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5. November 2010 17:46:33

… Kunst des Lichts: László Moholy-Nagy im Martin-Gropius-Bau

Fotogramm Moholy-Nagy, ca. 1938. (c) VG Bildkunst, Bonn, 2010

Lange vor der multimedialen Postmoderne gab es die unbändige Vielfalt der Moderne, zu deren kreativsten Protagonisten der ungarische Künstler László Moholy-Nagy (geb. 1895) zu zählen ist. 1923 beruft Walter Gropius ihn an das Bauhaus, und Moholy-Nagy folgt dem Ruf, zunächst nach Weimar, dann nach Dessau. Moholy-Nagy ist Kunsttheoretiker, Maler, Filmemacher, Fotograf, Bühnenbildner, Typograf, Zeichner, Bildhauer. Als Industriedesigner schmiedet er das Band zwischen Kunst und Kommerz. Mit dem Fotogramm entwickelt er die Kunst des „Malens mit Licht“; es ist die „Lichtgrafik“, die ohne Kamera entsteht. Überhaupt Licht: Kunst muss Licht reflektieren, ist sein Prinzip, ja seine Mission. Malen mit Licht, nicht mit Farben ist seine Praxis. Diese weiterzugeben ist ihm Lebensaufgabe. Als engagierter Dozent unterrichtet er in Weimar und Dessau, später, nach der von den Nazis erzwungenen Emigration nach Amsterdam und London auch in Chicago, wo er die New Bauhaus – American School of Design gründet. Nach deren Schließung – Geldnot! – baut er 1939, ebenfalls in Chicago, das Institute of Design auf, wo er bis zu seinem Tod 1946 tätig ist.

Die 200 Arbeiten László Moholy-Nagys, die der Berliner Martin-Gropius-Bau seit dem 4. November 2010 bis zum 16. Januar 2011 zeigt, reflektieren auf geradezu unterhaltsame – wir könnten auch sagen multimediale – Art die unglaubliche Schaffenskraft und den Ideenreichtum des Mannes, der in (fast) allen Genres zu Hause war. Kuratorin Oliva Maria Rubio stellt sie zu einem illustrativen Panorama von Fotografien, Fotogrammen, Szenografien, Typografien und Werken abstrakter/geometrischer Malerei zusammen. Mich begeistern vor allem die Filme, in denen er dokumentarische Evidenz, Humor und Bildkunst gelungen komponiert. Sei es als cineastischer Reisebegleiter der Architekten der CIAM auf ihrer Fahrt über das Mittelmeer von Südfrankreich nach Athen (Architects Congress, 1933) – mit wunderbaren Aufnahmen von Le Corbusier, Sert, Moser und Bodoni. Dabei fällt der Blick des Kameramanns – und des Zuschauers – immer wieder auf den Rücken oder die Schuhe der in diesem Stummfilm lautlos eloquenten Urbanisten der Moderne, oder auf die ihren leidenschaftlichen Ausführungen gebannt lauschenden Zuhörern der Debatte über die Funktionelle Stadt. Jenseits der an der Oberfläche sichtbaren Ebene oder den traditionellen Medien des Dokumentarischen – Bücher, Zeichnungen, Modelle – offenbart dieser Film viel von den Ideen der Baumeister jener Zeit. Extrem unmittelbar und geradezu beklemmend die Fahrt der „Yacht“ durch die Straße von Hormus.

Oder sei es als neugieriger Voyeur bei den Roma im Umland Berlins (Großstadt Zigeuner, 12 Min., 1932/33) und als Chronist der Armut in sechs Hinterhöfen im Wedding, Kreuzberg, Neukölln .jener Zeit (Berliner Stillleben, 9 Min., 1931/32), wo der Zuschauer im genialen Perspektivenwechsel geradezu lakonisch den deutlichen Verfall der „Arbeiterviertel“ bis in die Tiefe der Hinterhöfe präsentiert bekommt, um dann eine mehrsekündige visuelle Studie des Kopfsteinpflasters oder die „special effects“ einer schnellen Straßenbahnfahrt zu sehen. Die Totale in die Höfe hinein drückt Endlosigkeit aus und impliziert Unergründlichkeit und Hoffnungslosigkeit. Ganz dem Experimentellen gewidmet ist Ein Lichtspiel schwarz-weiß-grau (5 Min., 1930/32), doch selbst im experimentierenden Spiel mit Licht und Schatten bleibt Moholy-Nagy politisch: Er tritt kompromisslos für die Kunst ein, ohne sie aus ihrem Kontext zu lösen. Und beweist zugleich, dass viele Formen Funktion folgen können. Davon vermittelt die Ausstellung im Martin-Gropius-Bau einen spannenden Eindruck.

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