Man könnte meinen, in dem Film „Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford“ ginge es darum die Geschichte, der James Bande zu erzählen. Doch tatsächlich ist diese nur der Hintergrund für die Geschichte seines Mörders Robert Ford, dessen Idol Jesse James war. Das ist sehr geschickt, weil sich der Film so mit einer Haltung der historischen Geschichte nähert, die die Legende des Jesse James auch heute noch lebendig hält.
Schon zu Jesse James Lebzeiten wurden seine Verbrechen politisiert und sein Banditenleben im Sinne eines Wild West Robin Hood interpretiert. In den 1870er Jahren umspannte das amerikanische Eisenbahnnetz im Prinzip das ganze Land und die Zeitungen waren inzwischen auch im Fach Sensationspresse als Massenmedien entwickelt. Die Story des guten Bösen als Rächer der Armen wurde im großen Stil verbreitet und massenhaft gern geglaubt.
Im Film wächst Robert Ford als glühender Verehrer des berühmten Gesetzlosen Jesse James auf. Er sammelte Zeitungsausschnitte und allerlei Fakten, die Ähnlichkeiten zwischen ihm und dem Leben seines Idols zu belegen schienen. Der kleine Robert („Bob“) will auch so sein, wie Jesse James, doch als er ihm endlich begegnet, erlebt er eine herbe Enttäuschung. Jesse James ist einfach ein instinktiv handelnder Krimineller ohne ideologischen Überbau und hehre Ziele. Der Star-Bandit hält nichts vom Medienrummel um seine Person und die anhimmelde Verehrung ist ihm zuwider. Er ist weder Autor noch Herr seiner eigene Idealisierung, sonder eher deren Getriebener. Der Film zeigt sehr schön, wie in diesem Klima der allmähliche Verfolgungswahn des Jesse James wächst und wie Robert Ford nach der Erfahrung der Unehrenhaftigkeit des Banditen nur noch daran interessiert ist, berühmt zu werden.
Insofern ist die Geschichte und das Motiv des heranwachsenden Bob sehr neuzeitlich: Er will Promi werden – genau wie die abertausenden Kinder und Jugendlichen, die heutzutage zu den Castings für allerlei Talent-Shows rennen. Es geht weder den modernen, noch dem historischen Jugendlichen darum, etwas von Substanz zu machen, sonder es geht schlicht und ergreifend um die mediale Präsenz, also um die Aufmerksamkeit der Massen.
Bob Ford wird tatsächlich berühmt. Er erschießt sein Idol, dessen intimster Begleiter er inzwischen geworden ist und schreibt so die Pointe in der Legende des Jesse James. Um seiner „Leistung“ die angemessene Aufmerksamkeit zu verleihen, wiederholt er diese Mordtat in Form eines Theaterstücks hunderte Male und zelebriert so seinen Verrat öffentlich, bis zum Überdruss des Publikums. Schließlich wird auch er von einem Mann erschossen, der von der nach wie vor lebendigen Heldengeschichte des Jesse James beseelt ist.
Der Film zeigt sehr schön, wie Menschen im Informationszeitalter (ja das ist schon 200 Jahre alt!) motiviert werden können, wenn soziale Bindungen weniger Halt geben, als medial erzeugte Idealbilder. Dass eine solche Geschichte in Form eines melancholischen Westerns über wunderbar poetische Bilder und eine immer literarische Sprache erzählt wird, ist schon äußerst bemerkenswert. Dazu sind alle Rollen hervoragend besetzt.
Zu dritt gesehen im Eiszeit. Es scheint, als wäre der Film zu gut für großes Publikum (aber er läuft ja auch schon seit Wochen).