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18. Mai 2008 20:12:58

… reine über Kopf Vernunft: Anna und Bernhard Blume im Hamburger Bahnhof

Anna und Bernhard Blume
Abstrakte Kunst

Ach ist das schön! Vertrauen in die essentielle Wichtigkeit des Sinnlosen. Komik als Inspirationsquelle für den Intellekt. „Das interesselose Wohlgefallen am Schönen, ist lediglich eine psychogymnastische Freiübung unseres Gemüts.“ Die in einem kritischen Ton benannten Thesen von Anna und Bernhard Blume scheinen durch ihre Arbeiten gerade gegenteilig bestätigt zu werden. Es ist eine riskant akrobatische und befreiende Übung, die in akkurat mürrischer Steifheit von den dargestellten Kleinbürgern ausgeführt wird. Es sieht aus als hätte Turnvater Jahn mit El Lissitzky und Kurt Schwitters einen Plan zur Kinetisierung des frühmodernen Menschen entworfen, der nun von dem Künstlerpaar zu Fotos getanzt wird. Der eckige Proto-Mann im karrierten Jacket und die knubbelige Proto-Frau im ornamentalen Blumenkleid fallen samt mentaler Einrichtung durch die von Rollenbildern und gesellschaftlichen Normen geordnete Welt. Es ist eine deutsche Bürgerwelt in der die beiden Blume(n)-Menschen ihre duften Fragen aus der Vase auf dem Wohnzimmerbeistelltischchen heraus in den cerebralen Hohlraum versprühen. Fragen nach …

… der Gültigkeit der Idee des Gegenentwurfs von Künstler und Bürger, nach der Wahrhaftigkeit oder Beschränkung der sichtbaren Erfahrungen oder nach der Natürlichkeit der Kultur. Das sind romantische Themen, die aber im Gegensatz zum Megatrend in der neueren deutschen Kunst nicht mit auf die Romantik bezogenen ästhetischen Mitteln beantwortet werden. Das ist auch bei 20 Jahren alten Arbeiten zur Zeit sehr erfrischend!

„Im Areal der reinen Vernunft ist Kunst die letzte Zufluchtstätte für Gemüts-Anteile, die noch nicht gänzlich zu sich selbst gekommen sind.“ Wie jeder weiß, ist die reine Vernunft als Maxime nicht lebbar. Die Kunst von Anna und Bernhard Blume ist darum auch in der gefühlten Welt der konsequenten Inkonsequenz der Gegenwart eher Inspirationsquelle als Zufluchtsort. Hier her zieht man sich nicht zurück, sondern von hier aus zieht man gestärkt hinaus in die Absurdität des Alltags.

Die großformatigen schwarz-weiß Fotoabzüge sind übrigens von beeindruckender Qualität, obwohl die beiden wie es ausshieht sogar nur auf Kleinbildmaterial arbeiteten. Für neuere Arbeiten wurde zur Bildverfremdung Photoshop entdeckt und leider (einzige kritische Anmerkung!) bekommen ein paar Bilder dadurch etwas Effektverliebtes, was in den älteren Arbeiten auch bei allerlei Verzerrungen und Perspektivverschiebungen nie vordergründig war, sondern immer verblüffend blickerweiternd wirkte.

Anna und Bernhard Blume: „Reine Vernunft“
Noch bis zum 10. August
im Hamburgerbahnhof

 

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