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Archiv der Kategorie ‘Musik‘

30. Januar 2013 14:38:24

… retrograd: transmediale BWPWAP

transmediale2013_bwpwap_abstimmung
Mit gelben Karten gegen Pluto abstimmen.

Das Akronym BWPWAP (back when pluto was a planet) bezeichnet die Kurzform des diesjährigen, kuratorischen Konzeptes der transmediale 2013. Das Kürzel bildete sich in der Web-Sprache und bezieht sich auf den Statusverlust des Ex-Planeten Pluto, der 2006 demokratisch von offizieller Stelle, der Internationalen Astronomischen Union, zum Zwergplaneten herabgestuft wurde. Eine solche Rekategorisierung geschah übrigens schon öfters in der Geschichte der Astronomie und immer begründet durch neue Erkenntnisse, die alte Annahmen ablösten: Bis ins Jahr 1846 wurden insgesamt 13 Objekte als Planeten bezeichnet. Weil dann aber ab 1847 laufend neue Objekte zwischen Mars und Jupiter entdeckt wurden, führten Astronomen 1851 eine neue Kategorie ein: Die der Asteroiden (Planetoiden). Die Zahl der großen Planeten belief sich danach somit wieder auf acht. Plutos Schicksal ist also kein Einzelfall, was aber neu war 2006 ist, dass es das Internet gab. Global vernetzt und mit sentimentalem Hang erhob sich eine Welle des Mitgefühls für den kleinen verstoßenen Pluto, der in der solaren Großfamilie entrechtet wurde – wo der arme doch eh schon so weit weg von allen ist. Schnief.
Allerdings wurde ihm eine Ersatzfamilie angeboten, deren Chef er nun ist. Zusammengefasst wurden die „Plutoiden“ als Gruppe von trans-neptunischen Zwergplaneten, die jenseits von Neptun, dem
letzten Riesen im Sonnensystem, auf vereierten Bahnen umherschwirren.

Nun warum taugt diese Geschichte als Background für die transmediale 2013? Weil es im Kern um die Änderung der Perspektive geht, von der aus man etwas betrachtet und kategorisiert. Außerdem ist die Gesellschaft darauf angewiesen, sich den wertenden Blick von Experten ausrichten zu lassen, die den nicht-Experten sagen, wie ein Objekt oder ein Konzept einzuordnen und zu begreifen ist. In der Welt der Kunst leicht nachzuvollziehen durch die beliebte Frage „Ist das Kunst oder kann das weg?“, die nur von Sachverständigen, oder besser noch vom Erzeuger/Künstler selbst, zweifelsfrei geklärt werden kann. Und wo ein Experte eine Meinung vertritt, findet sich garantiert ein anderer Experte, der das genaue Gegenteil vertritt. In der Kunst wie in der Wissenschaft ist das der Normalfall, und in beiden Welten entscheidet mittelfristig die Zeit darüber, wer Recht hat. Landet ein umstrittenes Kunstwerk im Museum, weil es z.B. einen nachhaltigen Einfluss auf andere Künstler hatte, und bestätigt sich eine wissenschaftliche These durch die Forschungen nachfolgender Experimente? Beides kann der Fall sein und beides kann später widerlegt werden. In vielen Museen wird irgendwann aussortiert und weggeworfen, weil die zeitgenössische Kultur nichts mehr mit dem vormals gesammelten anfangen kann, und viele als gefestigt geltende wissenschaftliche Thesen wurden nach Jahrzehnten falsifiziert.

Dies alles wäre eine wunderbare kulturwissenschaftliche Basis, um darüber eine fantastische Ausstellung zu organisieren, doch leider erfüllt die transmediale 2013 BWPWAP diese Erwartung in keinster Weise. Es werden keine Perspektivwechsel erlebbar, keine Neuordnungen vorgenommen und keine inhaltlichen Diskussionen geführt, sondern es wird eine sentimentale und belanglose Sammlung von Retro-Kunst gezeigt. Kopierer, Kassettenrecorder und Fax-Geräte dürfen noch mal reüssieren, wobei man sagen muss, dass die Projekte in Form und Inhalt lange nicht an diejenigen herankommen, die zu Zeiten gemacht wurden, als die Apparate erfunden wurden und neue Möglichkeiten boten. Es scheint, dass der Blick nach vorn in einer zunehmend komplexen Welt immer weniger attraktiv ist und Künstler statt dessen lieber zurück zum analogen Low-Tech flüchten. Es ist eine mitfühlende Hinwendung zum alten Gerümpel, das nutzlos geworden scheint, aber im Blick der Künstler doch noch zu so vielem taugt. Natürlich ist auch das in gewisser Weise ein Perspektivwechsel, doch erfolgt dies spürbar im Gefühl, selbst in der rasenden technologischen Entwicklung der Welt zu unwichtigem Staub zermahlen zu werden. Genau wie das weltweit geäußerte Mitgefühl für den herabgestuften Pluto, entsteht beim Besuch der Ausstellung eher Mitleid für die Künstler, die sich quasi selber degradieren. Das Abwenden vom Neuen, könnte man allenfalls als anti-konsumistische Haltung verstehen, um aus dem Vorhandenen im Sinne der Ressourcenschonung zu schöpfen, doch auch davon ist nicht zu sehen.

