Lesezeichen setzen: RSS Feed abonnieren  Zu del.icio.us hinzufügen Zu Technorati Favoriten hinzufügen Diese Seite zu Mister Wong hinzufügen

Archiv der Kategorie ‘Skulptur/Plastik‘

17. September 2016 21:27:47

… außerhalb der Kategorien: Die Kunstmesse Positions in der Berlin Art Week 2016

Texte zur Promotion von Kunstmessen sind meistens Kunstwerke im Verbinden des Unverbundenen und in sofern ganz nah am eigentlich Wortsinn des Textens – dem Schaffen von Texturen. Auf der Website des Berlin Art Week steht über die „Positions Berlin“: „Bei den hier ausgestellten Kunstwerken geht es nicht darum, den Trends hinterher zu laufen, sondern um Relevanz und Aktualität. Starke junge und etablierte zeitgenössische Arbeiten sowie Werke der klassischen Moderne werden nebeneinander präsentiert, überholte Kategorisierungen schüttelt die Messe somit ab und eröffnet lieber neue Perspektiven.“

Auffällig beim Gang über die Messe sind ganz klassische Galerien, die trotzdem neu Perspektiven anbieten:

Die Sardac Gallery aus London baut in der Präsentationsbox einen überzeugenden Kunstraum für Stephen oder Steve Goddard. Seine versehrten Schädel bringen die menschlichen Wundmale des frühen letzten Jahrhunderts eindrücklich mit den menschlichen Verwerfungen der Gegenwart zusammen. Die Menschen, die heute vor den traumatisierenden Kriegen flüchten, kommen genau aus den Ländern, die am Ende des 1. Weltkriegs nach den Machtinteressen des Westens auf dem Reißbrett entworfen wurden. Der Schrei nach Empathie kommt einem in der dunkelbraunen Galeriebox trotz des ganzen Kunsttrubels drumherum erstaunlich nahe.

Baby by Steve Goddard

Ein von galerie sardac (@sardacgallery) gepostetes Foto am

Die kleine Galerie Mönch aus der Berliner Vorstadt beim Übergang nach Spandau zeigt einen jungen interessanten Künstler, der offene Fäden von Moholy Nadge und Roman Signer aufnimmt. Friedrich Gobbesso baut Experimentieranlagen in denen Wasser, Licht, Töne undSchwarzpulver aufeinandertreffen und erzeugt so Fotogramme, die Abbilder des Unsichtbaren sind: Wir sehen Schwingungen und Kraftlinien.

fritzgobesso-wellenstrukturen

Ich freue mich auf die Vernissage im Nachgang zur Positions in der Galerie schon am 1. Oktober.

 

Autor:

 

25. Mai 2016 17:25:42

… jenseits: Miriam Vlaming zeigt die Ausstellung „Eden“ in Leipzig

„Eden“ – ein Begriff, in dem der Ursprung der Welt (Genesis) und die unendliche Ewigkeit (Apokalypse) paradiesisch zusammenfallen. Er repräsentiert den Ort, wo alles herkommt und alles hingeht und die Kunstgeschichte ist voll von Interpretationen dieses Gedankenbildes. Miriam Vlaming zeigt in vielen Bildern Bezüge zu berühmten Werken etwa von Lucas Cranach d. Älteren mit „Adam und Eva im Paradies“Hieronymus Bosch mit dem Tryptichon „Garten der Lüste“ oder Henry Rousseau mit „Der Traum“ und stellt sich damit selbst-bewusst in die Reihe dieser Meister-Künstler.

miriam-vlaming-eden-galerie-dukan-leipzig_7b

Sie zieht das entrückte Sujet aber auch auf die Schlachtfelder des aktuellen irdischen Paradies’, an den Ort, der von den abrahamitischen Religionen als Wiege der Menschheit angesehen wird und im heutigen vorderen Orient verortet wird: Israel – Syrien – Persien. Diese „fruchtbarer Halbmond“ genannte Region erscheint aus heutiger Sicht alles andere als paradiesisch, sondern zeigt sich als Schauplatz erbitterter Glaubens- und Systemkriege, vor denen Millionen von Menschen fliehen, weil fanatischer Hass, Rassismus und Menschenverachtung ein friedliches Zusammenleben zwischen den Kulturen derzeit dort unmöglich machen. Der Frieden scheint nun im tendentiell ungläubigen Westen zu finden zu sein, wo allerdings trotz überbordendem Wohlstand eine großer Teil der Menschen mit Angst und Ablehnung auf die Ankommenden reagiert. Fremdheit, Selbstentfremdung und Fremdschämen treffen aufeinander.

