genießen möchte – und die Schau ist es wert! – sollte man mehr Zeit einplanen. Zu sehen ist übrigens auch Gerhard Richters Acht Lernschwestern. Falls jemand das alberne Schlangestehen rund um die Nationalgalerie gegen einen relaxten Besuch im Martin-Gropius-Bau aufgeben mag … Wobei man in der Schlange natürlich selbst zum Teil des manchmal seltsamen Verhältnisses von Presse und Kunst wird. Schließlich stehen die Massen immer vor der Ausstellung Schlange, um die die Medien den größten Hype generieren.

Art and Press. Internationale Künstler beziehen Position ist noch bis zum 24. Juni im Martin-Gropius-Bau zu sehen. Zur Ausstellung erscheint ein Katalog im Wienand Verlag.

 

 

2. April 2012 00:12:42

… Pacific Standard Time

Jedenfalls gilt diese für die großen, bunten Bilder und Mixed Media Arbeiten, die amerikanische Künstler_innen zwischen 1950 und 1980 in, für oder inspiriert von Los Angeles schufen, und die noch bis zum 10. Juni im Martin-Gropius-Bau zu sehen sind. Es ist eine beeindruckende und vielfältige Schau des Getty Research Institute und des J. Paul Getty Museum, deren einzige europäische Station Berlin ist. Präsentiert werden über 70 Werke von 40 namhaften und – hier jedenfalls – weniger bekannten Kreativen, darunter Klassiker wie John Baldessari, David Hockney, Edward Kienholz, Bruce Nauman und Ed Ruscha. Sorgfältig thematisch sortiert nach Stil, Medium oder Trend. Konzeptkunst, Pop Art, Installation, Fotografie und mehr. Viel Sonne im Golden State an der US-amerikanischen Westküste inspiriert zu farbenfroher und variantenreicher Kunst. Dabei kommen die politische Kunst und die künstlerische Auseinandersetzung mit sozialen Fragen keineswegs zu kurz. In einem eigenen Raum finden sich Berliner Visionen von Sam Francis und Edward Kienholz, die auch in und für Berlin Kunst gestalteten.

In einer Ausstellung in der Ausstellung thematisieren die Grüße aus LA mit weiteren 200 Exponaten die Beziehung zwischen Kunst und Gesellschaft: Gezeigt werden Kataloge, Postkarten, Briefe und weiteres Dokumentarisches. In einem weiteren Addendum sind die schönen S/W- Aufnahmen des Architekturfotografen Julius Shulman zu sehen.

Pacific Standard Time. Kunst in Los Angeles 1950-1980 schafft es tatsächlich, an einem von Graupelschauern durchsetzten Vorfrühlingsnachmittag etwas Licht, Sonne und Palmenrauschen aus Kalifornien nach Berlin zu bringen. Die lichte Leichtigkeit, die die Arbeiten transportieren, weckt zugleich (mindestens) einen Tick Fernweh. Während ich mich darüber freue, nächste Woche selbst in Kalifornien zu sein, setzt ein kleines Mädchen mit einem roten Anorak die Inspiration durch Lebensfreude selbst kreativ um: Sie nutzt Mary Corses Untitled (White Light Grid Series VI) als reflektierende Kulisse für Schattenspiele. Mixed Media of the coming generation!

 

 

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