In der Eröffnungsveranstaltung hingegen wurde von den Vortragenden ein ganz wunderbarer Moment der kulturellen Umdeutung inszeniert. Das Für und Wider der neuen oder alten Plutobetrachtung wurde exemplarisch durchexerziert und am Schluss durfte das Auditorium über den stellaren Status Plutos abstimmen (quasi in einer Art Reenactment zur IAU-Abstimmung von 2006): Die vorbereitete Resulotion zielte auf die Wiederherstellung des Planetenstauts für Pluto und der künstlerische Leiter der transmediale Kristoffer Gansing schien sich siegessicher. Doch es kam anders: Mit klarer Mehrheit wurde die Resolution abgelehnt. Das Publikum will nicht zurück, es will voran!

Bisher war ich manchmal der Meinung, der kuratorische Überbau zu transmedialischen Unternehmungen irrlichtere im Abwegigen, wobei sich die Kunst davon nicht all zu sehr verleiten ließ. Diesmal scheint es anders herum: Die Konzeption eröffnet einen höchst interessanten Raum, den die Kunst nicht zu bespielen vermag.

Website der transmediale 2013 BWPWAP

 

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24. April 2012 13:53:34

… verbindend: Großer Abend mit Jordi Savall im Konzerthaus Berlin

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Am Sonntag war ich seit Langem mal wieder im Konzerthaus Berlin in dem Konzert Mare Nostrum das unter der Leitung und Mitwirkung des bekannten Multiinstrumentalisten Jordi Savall im Rahmen des des Festivals „zeitfenster, VI. Biennale Alter Musik“ stattfand. Der Abend war als Dialog der christlichen, sephardischen, ottomanischen und arabo-andalusischen Musik im Mittelmeerraum angelegt, und wurde zu einer musikalischen Rundreise ums Mittelmeer, das die Römer zur Zeit ihres „Weltreiches“ Mare Nostrum nannten. Tatsächlich fühlte ich mich zeit- und räumlich in eine andere, entfernte und doch ganz nahe Welt entführt. Die vorwiegend modal aufgebaute Musik, gespielt von einem hervorragenden Ensemble, hatte zumindest auf mich einen ähnlichen Effekt wie das Reisen selbst, bei dem man auch oft zwischen aufregenden Erlebnissen (neue Eindrücke, Sehenswürdigkeiten, fremde Bekanntschaften) und schläfrigem Halbbewusstsein (monotones Fahren, verarbeiten der Eindrücke) hin- und herschwankt.

Drei Musiker aus dem Ensemble möchte ich besonders hervorheben: Natürlich Jordi Savall selbst, der auf verschiedenen Geigen-artigen altertümlichen Instrumenten die führende Melodiestimmen spielte, mit viel Wärme, instrumentalen Nebengeräuschen und klarer Leitung für das Ensemble. Der Sänger Lior Elmaleh gab besonders den sephardischen Liedern mit wunderbar modulierender Stimme, mit der er mühelos ebenso reich schmerzliche wie heitere Lieder interpretierte, große Präsenz, und der Kaval-Spieler Nedyalko Nedyalkov, der ein wirklicher Meister dieser Flöte ist, und die Schnittstelle zwischen der Alten Musik und modernem Jazz gekonnt und rhythmisch raffiniert bespielte.

