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Archiv der Kategorie ‘Literatur‘

14. September 2011 20:21:07

… nicht Wien: Buchvorstellung im Österreichischen Kulturforum mit Eva Menasse und Thomas Kapielski

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Nach der Lesung im Gespräch von links nach rechts: Der Verleger Joachim Otte, die Autorin und „Patin“ des Buches Eva Menasse und der Berliner Autor Thomas Kapielski

Das war schon recht amusant, wie gestern Abend im Österreichischen Kulturforum bei der Buchvorstellung „Wien, küss die Hand, Moderne.“ zwischen Wien und Berlin kleine zänkische Nettigkeiten ausgetauscht wurden. Schon der österreichische Kulturattaché Wilhelm Pfeistliger brillierte mit einer wortverliebten Eingangsrede über den lebendigen Tod und im unsterblichen Wien (schade, dass sie niergend veröffentlicht wird) und die folgenden Lesungen der beiden Autoren Eva Menasse und Thomas Kapielski brachten zwei ganz unterschiedliche Annäherungen ans Thema „Wien“ auf die Bühne. Einmal aus der Sicht einer, die Wien wohlüberlegt verlassen hat und halb wehmütig und halb erleichtert zurück blickt, und einmal von einem, der als Kaffeetester extra hingeschickt wurde und den nach einiger Zeit der heiße Mokkafuror trieb.

Der Kapielski-Text über einen 3-tägigen Dauertest in unzähligen Wiener Kaffeehäusern kann man auch beim Österreichischen Standard nachlesen. Dort im Schriftbild leider schwer zu lesen, im Vortrag des Autors war’s aber höchst amüsant.

Das Buch ist im Corso Verlag erschienen.

 

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6. März 2011 11:25:21

… erstaunlich: „The New York Times“ entdeckt jetzt Fallada

In der vergangenen Woche entdeckte ich ihn im Schaufenster eines Bücherladens: Hans Falladas Roman „Jeder stirbt für sich allein“. „Ein literarisches Großereignis“ meint dazu „The New York Times“ auf dem Werbeflyer des Aufbau-Verlages. Ich habe das Buch (Aufbau-Verlag Berlin und Weimar 1. Auflage 1981) schon vor einigen Jahren gelesen. Die Erstausgabe erschien 1947 ebenfalls dort.

Einige kennen ihn gar nicht: Hans Fallada (Rudolf Ditzen). Er schrieb in „Ein Mann will nach oben“ so anschaulich über Berlin, als ob er immer in dieser Stadt gelebt hätte. Wenn man eines seiner Bücher, wie eben jenes über das Berlin rund um den Stettiner Bahnhof (heute DB-Neubauten bzw. Nordbahnhof) oder anderes gelesen hat, wird man viele seiner Helden nicht mehr vergessen: Pagel, Lämmchen, Karl Siebrecht, Anna und Otto Quangel und viele andere. Seine Protagonisten haben immer etwas von ihm, von seinem Leben voller existentieller Unsicherheit, Verzweiflung, Sehnsucht, Lust, aber auch der Gutwilligkeit und Gutgläubigkeit. Hans Fallada erzählt in seinen Romanen über das flirrende oder ganz gewöhnliche Leben, er läßt Menschen abstürzen und wieder aufstehen, durchmisst die Irrungen, Ängste und die Not eines Getriebenen, der er selber immer war. Aber er beschreibt auch den Optimismus, das Streben und Glück seiner Helden, dieses wunderbare Durchhalten und Ankommen, welches er mit lebendiger und oft meisterhafter Sprache dem Leser ans Herz führt. Fallada selbst war anscheinend immer nur Gast in seinen Lebensstationen, in Verzweiflung und verzehrendem Suchen nach Halt. Was er sich im Leben in nur geringem Maße schuf und fand, lebt in seinen Büchern. Fast möchte man meinen: Je schlechter es in und um ihn war, umso besser schrieb er.