Bei Miriam Vlaming kulminiert solcherlei menschliche Historie und moderne Geichzeitigkeit in überlagernden Schichtungen. Alltägliche Familienfotos und mythische Traumbilder fallen als phänotypische Geschichte zusammen auf die Leinwand. Sie fokussiert dabei auf Handlungsweisen, deren prozessuale Gesetzmäßigkeiten eine ewige Konstante in der Menschheitsgeschichte darstellen. In merkwürdig exotischen und doch vertrauten Ritualen sehen wir Menschen, die sich gemeinsam schmücken, verkleiden, baden, feiern oder auch mal ganz im Jetzt zusammen „chillaxen„.

miriam-vlaming-eden-galerie-dukan-leipzig_4

Sie verwischt das Merkmal Herkunft und macht dadurch eine Zuordnung der Dargestellten unmöglich: Sehen wir auf dem Bild mit dem Titel „Initiation“ Afrikaner beim traditionellen Stammestanz, eine besoffene Gruppe junger Männer beim Jungesellenabschied im Rheinland, eine extreme Gruppe des Ku-Klux-Can, oder eine gemischte Gruppe von Einheimischen und Geflüchteten bei einem Willkommensfest einer dörflichen katholischen Kirche? Man weiß es nicht – alles wäre möglich – vielleicht auch alles auf einmal, denn sie zeigen sich höchst komplex als einfache Menschen.

<br />

Mit der Arbeit „Human Nature“, die aus zwölf Gesichtsstudien besteht, die unsere Menschlichkeit in unterschiedlichen Melanin-Dichten auffächert, wagt sich Miriam Vlaming auf das verminte Feld der Physiognomik. Doch reflektiert sich hier keine verquere Rassenlehre, die sich an Unterschiedlichkeiten festbeißt, sondern die tiefere gemeinsame Natur, wenn nicht gar gemeinschaftliche Spiritualität, tritt hervor.

Noch bis 20 Juni 2016 in der Galerie Dukan, Spinnereistraße 7, Halle 18.I in 04179 Leipzig

 

Autor:

Kategorie:

Kunst | Malerei | Skulptur/Plastik

 

24. Januar 2014 18:22:57

… an der Schwelle zwischen Kunst und Wissenschaft: Pinar Yoldas in der Schering Stiftung

Pinar Yoldas An Ecosystem of Excess

Überall auf unserem Planeten findet sich Plastik. Alle wissen inzwischen von den großen Plastikmüllstrudeln in den Ozeanen, viele davon, dass man selbst in den entlegensten Winkeln der vereisten Hochgebirge Plastikteilchen findet, und manche, dass sogar in jeder menschlichen Zelle Plastiksubstanzen (chemisch erzeugte Polymere) nachweißlich sind. Plastik ist überall, um uns herum, in uns und in allen anderen Wesen dieser Welt. Archäologen werden in 10.000 Jahren das 20. Jahrhundert an einer dicken Plastiksedimentschicht erkennen und diese als Zeitmarker verwenden.

Kunststoffe üben also Evolutionsdruck (Selektionsdruck) auf alle Organismen auf der Erde aus. Mit anderen Worten: Diejenigen Lebensformen, denen es gelingen wird, die Plastikmoleküle zu ihrem Vorteil in ihre Organismen einzubauen, werden sich gegenüber anderen Spezies, die unter dem Plastik leiden, durchsetzen. Schon jetzt wird der Plastikmüll, egal wo er auftritt, von Bakterien besiedelt, die Kolonien und Biofilme darauf bilden. Manche Bakterien haben durch Mutationen auch Fähigkeiten erlangt, Polymere zu zersetzen und umzuwandeln.