Ein gelungener Abend mit großartiger Musik, der nur an einer Stelle merkwürdig gebrochen wurde: Kurz vor Schluss des regulären Programms ging die Musik in eine Einspielung der im letzten Jahr verstorbenen Frau von Jordi Savall über, die über lange Zeit als Sängerin prägend für den bekannten Klang verantwortlich war, für den Jordi Savall berühmt geworden ist. Doch die Stimme der erst vor wenigen Monaten Verstorbenen inmitten der bis zu diesem Zeitpunkt höchst lebendigen Veranstaltung, mutete doch etwas befremdlich an. Savall rahmte diese Einspielung mit dem bekannten Sprichwort ein, dass jemand erst dann wirklich gestorben ist, wenn keiner mehr an ihn/sie denkt. „An jemanden denken“ umschließt allerdings nicht unbedingt die Art von Auftritt, die hier ins Konzert eingefügt wurde.

 

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8. November 2011 17:04:29

… Krautrock: Jaki Liebezeit im Festsaal Kreuzberg und Can im Künstlerhaus Bethanien

Als mir vor drei Jahren der Schauspielintendant der Wuppertaler Bühnen Christian von Treskow erzählt hat, dass er sich derzeit sehr für alles Kraurrockige interessiere, war mir dieses Interesse noch sehr fremd. Kraurock ist was für Ü50 Menschen dachte ich, doch als dann Jaki Liebezeit in Wuppertal spielte, hörte ich mich in dessen heutige Musik ein und wurde im Handumdrehen zum „Fan“. Als Ex-Drummer liegen die verdrehten und ungeraden Rhythmen des ehemaligen Can-Schlagzeugers natürlich voll auf meiner Wellenlänge und der in den 60er-Jahren geschulte Elektromusiker Burnt Friedmann bringt so viel Ideenreichtum mit, dass es gegenüber seinen technoiden 90er-Jahre Nachfolgern eine wahre Wonne ist.

Das Duo spielt am 15. Dezember wieder mal in Berlin im Festsaal Kreuzberg. Schon letztes Jahr traten sie in der Volksbühne auf. Damals war es doch sehr meditativ und ruhig, wenn nicht schon einschläfernd. Besonders auch, weil die dazu gebeamten Videobilder so mitreißend waren, wie das ausgedehnte Betrachten einer blubbernden Lavalampe. Ich hoffe das wird diesmal etwas lebhafter visualisiert (oder gar nicht).

Ebenfalls dem Krautrock verpflichtet ist die kommende Ausstellung (ab 24. November) über die Band „Can“ im Künstlerhaus Bethanien. Wahrscheinlich ist die 50+ Generation inzwischen einfach als bestimmende Kuratoren-Generation angekommen und beschäftigt sich nun öffentlich mit der Aufarbeitung ihres jugendlichen Musikgeschmaks. Da sich dies derzeit gut mit  gewissen, nerdigen Jugendvorlieben verbindet, scheint die Zeit reif dafür.

Im Allgemeinen empfehle ich zur gesamtgesellschaftlichen Krautrock-Einfinung diesen BBC-Film (auf englisch). Da lässt sich nachvollziehen, wie eine ganze Musikergeneration nach eigenständig deutschen, von der Vergangenheit unbelasteten Ansätzen suchte.

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4. November 2011 21:22:38

… never for money: Indie-Kino mit Sean Penn und David Byrne

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Sean Penn in Cheyenne. This must be the place. [© Delphi Filmverleih]

Never for money. Always for love! So lautet das Motto des neuen Films des italienischen Filmemachers Paolo Sorrentino, der 2008 mit Il divo in Cannes den Jurypreis gewann. Nie für Geld – aber Geld hilft. Und Geld hat Cheyenne, der gealterte Rockstar der 1980er Jahre – genial zottelig, drömelig und slow gespielt von Sean Penn – dessen beste Jahre als Musiker, Junkie und Alk hinter ihm liegen. Heute residiert er im Vakuum seiner Erinnerungen, glücklich verheiratet mit Jane (Frances McDormand) in einer prächtigen Villa im ewig grünen Irland. Mit wasserlosem Swimmingpool („Hier spielen wir Pelota …“) und Designerküche, an deren Wand in großen Lettern CUISINE steht, in der Cheyenne Tiefkühlpizza im Backofen aufwärmt. Opulenz, Dekadenz – und Langeweile, gepaart mit Zynismus, Selbstironie und wilder Entschlossenheit, das alte Leben auf der Überholspur mit dem Phlegma der zugedrönten Schnecke zu konterkarieren. Vom einstigen Ich geblieben sind Schminktipps („Ein Hauch Puder auf die Lippen, und dein Lippenstift hält den ganzen Tag.“) und ein Rollkoffer, der farblich abgestimmt auf den jeweiligen Zweck zum Einkaufen ebenso mitgenommen wird, wie zum Briefkasten, auf den Friedhof oder zur Schiffspassage auf der Queen Mary nach New York („Ich bin 30 Jahre nicht in ein Flugzeug gestiegen.“).