Hier nur Beispiele: In „Der eiserne Gustav“ läßt Fallada seinen Held Gustav Hackendahl in der Zeit des aufkommenden und obsiegenden Automobils mit der Droschke von Berlin nach Paris kutschieren. Der alte Hackendahl will sich mit Tradition gegenüber dem Neuen behaupten, seiner Familie auch weiterhin Halt und Vorbild sein. Wolfgang Pagel – in der Verfilmung (TV DDR) von „Wolf unter Wölfen“ (1965) mit dem jungen Armin Mueller-Stahl – schlägt sich in der Zeit der Inflation und Wirtschaftskrise 1922/23 durch das Leben und gerät in die Wirren dieser Zeit. „Kleiner Mann, was nun“, der Roman, durch den Fallada weltberühmt wurde und der von der zähen Überlebenskraft der „kleinen Leute“ erzählt (TV DDR 1967 mit der großartigen Jutta Hoffmann als Lämmchen, TV BRD 1973) und schließlich „Jeder stirbt für sich allein“, 1947 in wenigen Wochen geschrieben. Dieser Roman erzählt in dichter Form – teilweise auf Tatsachen beruhend – über ein älteres Berliner Ehepaar, welches in der Nazizeit seinen persönlichen Widerstand geleistet hat. Dieses Buch – Fallada schrieb es, obwohl bereits sehr krank – ist spannend wie ein Krimi – es wurde in BRD/DDR insgesamt dreimal verfilmt – aber schlussendlich auch ein Leseereignis bedrückendster und berührenster Art. Der, durch Ereignisse der letzten 22 Jahre nun andere, Aufbau-Verlag hat jetzt dieses Buch in „ungekürzter Originalfassung“ (Aufbau-Verlag) herausgebracht.

Fallada starb 1947. Seine Bücher sind aber auch heute lesenswert, einige Filme in jeder guten Videothek auszuleihen. Abschließender Tipp: Der Besuch der Hans-Fallada-Gedenkstätte in Carwitz (Nähe Feldberg) und der schönen Umgebung ist empfehlenswert.

 

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16. Februar 2011 09:49:15

… wörtlich: Gysi, Gast und Goldfisch

„Im Anfang war das Wort“. (Ein Satz wie ein Felsen). „Rede mit mir“, bittet der fremdgängerische Mann seine Ehefrau. „Der Worte sind genug gewechselt, lasst mich auch endlich Taten sehen!“, meint Goethes Direktor im „Faust I“. Widersprüchliches: Halte den Mund, aber gib mir Dein Wort. Thomas Gottschalk macht nun beides und beendet seine „Wetten das“-Laufbahn, die ja auch vor allem eine Lizenz zum Reden, zum Fragen enthielt.

Das Deutsche Theater veranstaltet seit geraumer Zeit die Gesprächsreihe „Gregor Gysi trifft Zeitgenossen“. Gysi und sein jeweiliger Gast präsentieren sich an ausgewählten Sonntagen um 11.00 auf der Bühne und reden miteinander. Zeugen dieses Gesprächs sind zwei, munter in einem Aquarium schwimmende, Goldfische und ein, in aller Regel, vollbesetzter Zuschauersaal. Gysi gibt hier nicht den Parteipolitiker, sondern nahezu ausschließlich den freundlichen, gut vorbereiteten Gastgeber, der sowohl dem Bühnenquartett, als auch dem Publikum das Gefühl vermittelt, einem besonderen Sonntagvormittag beizuwohnen. Auf der Bühne regiert die höfliche Distanz, die bohrende Frage, das nachdenkliche Gesicht, der übersprudelnde Mund, das phänomenale Gedächtnis, die überraschende Information, der gut erzählte Witz, die genuschelte Erklärung, die stumme Betroffenheit und manchmal ein reiches, im Zeitraffer erzähltes, Leben. Ein einziger Mensch steht hier im Mittelpunkt und ein anderer – jenseits aller Hektik – befragt ihn. Gysi hangelt sich mit seinen Fragen am Lebenslauf seines Partners entlang, besucht auch die Nebenstationen und hinterfragt Motive und Gefühle. Das ermöglicht Aufmerksamkeit, füllt die Bühne und beansprucht Kopf und Herz des Zuschauers hinreichend. Das Gespräch bringt ihn zum Staunen, Nachdenken, Lachen und entlässt ihn nach gut zwei Stunden verändert in den Tag.