Pinar Yoldas Kunst baut positivistisch auf der These auf, dass wir schon bald eine völlig veränderte Fauna auf unserem Planeten haben werden. Neuartige Organkonzepte werden als „Ecosystem of Excess“ auftreten: z.B. zur Verdauung von Plastik (=Plastivoren), zur Wahrnehmung von Plastik (=Plastosensorik) oder zur Reinigung des Plastiks von Schadstoffen (=Petronephros). Tiere werden Plastik „kreativ“ nutzen, vielleicht zur neuartigen Pigmentierung und Färbung des Gefieders oder zum Aufbau von elastischen Exoskeletten. Die in der Schering Stiftung ausgestellten Objekte bilden diese zukünftige Lebenswelt ab, wobei die Werke fast als logische Konsequenzen und nicht als Visionen erscheinen. Soll man davor erschrecken oder sich doch davon beruhigen lassen?

Am nachdenklichsten stimmte mich die quirlige „Plastiksuppe“. In einem Gefäß blubbert, als neuzeitliche Ursuppe, ein Gebräu vor sich hin, das genau in dieser Zusammensetzung als Nebenprodukt (= Abfall) eines ganz normalen Frühstücks entsteht: Der Rest eines Joghurtbechers, der Abrieb eines Schneidbretts, ein Teil einer Zeitungsverpackung, eine Borste einer Zahnbürste usw. – mit all diesem Zeug häufen wir täglich den Nährboden an, für Lebensformen, die uns verdrängen werden.

Pinar Yoldas: An Ecosystem of Excess, noch bis bis 4. Mai 2014
Schering Stiftung, Unter den Linden 32-34, 10117 Berlin, täglich (außer Di und So) 12–19 Uhr. Geöffnet am Sonntag, 4. Mai 2014! Eintritt frei
Eine Ausstellung in Kooperation mit der transmediale 2014 afterglow

 

Autor:

 

18. September 2013 19:27:21

… unbeabsichtigt gegeneinander: Painting forever – To Paint Is To Love Again – 4 Frauen in der Kunsthalle Deutsche Bank

Im vom Land Berlin finanzierten Projekte „Painting forever“ arbeiten die vier wichtigsten Berliner Kunstinstitutionen zusammen. Das Motto zieht die Aktivitäten von der Berlinischen Galerie, der KunstHalle Deutsche Bank, des KW – Kunstwerke und der Neuen Nationalgalerie während der Berlin Art Week 2013 zusammen. Zwei der Ausstellungen sind zu Gegenpositionen geworden, ohne dass es recht geplant gewesen wäre.

In der Nationalgalerie gibt Direktor Udo Kittelmann Raum für vier äußerst marktkonforme deutsche Künstler. Unter dem genauso spielerischen, wie konsequent sinnlosen Ausstellungstitel „BubeDameKönigAss“ poltern vier konsequent konzeptionierte Monster-Egos einer Generation auf Großformaten: Martin Eder (*1968) Michael Kunze (*1961) Anselm Reyle (*1970) und Thomas Scheibitz (*1968). Natürlich war keiner der Typen bei der Pressekonferenz. (Mehr dazu in einem weiteren Artikel …)

In der KunstHalle Deutsche Bank lässt Kuratorin Eva Scharrer unter dem Titel „To Paint Is To Love Again“ vier Frauen unterschiedlicher Generationen säuseln: Jeanne Mammen, Antje Majewski, Katrin Plavčak und Giovanna Sarti. Sie malen Unsichtbares, Geheimnisvolles, Verborgenes und Ephemeres und standen alle (sofern noch lebend) den Journalisten für Fragen bereit. Man kann diese beiden Ausstellungskonzeptionen nur als Gegenpositionen sehen, die sich leider zuvorderst geschlechtlich verorten lassen, ohne dass sie sich so eigentlich positionieren wollten. Das ist besonders in Bezug auf die weibliche Zusammenstellung schade und ein Problem, denn es verstellt natürlich den Blick für die Kunst der bzw. des einzelnen.

jeannemammen_verheissungeineswinters1975
Jeanne Mammen, Verheißung eines Winters (1975)

Jeanne Mammen (1890–1976) – obwohl in der letzten Ecke der Schau – bildet mit bisher weitgehend unbekannten Arbeiten aus den 1950er – 7oer Jahren den Ausgangspunkt in der KunstHalle. Ihr Spätwerk steht stark in der Tradition von Klee einschließlich der verheißungsvollen Titel: „lyrische Abstraktion“ Symbolismus aus pasteuser Ölfarbe mit eingearbeiteten Glitzereffekten (Stanniolpappierchen von Bonbonverpackungen). Es ist ein trauriger Abgesang gegenüber den kraftvollen, vitalen und treffenden Zeichnungen, die sie in ihrer expressiven Phase z.B. im Simplizissimus veröffentlichen konnte.