Dreißig Jahre ist es her, dass Cheyenne zum letzten Mal mit seinem Vater sprach, der sich als Ausschwitzüberlebender in Amerika ganz der Verfolgung seines Peinigers im KZ verschrieben hatte, und ohne ihn zu finden starb. Wie das Verschwinden des Sohnes seiner Nachbarin (Olwen Fouéré) und die Bindungsunfähigkeit deren Tochter Mary (Eve Hewson) lässt Cheyenne das Leiden der anderen scheinbar unberührt. Zunächst jedenfalls. In seinem Mikrokosmos herrscht die Gleichgültigkeit des ein für alle Mal Übersättigten. Kenn ich, war da, alles schon gehabt. Cheyenne ist Nabel der Welt, und sich selbst genug („Ich weiß nicht, ob ich die Tesco-Aktien verkaufen soll …?“). Und doch treffen der Tod des Vaters und dessen nie vollzogene Rache am Agenten des Holocaust einen Nerv beim Sohn. Fern vom irischen Idyll macht sich Cheyenne mit Hilfe des Nazijägers Mordecai Miller (Judd Hirsch) auf die Suche nach dem KZ-Wächter Alois Lange (Heinz Lieven) – via Michigan und New Mexico bis Utah. Den bizarr schönen Stadtansichten aus Dublin folgt das Roadmovie im Pick-up durch grandiose amerikanische Landschaft. Und weil die 1980er auch New Age und Esoterik waren, findet Cheyenne am Ende … auch sich selbst. Nicht da, wo er sich irgendwann einmal verloren hatte, und doch authentisch.

Cheyenne. This must be the place ist ein sympathischer Film, der vom Charisma seiner bis in die kleinste Nebenrolle optimal gecasteten Darsteller und dem Soundtrack von David Byrne und Will Oldham ebenso lebt, wie von seinen zahlreichen zarten Ideen, untergründigem Humor, minimalistischen Dialogen und exquisiten Bildern (Kamera: Luca Bigazzi). 118 Minuten voll Witz und Tragik, Wehmut und Optimismus, und sehr viel Gefühl. Am 10. November kommt die irisch-französisch-italienische Koproduktion ins Kino. Gerade rechtzeitig, um uns unterlegt von sonnigem Postpunk und New Wave Klängen den beginnenden Winter in Deutschland zu versüßen.

 

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Geschichte | Kino | Musik | Pop

 

30. Oktober 2011 21:01:37

… Zeit(en)umstellung: Knopfler, Dylan und Richards

Gestern brachten Mark Knopfler und Bob Dylan ihr groß angekündigtes Konzert in der O2-Halle Berlins über die Bühne. Manche werden dies später vielleicht einmal als legendäres Treffen stilisieren. Für mich passt es jedoch haargenau zu diesem Wochenende: Zeit(en)umstellung. Man hörte bei diesem Musikereignis, das faktisch ein Doppelkonzert war, keine Tageshits, sondern Jahre überdauerndes.

In der nahezu ausverkauften Mehrzweckhalle begann Knopfler pünktlich auf die Minute seine wunderbaren Gitarrensoli zu zelebrieren und – gemeinsam mit seiner Band – satten Klangteppiche auszubreiten. Während die ersten drei Titel rythmisch-rockig mit Blues-Elementen daherkamen – es ist einfach ein prägendes Bild und ein wunderbarer Klang, wenn fünf Gitarren zugleich auf der Bühne tätig sind – wurden anschließend einige Songs mit Folkklängen gespielt. Die Zuhörer, insbesondere die Dire Straits-Fans, waren aber doch beglückt, dass dann „Brothers in Arms“ zu hören war. Knopfler, die ganze Zeit sanft und freundlich, spendierte am Ende eine Zugabe.

