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1. November 2011 20:26:29

… mutig: Alexis Sorbas soll nun abstimmen!

Vergleiche hinken. Dennoch: Einmal angenommen, der sich gerade konstituierende Berliner Senat würde beschließen, dass aufgrund der großen Schulden des Landes Berlin die Gehälter der Landesbediensteten um 15% gesenkt werden, dass ein großer Teil der Mittel für Soziales und Kultur gekürzt wird und dass sich die Preise für den ÖPNV deutlich erhöhen. Man nehme weiter an, dass der gleiche Senat diese Maßnahmen zum Gegenstand einer Volksabstimmung machen würde, an deren Ergebnis er sich gebunden fühlte. Man ahnt, was herauskommt.

Über die Einführung des Euro, der definitiv – Warenkorb hin oder her – zu einem Teuro geworden ist, wurde in Deutschland nie abgestimmt. Auch da ahnt man, zu welchem Votum das geführt hätte. De Facto hat die sich seit 1990 mit voller Wucht ausbreitende Globalisierung, die Produktivität und das Know how der deutschen Wirtschaft und die seit 1999 bestehende gemeinsame Währung für die deutschen Konzerne und Mittelständler, insbesondere im Export, durchaus positive Auswirkungen gebracht, aber welchen Preis haben das Gemeinwesen, die Beschäftigten, Arbeitslosen, Steuerbürger und Konsumenten in Deutschland dafür zahlen müssen? Zum Beispiel: Wachsende Staatsschulden, Klamme Kommunen, die ihre einfachsten Aufgaben kaum noch finanzieren können, immer mehr prekäre Arbeitsverhältnisse, stagnierende und viele Jahre sogar sinkende Reallöhne und – einkommen von Arbeitnehmern (Banker und Finanzmakler gehören dagegen zu den Gewinnern), Milliardenverluste, die durch das Agieren wildgewordener Banken, ja auch Landesbanken, entstanden sind, ein zurückgebliebenes Bildungssystem und eine ständig wachsende Kluft zwischen Arm und Reich hierzulande.

Griechenland ist gleichfalls Mitglied der Eurozone, hat aber größere Probleme, die inzwischen ganz Europa beschäftigen. Nun wird im tatsächlichen Mutterland der Demokratie das Volk abstimmen. Über das Sparprogramm seiner Regierung, über den Euro und letztlich über Europa. Erst protestierten und streikten die Griechen gegen die drastischen, wirtschaftlichen Einschränkungen und ihre Führung. Jetzt werden sie von der Regierung an die Wahlurne gerufen. Das Ergebnis der Abstimmung soll bindend für deren weiteres, politisches Handeln sein. Alexis Sorbas hat es in der Hand. Und was wird mit Lieschen Müller?

 

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5 Reaktionen

  1. Günther

    Nun sagen wir mal so – papandreou hat sich im angesicht eines vollkommen ausgemergelten alexis sorbas für den kerngedanken der demokratie entschieden, für das primat der politik über die „märkte“ und ihre wachhunde, während das vollkommen verfettete und verdummte lieschen müller auf dem sofa liegt und alles mit sich machen läßt …

  2. Ra

    Alles bedenkenswert. Aber Euro = Teuro müssten Sie belegen..

  3. Jürgen Pahl

    Der Euro ist nur eine Währung wie jede andere, aber die Menschen verbinden Fakten und Erfahrungen seitdem er da ist. Bereits 2002 hat die Bundesbank Teuerungsprobleme eingeräumt (s. Stiftung Warentest 09/2002 – „Bundesbank bestätigt Teuro“). In diesem Beitrag wird auch bereits darauf verwiesen, dass bestimmte Produktgruppen aus dem Warenkorb für den Verbraucher eine bestimmte Priorität haben, wie Lebensmittel und Dienstleistungen, für die in Vorbereitung der Euro-Umstellung die DM-Preise stark erhöht wurden, um dann nach der Umrechnung etwas abgerundet zu werden. Prof. Wolfgang Brachinger (9/2005 Stat. Bundesamt), weist darauf hin, dass der offizielle Verbraucherpreisindex duchaus nicht aussagefähig für die Masse der Konsumenten sein muss und dass die „gefühlte Inflation“ durchaus eine ökonomische Grundlage hat. Jeder merkt es täglich, dass die Preis- und Teuerungsentwicklung für Wohnen, Energie, Verkehr, Nahrung und Dienstleistungen schwerer ins Gewicht fallen, als für andere Bereiche. Letztlich fließt die Preisentwicklung/Inflation in Kaufkraftverlust (Michael Heise, Allianz, Von 1999-2010 von 1 € auf 84 Cent) und in das seit vielen Jahren sinkende bzw. stagnierende Realeinkommen der Deutschen ein. Ich gehe davon aus, dass durch die Euro-Krise und den sich daraus ergebenden weiteren Kapitalbedarf der Staaten und Banken eine Erhöhung der Inflation möglich ist.