Die anderen drei in Berlin lebenden Künstlerinnen haben sich nach eigenen Angaben bewusst auf den Dialog mit Mammens Werk eingelassen. Gefährlich bei einer so schwachen Vorlage.

<br />

Antje Majewski (*1968) spüren Texten des Museumskurators Sebastian Cichocki nach. Sie illustriert Literatur – konkretisiert und kategorisiert Imaginäres. Sie zeigt in ihren Bildern Objekte, die aus bestehenden Wertesystemen. Unter anderem eine Bildreihe mit merkwürdig geformten Hundekörpern. Es sind Miniskulpturen gefertigt aus aus den Resten von Plastikzahnbürsten, die Frauen im KZ Ravensbrück als Geschenke für andere gefertigt haben. Ich bin mir unsicher, ob dabei nicht mehr Zauber verloren geht als geschaffen wird.

katrin-plavcaks-topaintistoloveagain

Katrin Plavčaks (*1970) überträgt aktuelle Themen in den Bereich des leicht Surrealen. Sie arbeitet vielfältig mit Formaten und Materialien und deutlich aus weiblicher interpretativer Sicht.

giovannasarti_struktur

Giovanna Sarti (*1967) erarbeitet ihre Bilder kompositionslos. Im Ergebnis enttäuschend, geht es ihr ums Prozessuale, bei dem durch Handwerklichkeit und technisch bedingte Abfolgen Strukturen und Artefakte entstehen. Das hat man schon tausend Mal gesehen und hier wird leider nichts Interessantes hinzugefügt.

Leider gelang es mir nicht, dem Henry Miller entliehenen Motto der Ausstellung folgend, die Bilder mit dem Blick der Liebe zu betrachten. Ich empfehle die Ausstellung nur Menschen, die diese Fähigkeit besitzen.

(Entweder JavaScript ist nicht aktiviert, oder Sie benutzen eine alte Version von Adobe Flash Player. Installieren Sie bitte den aktuellsten Flash Player. )

 

Autor:

 

18. September 2013 14:18:32

… leuchtend: Franz Ackermann – Einzelposition der Berlinischen Galerie zum Gemeinschaftsprojekt Painting Forever zur Berlin Art Week 2013

Franz Ackermann in der Berlinischen Galerie Painting Forever

Thomas Köhler, der Chef der Berlinischen Galerie ist ein Coup gelungen. Seine kuratorische Position „seht her – das findet im Markt statt und es lohnt sich, diese Kunst auch im Museum zu zeigen“ geht auf.

Die 40 Meter lange und 10 Meter hohe Eintrittshalle des Museums für moderne Kunst ist als Gesamtraum von Franz Ackermann zu einem Farbmeer umgestaltet worden, in dessen Leuchtkraft man beinahe zu ersaufen droht. Wäre der Boden der Ausstellung mit dem Titel „Hügel und Zweifel“ auch noch in die Gestaltung eingebunden, gäbe es kein Halten mehr – das Farb- und Formspiel würde einen im vollendeten Environment überfluten. Ackermann entgrenzt das Tafelbild nach allen Regeln der Kunst, in die Fläche und in die Tiefe: flexible Rahmenformen, gestalterische Einbeziehung der Wand rund ums Bild, Abheben des Bildes von der Wand, Schichtung im Bild. Er sucht und findet neue Dimensionen im Spiel zwischen Abstraktion und Figuration. Inhaltlich arbeitet er sich im Spannungsfeld globalisierter Einflussnahmen ab. Der kolonisierende Aspekt des Tourismus, die Spannung zwischen den aufeinandertreffenden armen und reichen Menschen aus kulturell unterschiedlich geprägten Ländern und die dabei auftretenden Schäden. Stilistisch, farblich und vom Materialeinsatz her könnte es kaum aktueller sein. Neonfarben, Foto-Collagen, Alu-Dibond-Konstruktionen um Innenwelten, die an aufgeschnittene Organe erinnern, mit Äußerlichkeiten, die mit architektonischen Elementen visualisiert werden, zu kombinieren. Ein bisschen Neo Rauch reloaded mit großer Nähe zum Design.