Die Liste der bisher eingeladenen Gäste ist lang und vielsagend. Um nur einige zu nennen: Klaus Maria Brandauer, Kurt Maetzig, Peter Scholl-Latour, Wladimir Kaminer, Hape Kerkeling, Thomas Langhoff, Wolfgang Kohlhaase, Roger Willemsen und jüngst Mario Adorf. Besonders interessant war es immer dann, wenn dem Prominenten etwas entlockt werden konnte, was er nicht schon mal im Fernsehen von sich gegeben hat. Das gelingt oft gut, denn eine Kamera ist hier nicht dabei. Eine überproportionierte Selbstdarstellung musste man bei dieser Gesprächsreihe bisher selten erleben, aber auch sie gehöre dazu.

Die Veranstaltungen sind, wie nicht verwunderlich, lange vor dem Termin ausverkauft. Dass ich mit diesem Text die Karten-Chancen nicht gerade verbessere, liegt auf der Hand. Aber: Auf Qualität muss man hinweisen. Das nächste Gespräch findet am 27. März 2011 statt. (Eintritt: 8,- €uro) Gast ist der frühere sowjetische Botschafter (1971-78 in der BRD), Diplomat und jetzige Journalist Valentin Falin.

 

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21. Dezember 2010 09:33:47

… nachdenkend: Über Tucholsky

Nach ihm sind in Berlin heutzutage Schulen, Straßen, Büchereien und sogar Gaststätten benannt, letzteres hätte ihm vielleicht besonders gefallen. Kurt Tucholsky wurde am 9. Januar 1890 im Stadtteil Moabit geboren. Er liebte seine Stadt und die Menschen, wenn auch nicht jedermann und zu allen Zeiten. Das er, trotz gutbürgerlicher Umgebung, in der er aufwuchs, auch von den einfachen Leuten wusste, zeigt z.B. sein Gedicht „Danach“, das auch heute noch viele kennen. Aber auch dem – alle Gesellschaftsordnungen überlebenden – gemeinen Arschkriecher (Homo Sapiens Anusensis) hat er mit „Karrieren“ (1930) ein paar markante, bleibende Zeilen hinterlassen. Was mir bei Tucholsky besonders gefällt: Dass er in seinem Schaffen auch ab und an mal berlinerte, so wie u.a. in seinem, ebenfalls zeitlosen, Gedicht „Beit Friehstick“ (1931) so wunderbar vorgeführt. Alles in allem: Der Mann hat als Journalist und Schriftsteller sein Wort immer dort eingesetzt, wo ihm etwas auf- oder gefiel, aber auch dort, wo irgendetwas stank. Politisch war der „… kleine, dicke Berliner …“ (Kästner) ganz und gar nicht gemütlich, wenn es gegen Duckmäusertum, manch sogenannten Konservativen, Kadavergehorsam, Spießertum, Beamtenanmaßung, einäugige Justiz, Militarismus (hierzu u. a. das eindringliche „Drei Minuten“ aus dem Jahr 1922) und insbesondere den heraufziehenden Faschismus ging. Seine Texte in den 20-er und 30-er Jahren des vergangenen Jahrhunderts waren mal Florettstiche, oft aber Säbelhiebe gegen die Herrschenden und ihr Verwaltungspersonal.

Er schrieb ein manchmal ironisches, immer reiches, insgesamt exzellentes Deutsch, welches sogar verstanden wurde.  Von seinen Gegnern nur zu gut, deshalb hassten sie ihn auch. Seine Romane (erfreulich kurz, dennoch gut), Reportagen, Feuilletons, Rezensionen (verwiesen sei auf seine Reihe „Auf dem Nachttisch“, wo er unregelmäßig Bücher damals aufstrebender Schriftsteller, wie z.B. B.Traven besprach) und Gedichte sind auch heut noch höchst lesenswert, einige sogar aktueller denn je. „Soldaten sind Mörder“, schmetterte er in „Der bewachte Kriegsschauplatz“ unter dem – er schrieb unter weiteren – Pseudonym Ignaz Wrobel 1931 aus der Zeitschrift „Die Weltbühne“ den Generälen an den Kopf. Was könnte man dem heute, bezogen auf die vielen toten Zivilisten in den Kriegen von Nahem Osten, Irak und Afghanistan, entgegenhalten? Nichts.

