ein buntes Kulturerlebnis!

… (un)gläubig: Was ist mit der Bolle-Moschee?

Gestern lud der grüne Lokalpolitiker Dirk Behrendt zu einem Info-Abend in einen ehemaligen Schuppen auf dem Gelände des Görlitzer Bahnhofs, um Fragen zum Neubau des Maschari-Centers einschließlich einer Moschee an der Ecke Wiener Straße/Skalitzer Straße einer Antwort zuzuführen. Der Pressesprecher des „Islamischen Vereins für wohltätige Projekte“ Birol Ucan, stellte sich der neugierigen bis verdächtigenden Öffentlichkeit und die profunde Kennerin der islamischen Szene in Berlin Claudia Dantschke (ZDK Gesellschaft für Demokratische Kultur) stand ihm mit einer weitreichenden Beleuchtung der politisch-religiösen Zusammenhänge zur Seite. Es kamen etwa 60 Leute, die sich rege an der Diskussion beteiligten. Wie immer in Kreuzberg waren auch eine Reihe von hoch engagierten freundlichen Verwirrten anwesend, die gelegentlich viel Freude in den Raum brachten.
Zu den Fakten (so weit ich sie verstanden habe): Der Bauherr und zukünftiger Betreiber, der Islamische Verein für wohltätige Zwecke (derzeit ohne Homepage!), hat das Gelände rein spendenfinanziert erworben und das Haus nicht nur als Moschee, sondern als echtes Gemeindezentrum gebaut. Die Gläubigen vertreten einen „gemäßigten Islam“, beziehen sich quasi auf die Schnittmenge der vier anerkannten Rechtsschulen bei der Auslegung des Koran und gehören der sunnitischen Strömung der „Al-Habash“ an, deren geistige Führer im Libanon leben. Von dort kommt auch der zur Zeit als ihr Imam auftretender Vorbeter, der auf arabisch predigt, wobei es Simultanübersetzungen ins Deutsche und Türkische gibt. (Die Umgangssprache unter den Vereinsmitgliedern sei übrigens deutsch.) Die Glaubensrichtung wird unter radikaleren Gruppen als eine Verbindung von Ungläubigen, weil viel zu weltlich, beschimpft, wobei das gegenseite Vorwerfen der Ungläubigkeit wohl allgemein üblich ist unter den verschiedenen islamischen Gruppen. Ein Besucher sagte dazu, „das ist bei linken Gruppen auch nicht anders.“
Der Verein hat nur ca. 250 Mitglieder und hat es trotzdem geschafft, anscheinend ohne einen oder mehrere Großspender, rund 5 Mio. Euro aufzutreiben.
Es gibt im Baukomplex 4-5 straßenseitige Gewerbeeinheiten, deren Nutzung noch nicht geklärt ist und einige Räume des Hauses sollen für verschiedene Kurse, Nachbarschafttreffs und ähnliches verwendet werden. All zu konkret hinsichtlich der laufenden Nutzung wurde Herr Ucan dabei allerdings nicht, was ihm gleich einigen Unmut einbrachte. Ich hatte allerdings das Gefühl, dass der Verein, und seine relativ unorganisierten Organe, derzeit allein mit der Bautätigkeit schon deutlich an die Grenzen ihrer Leistungsfähig geraten, und deshalb für weitere Planungen noch keine Konzepte vorliegen. Jedenfalls versicherte Herr Ucan, dass die Moschee nach der Öffnung jederzeit für jeden und jede zugänglich sei, genau wie es ihre jetzigen Räume in der Skalitzer Straße 33 auch seien. Allerdings wurde auch dem deutlich wiedersprochen, denn seiner Äußerung zur annähernden Gleichstellung von Mann und Frau bei den Habashi, steht die Tatsache entgegen, dass bei der Baustellenbegehung vor knapp einem Jahr, Männer und Frauen streng getrennt wurden und gewisse Teile des Baus vom jeweilig anderen Geschlecht nicht betreten werden durften. Das wiederum wurde von Herrn Ucan bestritten.
Letztlich verschob sich die Diskussion vom konkreten Anlass (Bau und Nutzung der „Bolle-Moschee“) zum Allgemeinen Thema der möglichen Integration des Islams in die westliche Welt. Die Frage „wann wird es einen deutschen Islam?“ geben, beantwortete Frau Dantschke dankenswerter Weise so: „Es wird nie einen deutschen Islam geben, genausowenig wie es einen deutschen Katholizismus gibt.“ Man müsse diese Religionen alle als zumindest spirituell international verbundene Weltreligionen verstehen. Bedenklich wird es nur, wenn es keine politische Loslösung zu Konflikten in anderen Ländern gibt, wobei eben das bei den Habashi, die mit diesem Moscheeneubau quasi automatisch zur Deutschlandzentrale und zur Führungsinstitution der Stömung aufgestiegen sind, nicht ganz auszuschließen ist.

Ich habe einiges gelernt an diesem Abend. Es gibt anscheinend in der islamischen Glaubenswelt der Sunniten keine hierarchische Struktur. Keinen obersten, etwa gewählten Vertreter. Statt dessen gibt es vier „anerkannte“ sunnitische Rechtsschulen, die den Koran bzw. die Schari’a teils recht unterschiedlich auslegen. Wenn nun ein Moslem sich der geistig spirituellen Ausbildung widmet und eine eigene Koranauslegung vertritt, ist es nur eine Frage des persönlichen Charismas, ob er zu einem Führer aufsteigt, dem dann große Gruppen folgen.
Sehr merkwürdig war das Selbstverständnis von einigen (sogar links sozialisierten) „deutschen“ Bürgern, die sich an diesem Abend zu Wort meldeten. Eine sich selbst als „junge deutsche Frau aus Kreuzberg“ bezeichnende Frau, warf dem Pressesprecher vor, dass sie sich von den Angeboten des Vereins „nicht angesprochen fühlt“, und dass man deshalb nicht von Integrationswilligkeit sprechen könne.
Ja muss denn ein islamischer Verein unbedingt junge deutsche Frauen ansprechen? Stehen wir nicht alle ein für Demokratie, Säkularismus und Liberalismus, und wenn ja, müssen dann die Habashi in ihrer Moschee nicht machen können, was sie wollen, solange sie sich an unsere durch die Verfassung garantierten Grundwerte, Rechte und Pflichten, sowie an die Gesetze des Rechtsstaats halten? Und bei aller Vorsicht, zunächst einmal muss die Unschuldsvermutung gelten.
Was sagte doch gleich ein großer Berliner in Bezug auf die Religionen in seinem Staate schon vor mehreren hundert Jahren dazu? „…jeder nach seiner Façon…