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20. September 2010 14:36:55

… voller Worte. internationales literaturfestival berlin noch bis zum 25. September 2010

September. Literaturfestivalzeit in Berlin. Über 200 Autorinnen und Autoren sind es in diesem Jahr, die zwischen dem 15. und dem 25.9.2010 ihre Texte und Ideen im Haus der Kulturen der Welt, dem Deutschen Theater, dem Babylon, dem Collegium Hungaricum u.a. schönen Orten präsentieren. Gespräche, Lesungen, Debatten, Konzerte, eine Tagung zur Verfolgung der SchriftstellerInnen durch die Geheimdienste und die Aufarbeitung der Vergangenheit in Mittel- und Osteuropa. Das Angebot ist groß.

Offenbar allerdings, und hier kommt das b-mol­l, größer, als es das Publikum in Berlin braucht. Von ganz wenigen Highlights abgesehen – darunter der chinesische Autor Liao Yiwu, der erst in letzter Minute sein Visum erhielt – reizen offenbar leider nur wenige der eingeladenen Literaten ein großes Publikum, den Weg in die Veranstaltungssäle zu finden, die eher überdimensioniert geplant erscheinen: 60 LeserInnen im roten Plüsch vor der großen Bühne des DT, in einem Raum, der das Zehnfache fasst, um das prominente Mitglied der letzten Berlinale-Jury, den bekannten somalischen Autor Nuruddin Farah zu hören; 40 Interessierte im Babylon für Yann Martell, dessen Roman „Schiffbruch mit Tiger“ sich millionenfach verkauft hat und der in seinem neusten Buch „Ein Hemd des 20. Jahrhunderts“ kontrovers den Holocaust thematisiert. Es mag daran liegen, dass der Hauptveranstaltungsort HKW – nicht nur, wenn 100.000 Menschen im Regierungsviertel gegen die Verlängerung der AKW-Laufzeiten demonstrieren – als schwer erreichbar gilt. Wenngleich sich bei dort bei hauseigenen Veranstaltungen oft Hunderte von Zuschauern und Zuhörern einfinden. Hohe Eintrittspreise mögen ein anderer Grund sein: 12 Euro für eine einstündige Lesung incl. Diskussion im Kino sind tatsächlich ein stolzer Preis. Es mag auch daran liegen, dass die Epoche der Literaturfestivals sich – zumindest in der Hauptstadt – dem Ende zuneigt. In der Zeit der Spektakel und Events übt nur das Neue einen Reiz aus. Im Gegensatz zu Musik und Theater, in dem jede einzelne Vorstellung wie jedes einzelne Konzert, ein Unikat ist, unwiederholbar (außer auf Konserve/MP3/DVD), und der/die ZuschauerIn in jedem Fall beim nächsten Besuch der Show eine neue Show geliefert bekommt, lebt Literatur von Beständigkeit. Natürlich sind die Bücher, Geschichten, Fantasien immer wieder neu. Natürlich ist jede Lesung – selbst der gleichen Geschichte – anders. Doch wie publikumswirksam ändern/erneuern sich die Autoren, die ihre Werke präsentieren? Und hat Literatur, haben Lesungen heute nicht ohnehin – wieder – ihren festen Platz in der urbanen Gesellschaft? In Berlin gibt es ein Literaturhaus, eine Literaturwerkstatt und das LCB. Große Buchhandelsketten laden regelmäßig zu Begegnungen mit Autoren ein. Theater nutzen ihre Säle für Lesungen und Debatten. Botschaften ebenso. Die Poesie hat in Berlin ihr eigenes Festival …

Vielleicht wäre die Rückkehr zu den Wurzeln eine innovative Idee. Das Festival als Ort, an dem LeserInnen quasi „gebündelt“ Autoren treffen können, die eben noch nicht von Dussmann/Hugendubel/Thalia vermarktet werden; Autoren aus nahen und fernen Ländern, die noch keine deutschen Verlage haben; die es noch zu entdecken gilt. Oder das Festival als Veranstaltungsreihe mit einem tatsächlich sichtbaren und spürbaren Schwerpunkt. Dass das diesjährige ilb den „Fokus Osteuropa“ hat, geht angesichts der schieren Masse von Events unter. Vielleicht sollte die Festivalleitung darüber nachdenken, in welche Richtung man sich nach zehn Jahren künftig orientieren möchte. Weniger Masse könnte ein mehr an Publikum bedeuten. Und der Mut zum Neuen bringt mit Sicherheit auch neuen Schwung.

Das Programm 2010 bietet trotz des beschriebenen schwächelnden Echos viel Spannendes. Und das Festival läuft noch die ganze Woche. Hingehen, selber hören und sehen, ist mein Tipp.

www.literaturfestival.com

 

Kategorie:

Literatur

 

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