Tucholsky schrieb nicht nur gut und viel – es wurde auch publiziert und so lebte er zumindest zeitweise in gesicherten ökonomischen Verhältnissen. Das hinderte ihn – das Gegenteil von einem Sozialromantiker – nicht daran, sich mit den Problemen der Arbeiter und ihrer Familien schreibend immer wieder intensiv zu beschäftigen (z.B. „Bürgerliche Wohltätigkeit“ – 1929) und für sie Partei zu ergreifen. Das unterschied ihn übrigens auch von manchen heutigen Zeitgenossen (mit stabilem Einkommen), die sich mit den Kategorien Armut, Benachteiligung und Solidarität möglichst nur zu den angesagten Charity-Tagen beschäftigen wollen.

Tucholsky war ein vielseitiger Schreiber. Obwohl selbst ein linker Demokrat, hat kaum jemand davor oder danach die Demokraten (Sozialisten) so auseinander genommen, wie er,  z.B. in „Der Geschlechtslose“ (1924) oder „Feldfrüchte“ (1926). Andererseits: Wem gelang schon bis dahin eine so originelle und luftige Großstadtliebesgeschichte, obwohl sie ja im brandenburgischen handelt, wie „Rheinsberg – ein Bilderbuch für Verliebte“ (1912). Wer sonst noch hat dem Fühlen und Sprechen der einfachen Berliner ein so zurückhaltendes und gleichzeitig berührendes Denkmal gedichtet, wie er, in „>Mutterns Hände“ (1929).

Tucholsky – weil hoch gebildet und kompromisslos, zudem Einzelkämpfer – gehörte zu jenem Typ von Leuten, die sich letztlich in keiner Partei (obwohl kurzzeitig SPD/USPD-Mitglied) wohl fühlen, die aber auch keine Partei haben will. Obwohl er in den letzten zehn Jahren seines Lebens überwiegend im Ausland lebte, waren seine Analysen und Prognosen der deutschen Verhältnisse präzis und beinahe beängstigend wahr. Er wirkte bis 1932 mit Stimme und Schreibgerät gegen die, welche Deutschland in die Katastrophe führten, versuchte aber auch jene aufzurütteln, die „nur mitliefen“. Das gerade letzteres überwiegend erfolglos blieb, deprimierte ihn. Am meisten litt Kurt Tucholsky zeitlebens wohl darunter, dass sein Wunsch nach politischen Veränderungen nicht den entscheidenden Widerhall fand, der ihm auf literarischem Gebiet zweifellos beschieden war.

Mit der Machtergreifung der Nazis wurden auch seine Bücher auf dem jetzigen Berliner Bebelplatz verbrannt. Anschließend vergaßen ihn die meisten Deutschen für einige Jahre.

Zuletzt verließ den streitbaren, aber zunehmend innerlich einsamen und kranken Mann der Mut und er schwieg, am Ende aus seinem (faktischen) Exil in Hindas/Schweden. Am 21. Dezember 1935, also heute vor 75 Jahren, schied Tucholsky aus dem Leben und wurde in Mariefred, nicht weit von „seinem“ „Schloss Gripsholm“ (erschienen1931) beerdigt.

(Fakten und Daten vor allem aus: Kurt Tucholsky, Gesammelte Werke, Band 1-10, rororo, Sonderausgabe 1995)

 

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13. Dezember 2010 17:10:43

… zweimal Benn: einmal gut, einmal nicht

Zwei neue Bücher zu Benn, Biografisches. Man nähert sich skeptisch diesen Sachen, da alles gesagt scheint, Neues kaum zu erwarten und die Kanonisierung Benns endgültig vollzogen ist – obwohl oder gerade weil er so lange Zeit so unkanonisierbar schien. Aber seit Theweleits Kanonade mit Blumen, seit der feurigen Biographie von Fritz J. Raddatz und Helmut Lethen weiß jeder, dass die Trias der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts Rilke – Brecht – Benn heißt. Wer von den Jahrgängen 1900 bis 1950 dazukommt, wird sich herausstellen, es sieht außer für Enzensberger für niemanden gut aus. Wir bitten die Anhänger Celans, Nelly Sachs’ oder Bachmanns, die Kärtchen einzureichen. (Bobrowski? Rühmkorf?)