Bis bis 31.03.2014.

 

Autor:

 

28. Februar 2013 14:02:27

… unerhört: unmenschliche Musik im HKW

(Entweder JavaScript ist nicht aktiviert, oder Sie benutzen eine alte Version von Adobe Flash Player. Installieren Sie bitte den aktuellsten Flash Player. )

Kann es überhaupt Musik geben, die nicht menschlich ist? Nach landläufiger Meinung ist Musik das kulturell geprägte, menschliche Spiel mit Tönen, Klängen, Rhythmen, Harmonien und Melodien. Wenn dagegen in der Natur Schwingungen auftreten, die zueinander Intervalle, Interfrenzen oder sonstige Strukturen aufweisen, halten wir es für interessante Geräusche. Wir weigern uns, den Gesang einer Amsel als Musik zu begreifen, denn logischer Weise müssten wir dann auch Amseln als Musiker ansehen. Anders, wenn ein Musiker, den Gesang einer Amsel sampelt, mit einigen physikalischen Parametern (rück)koppelt und im Kontext einer Ausstellung oder eines Konzerts abspielt. Hier lassen wir die Technik oder Technologie die menschliche Rolle des Musikers oder Komponisten spielen, da wir grundsätzlich alle technischen Phänomene der kulturellen Sphäre zurechnen. Kommt Geräusch und Technologie im Spiel zusammen, sind wir geneigt, es Musik zu nennen: Kunst-Musik oder zumindest Kultur-Musik.

Das Festival „Unmenschliche Musik – Kompositionen von Maschinen, Tieren und Zufällen“ balancierte genau auf den Grenzen zwischen Technologie, Natur und Kultur und stellt sich in der Form zwischen Ausstellung und Konzert dar. Es bieten sich Begriffspaare wie „performative Installation“ oder „interaktiver Klangraum“ an, um zu beschreiben, was da im Haus der Kulturen der Welt vor sich ging. Klänge auf der Suche nach den Anfängen und Enden der Musik.

Ich habe die Eröffnungsveranstaltung besucht und das Konzert von und mit Nobukazu Tekemura und dabei höchst unterschiedliche Eindrücke gewonnen. Zur Eröffnung ließ …
… Weiterlesen

 

Autor:

 

30. Januar 2013 14:38:24

… retrograd: transmediale BWPWAP

transmediale2013_bwpwap_abstimmung
Mit gelben Karten gegen Pluto abstimmen.

Das Akronym BWPWAP (back when pluto was a planet) bezeichnet die Kurzform des diesjährigen, kuratorischen Konzeptes der transmediale 2013. Das Kürzel bildete sich in der Web-Sprache und bezieht sich auf den Statusverlust des Ex-Planeten Pluto, der 2006 demokratisch von offizieller Stelle, der Internationalen Astronomischen Union, zum Zwergplaneten herabgestuft wurde. Eine solche Rekategorisierung geschah übrigens schon öfters in der Geschichte der Astronomie und immer begründet durch neue Erkenntnisse, die alte Annahmen ablösten: Bis ins Jahr 1846 wurden insgesamt 13 Objekte als Planeten bezeichnet. Weil dann aber ab 1847 laufend neue Objekte zwischen Mars und Jupiter entdeckt wurden, führten Astronomen 1851 eine neue Kategorie ein: Die der Asteroiden (Planetoiden). Die Zahl der großen Planeten belief sich danach somit wieder auf acht. Plutos Schicksal ist also kein Einzelfall, was aber neu war 2006 ist, dass es das Internet gab. Global vernetzt und mit sentimentalem Hang erhob sich eine Welle des Mitgefühls für den kleinen verstoßenen Pluto, der in der solaren Großfamilie entrechtet wurde – wo der arme doch eh schon so weit weg von allen ist. Schnief.
Allerdings wurde ihm eine Ersatzfamilie angeboten, deren Chef er nun ist. Zusammengefasst wurden die „Plutoiden“ als Gruppe von trans-neptunischen Zwergplaneten, die jenseits von Neptun, dem
letzten Riesen im Sonnensystem, auf vereierten Bahnen umherschwirren.