  4. Ra

    Auch alles bedenkenswert – aber an den entscheidenden Stellen eben nur „gefühlt“. Dass Dinge teurer werden, liegt in der Natur unseres Wirtschaftssystems. Interessant wäre es, wenn durch die Währungsumstellung eine messbare Steigerung der Inflation zu verzeichnen gewesen wäre.

    Gedankenexperiment: man setzt einen Menschen, der kein Hintergrundwissen über die Währungsunion und deren Zeitverlauf hat, vor folgende Grafik und gibt ihm die Aufgabe: „An einem bestimmten Punkt in den letzten 40 Jahren wurde in dem betreffenden Wirtschaftsraum die Währung umgestellt, was allgemein mit starkem Anstieg der Preise in Verbindung gebracht wurde. In welchem Jahr ist das Ihrer Meinung nach geschehen?“
    http://upload.wikimedia.org/wikipedia/de/3/3a/Inflation1951-2007.svg

    Die Wahrnehmung von immer weiter steigenden Preisen, sinkender Kaufkraft und stagnierenden Reallöhnen der Menschen ist richtig – mit dem Euro hat das wenig bis nichts zu tun, denn Gleichzeitigkeit bedingt keine Kausalität..

  5. Jürgen Pahl

    Zur Bedeutung der „gefühlten“ Inflation hab ich ja schon was geschrieben. Von der EZB, Bundesbank u.a. wird man in dieser Zeit wohl wenig Kritisches zur Stabilität des Euro im Vergleich mit den „Vorwährungen“ hören. Aber nochmal zum Euro selbst:
    Ich schrieb oben, dass er eine Währung wie jede andere ist – das stimmt zunächst für den Verbraucher. Inhaltlich ist er natürlich mehr, nämlich die gemeinsame Währung ökonomisch und sozial sehr unterschiedlich entwickelter europäischer Staaten. Er ist nicht das Projekt des deutschen, französischen oder italienischen Bürgers, sondern der Staaten, die ein Gegengewicht gegen USA und Asien, auch währungspolitisch, bilden wollen. Wie unterschiedlich aber die Vorstellungen von der Stabilität (und Solidität) der nationalen Volks- und Finanzwirtschaften und damit auch von Stabilität (des inneren, aber auch des Außenwertes) der gemeinsamen Währung ist, sehen wir in diesen Monaten. Ich bin mir allerdings ziemlich sicher: Sollte diese Währung in weitere Schwierigkeiten geraten, dann werden die Euro-Staaten und ihre Institutionen Geld drucken (die Franzosen am liebsten sofort, die Deutschen werden sich auf Dauer nicht dagegen wehren können) und ihre Bürger bedenkenlos belasten, so wie das bisher auch gemacht haben. EZB u.a. werden weiterhin Euro-Anleihen von Staaten aufkaufen, von denen sie nicht wissen, ob sie ihre Realwirtschaft und ihr Zahlenwerk jemals in den Griff bekommen. Wachstum oder Stabilität auf Pump heißt immer Belastung der Staatshaushalte und damit des Bürgers auf unabsehbare Zeit. Oder aber es bildet sich eine Kern-Euro-Zone heraus, die nur noch einen Teil der Europäer versammelt. Andererseits: Zehn Jahre Existenz sind für eine Währung keine so lange Zeit, warten wir mit dem entgültigen Resümee also noch etwas ab.

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