Mein Freund B. R. sagte sinngemäß: „Ich bin in der DDR groß geworden. Ich hätte nach der Wende für allerlei gesellschaftliche Experimente zur Verfügung gestanden, denn ich war so erzogen. Wenn man eine neue Art des Zusammenlebens nur gut genug erklärt hätte, so dass man es für vernünftig hätte erachten können, dann hätte ich, und wahrscheinlich auch die meisten anderen, da mitgemacht. Es hätte aber auf jeden Fall nachweislich für alle das Gleiche gelten müssen, denn wir Ostler hatten das Gefühl, das es mit unserem System nicht geklappt hat, weil eben nicht alle – entgegen der Versprechungen – gleich waren.“
(Wie wir alle wissen, gab es 1990 keine mitreißende Idee. Es gab nur Geld.)
Ich glaube diese Worte verweisen auf eine zutiefst deutsche Sehnsucht. Auf die Vernunft als nationstiftende Einheit. Deutschland als Nation entstand als Vernunftsbund zum Wohle aller Beteiligten. Die Nation ist deshalb auch eine Nation im Geiste und nicht eine territoriale! Die Beteiligen waren bei dem „mehrstufigen“ Gründungsprozess übrigens alles andere homogen zusammengesetzt, nicht kulturell, nicht ethnisch, nicht im Glauben, nicht einmal sprachlich. Diesem Umstand haben wir es auch zu verdanken, dass die „deutsche“ Kultur so reich und vielfältig ist. Das klingt nun alles sehr schön, integrativ und friedlich, doch leider ist der Vernunftsbegriff – genau wie die Wissenschaft – kulturabhängig. D.h. kommen neue Moden, Ideen und Kulturen auf, verändert sich auch die Vorstellung des Vernünftigen.
Genau an diesem Punkt wird es gefährlich, denn die Vernunft ist gegenüber der Ökonomie anfällig. Vernünftig ist das, was augenscheinlich zur Verbesserung der ökonomischen Lage aller und vor allem des entscheidenden Einzelnen ist. Deshalb lässt sich der „vernünftige“ Deutsche kaufen.Hätten doch nur die richtigen das Geld. Heute wie damals.