Nun warum taugt diese Geschichte als Background für die transmediale 2013? Weil es im Kern um die Änderung der Perspektive geht, von der aus man etwas betrachtet und kategorisiert. Außerdem ist die Gesellschaft darauf angewiesen, sich den wertenden Blick von Experten ausrichten zu lassen, die den nicht-Experten sagen, wie ein Objekt oder ein Konzept einzuordnen und zu begreifen ist. In der Welt der Kunst leicht nachzuvollziehen durch die beliebte Frage „Ist das Kunst oder kann das weg?“, die nur von Sachverständigen, oder besser noch vom Erzeuger/Künstler selbst, zweifelsfrei geklärt werden kann. Und wo ein Experte eine Meinung vertritt, findet sich garantiert ein anderer Experte, der das genaue Gegenteil vertritt. In der Kunst wie in der Wissenschaft ist das der Normalfall, und in beiden Welten entscheidet mittelfristig die Zeit darüber, wer Recht hat. Landet ein umstrittenes Kunstwerk im Museum, weil es z.B. einen nachhaltigen Einfluss auf andere Künstler hatte, und bestätigt sich eine wissenschaftliche These durch die Forschungen nachfolgender Experimente? Beides kann der Fall sein und beides kann später widerlegt werden. In vielen Museen wird irgendwann aussortiert und weggeworfen, weil die zeitgenössische Kultur nichts mehr mit dem vormals gesammelten anfangen kann, und viele als gefestigt geltende wissenschaftliche Thesen wurden nach Jahrzehnten falsifiziert.

Dies alles wäre eine wunderbare kulturwissenschaftliche Basis, um darüber eine fantastische Ausstellung zu organisieren, doch leider erfüllt die transmediale 2013 BWPWAP diese Erwartung in keinster Weise. Es werden keine Perspektivwechsel erlebbar, keine Neuordnungen vorgenommen und keine inhaltlichen Diskussionen geführt, sondern es wird eine sentimentale und belanglose Sammlung von Retro-Kunst gezeigt. Kopierer, Kassettenrecorder und Fax-Geräte dürfen noch mal reüssieren, wobei man sagen muss, dass die Projekte in Form und Inhalt lange nicht an diejenigen herankommen, die zu Zeiten gemacht wurden, als die Apparate erfunden wurden und neue Möglichkeiten boten. Es scheint, dass der Blick nach vorn in einer zunehmend komplexen Welt immer weniger attraktiv ist und Künstler statt dessen lieber zurück zum analogen Low-Tech flüchten. Es ist eine mitfühlende Hinwendung zum alten Gerümpel, das nutzlos geworden scheint, aber im Blick der Künstler doch noch zu so vielem taugt. Natürlich ist auch das in gewisser Weise ein Perspektivwechsel, doch erfolgt dies spürbar im Gefühl, selbst in der rasenden technologischen Entwicklung der Welt zu unwichtigem Staub zermahlen zu werden. Genau wie das weltweit geäußerte Mitgefühl für den herabgestuften Pluto, entsteht beim Besuch der Ausstellung eher Mitleid für die Künstler, die sich quasi selber degradieren. Das Abwenden vom Neuen, könnte man allenfalls als anti-konsumistische Haltung verstehen, um aus dem Vorhandenen im Sinne der Ressourcenschonung zu schöpfen, doch auch davon ist nicht zu sehen.

In der Eröffnungsveranstaltung hingegen wurde von den Vortragenden ein ganz wunderbarer Moment der kulturellen Umdeutung inszeniert. Das Für und Wider der neuen oder alten Plutobetrachtung wurde exemplarisch durchexerziert und am Schluss durfte das Auditorium über den stellaren Status Plutos abstimmen (quasi in einer Art Reenactment zur IAU-Abstimmung von 2006): Die vorbereitete Resulotion zielte auf die Wiederherstellung des Planetenstauts für Pluto und der künstlerische Leiter der transmediale Kristoffer Gansing schien sich siegessicher. Doch es kam anders: Mit klarer Mehrheit wurde die Resolution abgelehnt. Das Publikum will nicht zurück, es will voran!