Joachim Dyck verfolgt „Benn in Berlin“, das riecht nach veritabler Biographie, hat Gottfried Benn doch den allergrößten Teil seines Lebens (1886 bis 1956) in Berlin verbracht (1904 bis 1956, sieht man von soldatischen Pflichten in zwei Kriegen sowie von zwei Jahren Hannover ab). Dyck malt tatsächlich das übliche Bild, alles bekannt, vielleicht hat er noch winzige Details dazugetuscht, belanglos, denn das Buch hat eine ganz andere Stoßrichtung – es versucht eine Art später Entnazifierung Benns durch pures Verschweigen. Das ist peinlich weil unnötig, hat Benn doch gerade durch seine Haltung zur Kernfrage des Deutschseins im 20. Jahrhunderts –Totalitarismus / Politisierung der Künstler und Intellektuellen / Habitus des Verschweigens – den Status erreicht, den er unwideruflich hat.

Jeder weiß, dass das deutsche Debakel, die deutsche Katastrophe und das deutsche Verhängnis mitten durch den ewig müden Arzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten Gottfried Benn ging. Und seither weiß jeder, … Weiterlesen

 

 

3. Oktober 2010 21:41:06

… am Ende des Sommers

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Ein Sprungturm. Ein Schwimmbad. Die letzten Tage, bevor der Sommer vorbei ist. Der Jahrhundertsommer. Der Monstersommer. Tödlmayer, der Kollege, ist im Krankenstand. So arbeitet der Ich-Erzähler allein. Die wenigen Tage bis Saisonende sollte das gehen. Meint die Verwaltung. Und eigentlich gibt es auch nur noch einen Badegast. Das Alter Ego des Protagonisten. Verkörperung all dessen, was dieser nicht ist. Schwimmmeister. Schwimmlehrer. Wasserscheu. Sportler. Retter. Schwuler. Schüchterner. Muttersohn. „Joe“ bringt die Erinnerung an einen Vater, auch Bademeister, der sich in eine andere Frau verliebte und fort ging. Oder ertrank? Im Suff? An die Mutter, die Baumann aus der Schweiz heiratete, der seinen Sohn mit in die Ehe bringt. „Tommy, can you hear me?“ spricht praktisch nicht, aber er hat einen mächtigen, prächtigen Schwanz. Wird zum Zwillingsstiefbruder. Zur anderen Hälfte vom Ich.
Es wimmelt von Bademeistern und surrealistischem Blau. Es gibt einen verlassenen Bademantel, und den Kranich. Der letzte Badegast ist ein lyrischer Traum-Albtraum, ein fein gewebtes Wortspiel, ein Memoir und genialer Ausdruck eines Sommerendes. Der Autor, Hugo Ramnek, Jahrgang 1960, wurde 2008 für seine satirische Fabel Das Letzte von Leopold mit dem Preis des Kärtner Schriftstellerverbandes ausgezeichnet. 2009 gewann er in Salzburg den erostepost-Literaturpreis für die beste erotische Geschichte.
Der Wieser Verlag lockt mit einem fotografischen Einband, der sich elegant-dezent von der üblichen neutralen Farbgebung der immer schmuckvollen Bücher, die wir sonst aus Klagenfurt bekommen, abhebt. Locken lassen, wäre meine Empfehlung. Dieses Buch verführt in zahllose Geschichten hinein. Endlosigkeit da, wo das Ende unumstößlich fest steht und so gewiss ist, wie der letzte Badegast am Ende der Freibadsaison … des Lebens.

Hugo Ramnek, Der letzte Badegast
Roman, Wieser Verlag, Klagenfurt/Österreich, 2010

 

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Literatur

 

20. September 2010 14:36:55

… voller Worte. internationales literaturfestival berlin noch bis zum 25. September 2010

September. Literaturfestivalzeit in Berlin. Über 200 Autorinnen und Autoren sind es in diesem Jahr, die zwischen dem 15. und dem 25.9.2010 ihre Texte und Ideen im Haus der Kulturen der Welt, dem Deutschen Theater, dem Babylon, dem Collegium Hungaricum u.a. schönen Orten präsentieren. Gespräche, Lesungen, Debatten, Konzerte, eine Tagung zur Verfolgung der SchriftstellerInnen durch die Geheimdienste und die Aufarbeitung der Vergangenheit in Mittel- und Osteuropa. Das Angebot ist groß.