Nach der Pause erschien Dylan, seine Bandmitglieder mit dunklen, er mit einem hellen Hut und legten sofort los. Mark Knopfler spielte während der ersten vier Titel mit, u.a. bei „It’s all over now, Baby Blue„. Beide agierten zusammen, vermieden es aber, nach vorn an die Rampe zu gehen. Der Abgang Knopflers von der Bühne war dann ein kurzer, davon huschender Schatten. Dylan und seine Band spielten einfach nur großartigen Rock’n Roll. Daran änderte auch seine krächzende Stimme und der abgehackte Bellgesang, der an einen gereizten, wütenden Dorfköter erinnerte, nichts. Vielleicht wollte er damit nur jene hinausbegleiten, die das Konzert vorzeitig verließen. Fast am Ende gab Dylan dem Publikum mal wieder eine neue Version von „Like a Rolling Stone“ zu Gehör. Warum gefällt mir die ursprüngliche Fassung immer noch am besten? Zum Abschluss stellte Bob Dylan seine Band vor, verbeugte sich mit ihr vor dem jubelnden Publikum und verließ, ohne eine Zugabe zu gewähren, die Bühne.

Die Zeit(en) nagt an den Menschen und ihrem Tun – obwohl man es bei manchen nicht glauben mag. Neben Bob Dylan könnte man dafür auch die Rolling Stones nennen. Im Grunde ist man jedoch dankbar, dass die alten Helden immer noch spielen. Was bleibt? Keith Richards unterschrieb auf dem Bucheinband zu seiner Autobiografie „LIFE“ diesen Satz: „This is the life. Believe it or not. I haven’t forgotten any of it. Thanks+Praises.“ Manchmal muss man nicht glauben, sondern kann sehen oder hören.

 

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14. September 2011 19:13:21

… 3D-animiert: Intel Visibly Smart Experience

Im Zuge der Berliner Music Week, die ihren Höhepunkt am vergangenen Wochenende in Form einiger Festivals und vieler Konzerte erreicht hatte, wurde ich Zeuge eines ganz besonderen Spektakels:
Die Kunstfabrik am Flutgraben, die mir in erster Linie durch meinen morgendlichen Arbeitsweg bekannt ist, wurde vom Münchner Lichtkünstler Markos Aristides Kern zum Leben erweckt.

Zu dem eigens für diese Live-Performance vom DJ-Duo Moonbootica komponierten Sound geriet das Gebäude, das normalerweise durch seine Industrieoptik (und die von unserem Büro aus sichtbare Dachterasse) glänzt in stürmisch-lebendige Bewegung. Es tanzte, veränderte sich, fiel in sich zusammen, richtete sich wieder auf, um dann in seine Einzelteile zerlegt zu werden, welche sich so um ihre eigene Achse drehen konnten, zu vibrieren anfingen, sich wieder zusammen fügten und letztendlich weitertanzten.

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Nach Ende der Lichtshow wollte ich der Sache natürlich auf den Grund gehen, zumal mir die ausgeklügelte optische Täuschung als äußerst aufwendig erschien. Ich wurde eines Besseren belehrt:
Mit Hilfe eines weltweit einzigartigen Projektionsfahrzeugs von intel, namens „Multi Media Offroad Vehicle“ (MMOV), war es möglich, die atemberaubende Lichtperformance unter dem Titel „Intel Visibly Smart Experience“ auf das alte Backsteingebäude zu mappen. In einem überschaubaren Kastenwagen, der seitlich mit einer Glaswand ausgestattet war, befanden sich acht verhältnismäßig große Beamer, die von dort aus ein vielfaches der üblichen HD-Auflösung projizieren konnten. Zudem war das Fahrzeug mit einem eigenen Serverpool ausgestattet. In einer halbstündigen Prozedur wurde der ehemalige Speicher mit einem Laser gescannt und der Aufbau war somit auch schon abgeschlossen. Nun war es für den Künstler möglich live und in Interaktion mit dem Publikum und dem DJ-Team das Gebäude zu bespielen.

Das eineinhalbstündige Event zog einige hundert Zuschauer auf das Gelände neben der Arena, welches schon Tage zuvor aufgeräumt wurde, um einen möglichst freien Blick auf das Gebäude zu ermöglichen. Bereits im August bereiste das mobile Projektionsfahrzeug die Stadt Dresden. So kann man nun hoffen, dass es sich nicht um ein einmaliges Event handelte und die Performance noch ein paar andere Städte bereist. Watch out for MMOV!

