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1. September 2008 10:09:08

… erpressbar: Alfred Hellmann zockt überzeugend Kaufhäuser ab

Alfed Hellmann Vor den Hymnen Berlin Krimi

Kaufhauserpressung scheint sich wirklich zu lohnen! Glaubt man Alfred Hellmanns neuem Berlin-Krimi VOR DEN HYMNEN, so fließen Milllionenbeträge, die von den Unternehmen gezahlt werden – denn es gibt Versicherungen dagegen, und der Rufschaden kann enorm sein.
Um den Verlust der Berliner Sontexa-Versicherung in Grenzen zu halten und vor allen Dingen seine Stellung im Unternehmen zu festigen, hat sich der ehrgeizige Johann Widera etwas besonderes einfallen lassen: Er heuert eine Söldnertruppe an, die Erpressern auf die Finger klopft. Dass die Aktion aus dem Ruder läuft, ein Mann erschossen wird und die Polizei auf merkwürdige Zusammenhänge stößt, macht dem Maseratifahrer Widera das Leben schwer. Besonders unangenehm wird es, als Kriminalhauptkommisar Viktor Land von der 9. Mordkommission auf die Sache angesetzt wird, denn Land denkt über den Tellerrand hinaus, wittert Zusammenhänge, wo andere gar nichts sehen, scheut nicht vor Konfrontationen mit Vorgesetzten zurück, und bleibt auch an einem Ball, der ins Abseits zu kullern scheint. So stößt er etwa … auf Katharina Stylenfuss, die es nach katastrophalen Spekulationsverlusten jetzt mit Kaufhauserpressung versucht und dafür Fleischsalat vergiftet. Oder auf Hans Heitmann, ehemaliges Mitglied einer Sondereinheit der Berlinern Polizei, der inzwischen als Quartalssäufer vor sich hin dämmert. Langsam zeigen sich Verbindungslinien, die Land anfänglich niemand abnehmen will, die aber schließlich zu einem fulminanten Showdown führen.

Alfred Hellmann, Jahrgang 1958, ist ein Mann des schlackenlosen Realismus, er weiß wovon er schreibt, die Hintergründe seiner Geschichte sind hervorragend recherchiert, seine Figuren haben psychologische Tiefe und glaubwürdige Hintergründe, und die Plausibilität des Plots lässt nichts zu wünschen übrig, obwohl die Umtriebe einer geheim operierenden Terrortruppe so weit hergeholt scheinen. Und als echter Berlin-Krimi hetzt VOR DEN HYMNEN uns durch halb Berlin, vom Stuttgarter Platz zur Leipziger Straße, vom Polizeipräsidium in der Keithstraße zu einem Coffeeshop am Ernst-Reuter-Platz, vom KaDeWe zum Großmarkt am Saatwinkler Damm und schließlich zum blutigen Showdown am Potsdamer Platz. Dieses Jahr ist mir noch kein besserer Berlin-Krimi untergekommen – Berlin als Schauplatz literarischer Verbrechen scheint allerding etwas in den Hintergrund zu treten. Rob Alef, Roman Rausch (dazu demnächst mehr), Marcel Feige, Ende September dann Henning Boetius und Oliver G. Wachlin – mehr war bislang nicht. Inspiriert die Stadt nicht mehr? Setzen die Verlage verstärkt auf den vielgelobten (und genauso viel gescholtenen) Provinzkrimi? Wir werden sehen.

Alfred Hellmann: Vor den Hymnen; Berlin Krimi; emons-Verlag Köln 2008; 240 Seiten, 9,90 Euro

 

 

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