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Literatur

 

21. September 2009 09:19:05

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Im neuen Brenner, dem siebten – und den sollte es eigentlich gar nicht geben, denn der Autor hatte angekündigt, nach dem sechsten, Das ewige Leben, sei Schluss und es gebe keine weiteren Brenners; wir dürfen aber annehmen, dass der Brenner ganz einfach von Wolf Haas, dem Autor, sozusagen Besitz ergriffen hat und der Haas anders gar nicht mehr konnte als weiterschreiben; und wenn man den siebten, Der Brenner und der Liebe Gott, gelesen hat, versteht man das sofort – im neuen Brenner also gibt es eine Menge Neues, zum Beispiel die der deutschen Sprache bisher nicht recht bekannten oder zumindest nicht bewussten Begriffe Aufwachdusel, Ewigkeitsmücke, Lebensrostschüssel, Stänkerlautstärke, Bierkistenintrige und – Achtung! – Testgauner !!! Testgauner ist auf Seite 78, und da steckt der Brenner – inzwischen Chauffeur beim Industriellen Kressdorf, dessen kleine Tochter er andauernd von Wien nach München bzw. zurück fahren muss; auf Seite 78 allerdings ist er dann schon nicht mehr Chauffeur, weil er da bereits gefeuert wurde, man hatte ihm nämlich die kleine Helena aus dem BMW entführt – also da steckt der Brenner in einem echten Schlamassel, aus dem er erst nach vielen Mühen und sieben Toten wieder herausfindet, frage nicht (wie der Wolf Haas, der Autor, das gerne hier und da dran setzt ans Satzende, damit wir nicht fragen; oder „Aber jetzt pass auf, weil das ist interessant!“, bevor was Interessantes kommt, obwohl eigentlich nie was nicht Interessantes kommt.
Natürlich hat’s auch Philosophisches wie immer beim Brenner, etwa da … Weiterlesen

 

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Gewalt | Literatur

 

12. März 2009 19:17:18

… Daniela Comani bei Laura Mars: Gender-Interventionen ganz ohne Geschlechterkampf

Das muss man gelesen haben: „Die Frau ohne Eigenschaften“ von Robert Musil.

Daniela Comani stellt in der Galerie Laura Mars „Neuerscheinungen“ aus. Zu sehen sind eine Menge Buchtitel, die alle einen winzigen Unterschied gegenüber den Originalen haben: Alle Angaben in den Buchtiteln, die sich auf das Geschlecht beziehen wurden umgedreht. Die technisch perfekten Manipulationen sind meist kaum zu bemerken, doch man hat immer das Gefühl, etwas stimmt nicht mit den abgebildeten Büchern, die zusammen so etwas wie den Kanon der Weltliteratur abgeben. Für mich erstaunlich ist, dass die zunächst banal erscheinende Umkehrung, doch eine sehr große Wirkung entfacht. Man fragt sich natürlich sofort, was Musil über „die Frau ohne Eigenschaften“ geschrieben hätte, was „Monsieur Bovary“ erlebt hätte, ob Hemingways Geschichte über die „Old Woman and the Sea“ auch eine Geschichte einer Anglerin geworden wäre, im Kampf um den Marlin und gegen die Kraft der Natur. Es ist nur der berühmte kleine Unterschied und schon steht die Weltliteratur kopf. Kleine Manipulation – große Wirkung.

Leider schon fast wieder vorbei: Noch bis 14. März 2009 bei LAURA MARS GRP.
Sorauer Str. 3, 10997 Berlin

 

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5. Januar 2009 00:36:36

… zitiert: Sätze der Jahreswende

Zwei Sprüche, auf die ich in der letzten Zeit gestoßen bin, blieben mir im Sinn:

„Das sehe ich erst, wenn ich es glaube.“
Aus Brooklyn Revue von Paul Auster.

„Dass der Mensch nach dem Bilde Gottes geschaffen wurde, bedeutet in Wirklichkeit, dass Gott nach dem Bilde des Menschen geschaffen wurde“.
Sinngemäß ein Aphorismus von Georg Christoph Lichtenberg aus Marcel Reich-Ranickis Mein Leben.

Auch die letzte besinnliche Weihnachtszeit hat wohl keinen Gläubigen aus mir gemacht.

 

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Alltägliches | Literatur

 

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