Bisher war ich manchmal der Meinung, der kuratorische Überbau zu transmedialischen Unternehmungen irrlichtere im Abwegigen, wobei sich die Kunst davon nicht all zu sehr verleiten ließ. Diesmal scheint es anders herum: Die Konzeption eröffnet einen höchst interessanten Raum, den die Kunst nicht zu bespielen vermag.

Website der transmediale 2013 BWPWAP

 

Autor:

 

19. November 2012 14:26:41

… drei in eins: Stefanidad, Stefanie Giersdorf, Steff Hengge – offenes Atelier am Wochenende

<br />

Erst- und letztmals öffnet die Künstlerin ihre weitläufige Kreuzberger Atelierwohnung und zeigt sämtliche Werkzyklen der letzten 10 Jahre in einer Ausstellung. Mitten im Gentrifizierungsprozess setzt Steff Hengge der monetär geleiteten Verdrängung, von der sie selbst betroffen ist, eine poetisch künstlerische Geste der Einladung entgegen. Im Spannungsfeld zwischen Marktdruck (Gewinnmaximierung) und Freigeist (Fülle aus Kreativität) notiert sie Gedanken, Bleiernes und leichte Skizzen, was in einem in Sanierung begriffenen Objekt besondere empathische Momente ermöglicht.
„Nichts steht geschrieben“ spielt und dokumentiert mit Bildern und Vorstellungen von (Im)Mobilität, Ewigkeit, Verstetigung, Verfall und dem Glauben an Erneuerung. Die Ausstellung schält eine ikonografisch-mythische Substanz aus dem täglich aufbrausenden Schwall an Nachrichten über Katastrophen, Banalitäten und Gefühligkeiten.
Parallel zum Austausch der Bewohner des Viertels wechselte auch Steff Hengge ihre künstlerischen Identitäten: Stefanidad, Stefanie Giersdorf, Steff Hengge.

Nur am Wochenende 24./25.11.2012 in der Skalitzer Staße 49, 10997 Berlin: Unbedingt anschauen!

Siehe Bilder, Objekte und Hefte auf der Website …

Mehr Fotos von der Ausstellung …

 

Autor:

 

1. September 2012 17:32:18

… Ackerland: „Hungry City“ im Kunstraum Kreuzberg – Landwirtschaft und Essen in der zeitgenössischen Kunst

soilkitchen

Unter dem Pflaster liegt leider nicht das Meer, sondern glücklicher Weise Ackerland!
Allerdings ist der Boden im urbanen Raum oftmals durch die Vorbelastung aus der Geschichte des Ortes schwer kontaminiert. Eines der sozialen Kunstprojekte, die in der Ausstellung „Hungry City“ gezeigt werden, geht dieses Problem direkt an und gibt der städtischen Bevölkerung in Philadephia ihren Boden zurück: „Soil Kitchen“ verkocht nicht etwa Dreck aus dem Hinterhof, sondern untersucht für Bürger kostenfrei Bodenproben. So wird transparent, wie verschmutzt oder sauber die verschiedenen Standorte sind und die Aktionskünstler thematisieren, bei Suppe aus Gemüse vom eigenen Acker, biologisch-ethische Ernährungsfragen, um so auf die amerikanische Nahrungskultur einzuwirken. In diese „Re-claim your city“-Richtung gehen noch weitere Projekte: Beispielsweise kann man bei „Kultivator“ Wurmbomben beziehen und mit den kleinen Viechern subversiv den Boden mittels „Guerilla composting“ rekultivieren.

Interessant und kuratorisch bemerkenswert ist, dass nicht nur auf die aktuelle Welle des „Urban Gardening“ eingegangen wird, sondern auch Pionierprojekte aus den 1970er und 80ern gezeigt werden – noch dazu diesseits und jenseits des eisernen Vorhangs. So wird inhaltlich wie ästhetisch eine große Breite an verschiedenen künstlerischen Positionen erlebbar.