 

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19. Juni 2011 21:06:54

… Häupter: Gekrönte und ungekrönte

Im Erdgeschoss des Kulturkaufhauses Dussman in der Friedrichstraße residiert seit geraumer Zeit eine Königin. Die ägyptische Pharaonin Hatschepsut hält, hier in Gestalt einer Sphinx, Hof und lässt sich von den Besuchern bewundern. Diese Herrscherin hatte bereits vor ca. 3500 Jahren, also lange vor einer Diskussion über Frauenquoten, das Zepter und die Macht, in dem damals wohl zivilisiertesten Land der Erde, in der Hand. Dies gilt, obwohl man hin und wieder bei Ägyptologen liest oder von Touristenführern hört, dass sie meist in Gestalt eines Mannes, also als Pharao, auf den Zeichnungen der inzwischen erschlossenen Grabmale dargestellt worden ist. Hatschepsut, ein wunderbarer Name, der sich – fällt mir gerade ein – vielleicht auch als Markenname für Nasentropfen sehr gut anhören würde, war jedenfalls eine gekrönte Königin.

Einige Meter weiter treffen wir – immer noch im Kaufhaus Dussmann unterwegs – auf einen ungekrönten König, dem dieser Tage ein ganzer Tisch für die Ergebnisse seines bisherigen musikalischen Werkes eingeräumt wurde. Über Bob Dylan, der am 24. Mai 70 Jahre alt wurde, ist schon fast alles geschrieben worden, so dass mir nur eines festzuhalten bleibt: Als er anfing zu singen, hörten ihm heutige Großmütter und Großväter in Sehnsucht und Verwirrung zu; nun spielt er immer noch, jetzt aber auch für die Enkel.

Am gestrigen Abend stieg an der Straßenbahn-Haltestelle Bahnhof Friedrichstraße eine festlich, überwiegend in Schwarz, gekleidete fünfköpfige Familie aus, deren Ziel das Maritim-Hotel war. Dort fanden Abi-Abschlussbälle statt, darunter auch einige von den Klassen, die von einer Berliner Firma betrogen worden waren. Während der Vater mit den zwei Mädchen vorauseilte, blieb die Mutter mit dem Jungen etwas zurück. Plötzlich nahm sie die Hand ihres, sie um einen Kopf überragenden Sohnes und begab sich – noch auf der Halteinsel der Straßenbahn – mit ihm in Tanzposition, zog ihn an sich und zeigte ihm die Tanzhaltung. – Sie und andere Mütter waren gestern abend nicht der Mittelpunkt der Feier, aber sie gehören auch zu den ungekrönten Guten. Sie haben ihre Kinder auf den abschließenden Tanz begleitet, aber auch nach dem Abitur werden viele der 18/19-Jährigen den eigenen Schritt nicht ohne Umwege und Hilfe finden.

 

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26. Mai 2011 14:20:40

… klein und fein: Mini-Mahler 04 im Kammermusiksaal der Philharmonie

Vor etwa 7 Monaten war ich schon mal bei Mini-Mahler, damals bei Release#01, und ich war hinterher vollkommen geflasht. Das kleine Kammermusik-Ensemble überzeugt in Klang und Perfektion wie selten ein Orchester. Gestern war nun Release#04 mit einem Programm, aus Debussys berühmtem Stück „Prélude à l’après-midi d’un faune“ und einem sehr persönlichen Stück von Mahler „Das Lied von der Erde“. Und es war wieder großartig! Ich kann die nächsten Auftritte in dieser Reihe wirklich wärmstens empfehlen. Ich glaube kaum, dass man diese Musik all zu oft auf diesem Neveau hören kann.

Mini-Mahler auf Facebook

 

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16. Mai 2011 11:20:15

… wo der Müll singt: Das Park Sound Project soll unsere Parks schöner machen

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Sie stehen einfach so am Wegesrand, wie kleine orangene Männchen mit breiten Mäulern, die zeitlebens beharrlich versuchen, den ihnen anvertrauten Müll aufzunehmen, auch wenn ihr Fassungsvermögen fast jedes Wochenende über die Maßen belastet wird. Über Nacht aber bekamen ein paar von ihnen im Schnelledurchlauf neue Kleider und eine Gesangsausbildung, wodurch sich ihr Arbeitsalltag ab heute nun deutlich verändert. Den Einwurf von jeglichen Materials müssen die nun grün gewordenen Männchen mit dem Trällern einer fröhlichen Melodie quittieren. Aus den Müllschluckern wurden Sängerknaben. Das ist das Park Sound Project.

Technisch gesprochen hört sich das so an: Es funktioniert mit Solarstrom. Ähnlich wie bei einem Parkscheinautomaten ist oben auf dem Mülleimer ein Solar-Panel. Die Abspielautomatik wird durch einen Wärmesensor ausgelöst, welcher leichte Veränderung der Temperatur wahrnimmt. Bei den Mülleimern ist das die Hand des Einwerfenden. Im Grunde genommen das gleiche Prinzip wie der Sensor einer Haustürbeleuchtung. Wenn Die Mülleimer voll sind, verändert sich die Temperatur nicht mehr, also erklingt keine Musik bis der Eimer wieder geleert wurde.

Bei meinem morgendlichen Hundespaziergang durch den Görli sah ich zwei grüne und 15 orangene Mülleimer. Die Musiker unter den Abfallbehältnissen stehen in der Nähe der Eingänge, so dass möglichst viele Menschen an ihnen passieren. D.h. die Aktion dürfte tatsächlich vielen Menschen auffallen, doch sind die Eingänge nun gerade die Orte, an denen die wenigsten Menschen etwas wegzuschmeißen haben. Erfahrungsgemäß quellen die Mülleinmer im Inneren des Parks nach den Wochenenden über und versinken in einem stinkenden Berg von Grillabfall, der ab Montag von den Krähen langsam abgetragen wird, bis dann irgendwann die Müllabfuhr kommt, um die Reste einzusammeln.

Das Park Sound Project möchte die Botschaft geben: „Lasst uns abfallfreie Flächen hinterlassen, denn auch morgen sitzt, singt oder spielt hier niemand gern im Müll.“Diese Botschaft ist sicher unterstützenswert, doch habe ich das Gefühl, dass es die Abfallsituation im Görli und im Mauerpark noch viel mehr entlasten würde, wenn man mehr und vor allem andere Abfallcontainer aufstellen würde. Wer die Mengen schon mal gesehen hat, die nach einem heftigem Grill-Wochenende im Park liegen, weiß, dass da nicht nur mehr kleine Eimer her müssen, sondern dass ganz andere Müllkonzepte erdacht werden müssen. Ich glaube mit zusätzlichen größeren Containern (getrennt nach Müllsorten, und einem extra Container für die oft noch heiße Kohle, um die regelmäßigen Müllbrände zu vermeiden) wäre dem Park mehr geholfen. Was nach einer Win-Win-Situation aussieht (für Parkbetreiber und Musiker), ist vielleicht doch leider eine letzlich wirkungslose Imagekampagne, wenn nicht gar eine akustische Lärmbelästigung.

Nachtrag (am 31.5.2011):

muellschutz
Leider glaube ich nicht an einen all zu großen Einfluss, des hier Niedergeschriebenen auf die Welt außerhalb des Blogs, doch oh Wunder, wenige Tage nach dem Post erschien im Park eine neuartige Form von Müllbehältnis. Oben mit Krähenschutzklappe, ansonsten ganz aus verzinktem Gitter. Das entspricht fast genau meiner Empfehlung! Diese Form von Müllbehältnis sollte flächendeckend und in verschiedenen Farben zum Sortieren des Mülls (vorallem in Asche und Restmüll) aufgestellt werden. Weiter so!

 

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12. Mai 2011 12:50:35

… sizilianisch: Etta Scollo im Tipi und auf neuer CD

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Es ist ein bisschen wie auf der Piazza in Sciacca oder Siracusa nach Einbruch der blauen Dunkelheit: Eine kleine Insulanerin mit rauher Stimme singt, röhrt und schreit ihre Gefühle in die Nacht, während sich die Sterne zur Illustration in immer neuen Bildern formieren. Es geht natürlich um Liebe, Liebe, die meistens ziemlich kompliziert, aber immer hoch emotional ist. Etta Scollo tourt mit ihrer neuen CD „cuore senza“ im Gepäck (Erscheinen Ende Mai) durch Deutschland und entführt die Zuhörer nach Arcadien, in ein Land der alten Poeme, die sie neu vertont hat. Mal klingt sie nach weiblichem Tom Waits, mal knistert ein bisschen kitschig der Schmelz in ihrer Stimme, mal hört man die rockige Gianna Nanini – absolut italienisch eben. Und wem das alles nicht genug ist – vaffanculo!

Gesehen im Tipi

 

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