Einige Arbeiten begnügen sich damit landwirtschaftliche Praktiken zu dokumentieren, was vielleicht im Sinne der Speicherung von Kulturgütern ein positiver Ansatz ist, allerdings im Ergebnis so einschläfernd, dass wohl diese Dokumentation der landwirtschaftlichen Kulturpraktiken schneller vergessen wird, als die Praktik selbst. Hier wurde leider das Problem der Weitergabe und des Zugangs zum angelegten Speicher an Wissen und Kulturgut nicht gelöst. Beispielhaft möchte ich hierfür das Projekt „WeFarm“ nennen, dass auf der TYPO Berlin 2012 von Nat Hunter vorgestellt wurde (im Video bei 21:36).

In den Gängen zur Ausstellung wurden von einer lokalen Aktionsgruppe, den „Gegnern des Hühneressens“ Plakate geklebt. Hier wird die Anschlussfähigkeit von moralisch-ethischen Essenstabus thematisiert, die üblicherweise religiös geprägt sind. Aber warum sollten die Menschen nicht genauso diskussionslos aus persönlichen, rein kulturell oder global-wirtschaftspolitisch motivierten Gründen mit dem Essen von Hühnern aufhören, und sich zu einer „Glaubensgemeinschaft“ zusammenfügen, die glaubt, dass es richtig ist, Hühner nicht zu essen? Ethisch überzeugend ist sicherlich einzig der Verzicht auf jegliches industriell produzierte Fleisch, uns sicherlich ist es einfacher die Menschen erst einmal Schritt für Schritt zum Verzicht zu bringen, der sich dann sehr schnell zu einem großem Gewinn für alle wandelt. Fangen wir also doch einfach mal mit Hühnern an!

Hungry City, 1. September bis 28. Oktober 2012, im Kunstraum Kreuzberg (Bethanienhaus), Mariannenplatz 2, 10997 berlin

Kuratiert von Anne Kersten in Zusammenarbeit mit Stéphane Bauer.
KünstlerInnen: Jekaterina Anzupowa (UA/DE), KP Brehmer (DE), Agnes Denes (US), Leticia El Halli Obeid (AR), Fallen Fruit (US), Fernando García-Dory (ES), Futurefarmers (Amy Franceschini, Dan Allende, Lode Vranken) (US), Tue Greenfort (DK/DE) Kultivator (SE), Kristina Leko (HR/DE), MyVillages.org (NL/DE/GB), Heinrich Riebesehl (DE), Antje Schiffers & Thomas Sprenger (DE), Bonnie Ora Sherk (US), Lukasz Skapski (PL), Åsa Sonjasdotter (SE/NO/DE), Daniel Spoerri/Tony Morgan (CH, GB), Ève K. Tremblay (CA/US/DE), Insa Winkler (DE)

Es gibt ein umfangreiches Aktionsprogramm rings um die Ausstellung.

 

Autor:

 

27. August 2012 10:43:43

… am Meer: am Kolumbiadamm liegt der Strand

berlinmeer_rixdorf

Ach, wer hat nicht schon davon geträumt? Die beste Stadt der Welt ergänzt durch einen herrlichen Strand.
Nun kann man tatsächlich traumwandlerisch, zumindest mit dem Finger auf der Landkarte, über phantastische Uferpromenaden gehen – von der Treptower Insel bis zum Schöneberger Strand – und dabei so schöne Sachen besuchen wie das 3D-Alpenpanorama, den Buckminster-Fuller-Dom, die Ägyptische Pyramide oder das Aufstiegsfeld der Mongolfiere (die meisten Sehenswürdigkeiten als gewünschte Überbleibsel der Berliner Gewerbeausstellung 1896 in Treptow). Die Neuköllner Oper steht vor einem Opernplatz, wo man abends die Sonne im Meer versinken sieht (Sidney lässt grüßen), und die romantische Rixburg lockt verliebte Pärchen in die verwinkelten, mittelalterlichen Festungsmauern. Wie schön könnte es sein …

Jetzt zu haben bei Berlin am Meer.

 

Autor:

 

Beitragsarchiv

Bizim Kiez – Website