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Monatsarchiv für Februar 2010

23. Februar 2010 23:31:21

… wo man berlinert: Boxhagener Platz im Kino

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Der Film Boxhagener Platz von Matti Geschonneck wird auf den Plakaten als „Heimatfilm“ vermarktet und auf den ersten Blick könnte man denken, das hätte so seine Richtigkeit. Es wird richtig schön ostig berlinert, es gibt eine Liebesgeschichte, man isst deftig und mault ordentlich. Also allet jut, wa – trinkwa noch een. Aba nee, haltma: Dit is ja der Osten! Und ooch noch 1968. Dit macht die Jeschichte nu nich einfacher.

Ich habe den gleichnamigen und autobiografisch beeinflussten Roman von Torsten Schulz nicht gelesen, aber da er selbst auch das Drehbuch zum Film geschrieben hat und mit Matti Geschonneck einen sensiblen Regisseur gefunden hat, der ungefähr auf der gleichen Wellenlänge schwingt, nehme ich an, der Film ist so, wie es sich die Macher gewünscht haben. Ich glaube es geht ihnen um die Darstellung des lebendigen Kontrastes zwischen Privatheit und Öffentlichkeit (bzw. Staatlichkeit) – ein großes Thema all derer, die gerne über 1968 schreiben und reden.

In jenem Jahr wurden die politischen bzw. gesellschaftlichen Systeme in Ost und West in Frage gestellt, Kommunismus und Kapitalismus stehen in unterschiedlichen revolutionären Prüfungen, aber die beiden Seiten werden doch vom selben Beben erschüttert. Der Film schaut dabei konsequent aus dem Privaten ins Öffentliche, in dem er beobachtend an der Seite des jüngsten Mitglieds der Familie bleibt: Der Enkel „Holger“ begleitet seine Oma „Otti“ (großartig gespielt von Gudrun Ritter), die sich noch vor dem Ableben ihres fünften Mannes, den sie in einem Nebenzimmer verstaut hat, in den alten Spartakusbund-Kämpfer „Karl Wegener“ (ungewöhnlich konzentriert gespielt von Michael Gwisdek) verliebt. Je oller, je doller sagt ihre Tochter (Meret Becker) und alle fragen sich, wie die Oma das macht, dass sie immer neue Männer bekommt, die dann auch noch so praktisch versterben, wenn man sie los haben will, oder die Liebe eben wieder verflogen ist. Doch obwohl im Laufe des Films zwei alte Männer sterben (einer wird sogar ermordet), ist es kein Krimi. Es ist eher ein Gesellschaftsbild, das in Sepia gefärbt und als Komödie getönt, zeigen will, wie die DDR durch seine Organe (Stasi, Schule, Polizei) als Staatsmacht in das Leben seiner Bewohner einwirkte. Die Menschen mussten sich allein durch den Einordnungsdruck irgendwie zum „System“ positionieren. Wobei in der DDR leben zu lernen bedeutete, allzeit und überall zwischen privater und öffentlicher Einstellung unterscheiden zu lernen. Das legt zumindest der Film nahe und der aufwachsende Holger hat so seine Probleme mit den allgegenwärtigen Halblügen. Die einzige, die von all dem unbeschadet und quasi völlig unberührt von irgendwelchen staatlichen Ordnungsprinzipien ihr Leben eigenmächtig führt, ist Oma Otti. Darum ist die Frage, wie sie das mit den Männern macht, eigentlich die Frage nach dem Geheimnis, wie sie es macht, sich nicht gegenüber der Staatlichkeit zu positionieren, und mit diesem Kunststück auch nicht von deren Organen berührt zu werden.

Leider sind die Außenaufnahmen zum Teil im Studio Babelsberg in der völlig abgenudelten „Berliner Straße“ gedreht, die einfach nie authentisch wirkt. Langsam verschwimmen die vielen hier gedrehten Szenen der verschiedenen Filme zu einem allgemeinen psydo-städtischen Idyll, das gegen jegliche Speilfilmhandlung gefeit zu sein scheint. Es zwängt sich der Eindruck auf, dass das alte Berlin von ca. 1900 bis 1970 nur aus zwei Straßenecken bestand, in denen sämtliche geschichtlichen Tragödien der Deutschen stattfanden ohne nur die geringsten Spuren zu hinterlassen. So intensiv die Schauspieler diesen Ensemble-Film prägen, so lau sind die (zum Glück nicht all zu häufigen) Außenaufnahmen im Studio. Darum: Bitte liebes Studio Babelsberg: Baut endlich eine neue Berliner Straße mit mindestens 3 neuen Ecken, die nicht in diesem unverwechselbaren schrägen Winkel in die Tiefe fluchtet, den wirklich jeder mit ein bisschen räumlichem Vorstellungsvermögen wiedererkennt! Erlöst uns von der Geschichts- und Geschichten-resistenten Berliner Straße! Filme wie dieser hätten es verdeint.

Boxhagener Platz ist ab Anfang März in den Kinos. Ich durfte den Film schon im Rahmen der Reihe „Berlinale goes Kiez“ im Union in Friedrichshagen nebst eingeladener Filmprominenz sehen. Die Veranstaltung und das schöne alte Kino haben mir sehr gefallen. Bei Nacht sah es da draußen aus, als hätte man den Film auch dort drehen können.

 

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Deutschland | Geschichte | Kino | Politik

 

21. Februar 2010 18:23:29

.. raumsichtig: Avatar von James Cameron

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Wahrscheinlich bin ich der letzte, der zum teuersten und erfolgreichsten Film aller Zeiten noch weas zu sagen hat, aber Langsamkeit ist ja manchmal auch eine Stärke.

Die neue 3D-Technik-Aufnahme- und Abspieltechnik, mit der „Avatar – Aufbruch nach Pandora“ von James Cameron höchst aufwändig produziert wurde, ermöglicht tatsächlich eine neue Form des Sehens. Das Film-Sujet des Körperwechselns, also des Hineinschlüpfens in den Körper eines Anderen bei Erhalt des eigenen Geistes, kann in der 3D-Rezeption des Films selbst erlebt werden. So wie der Held (und einige andere) in speziell entwickelte Naturvolk-Körper (=Avatar) hineinschlüpfen und die Welt dann mit den physischen Fähigkeiten des künstlichen Körpers erleben, so schlüpfen wir Betrachter in den Kopf des Kameramanns, der für uns den Blick steuert, bzw. uns seinen Blick aufzwängt. Natürlich ist das im Prinzip auch beim herkömmlichen 2D-Film der Fall, bei dem unser Bilck auch geführt, geleitet oder verleitet wird, doch durch das dreidimensionale Sehen, bei dem wir im alltäglichen Leben gewohnt sind, selbst den Fokus in der Tiefe des Blickfeldes zu setzen, bekommt die Blickführung durch die Kamera natürlich auch eine neue Dimension. Wir sehen nicht wie sonst im Kino mit starrem Fokus auf die Leinwand und sehen eine 2D-Projektion der 3D-Welt, sondern wir sehen eben wirklich 3D. Nur man kann nicht selbst entscheiden, was genau man gerade scharf sehen möchte. Das hat die Kameraführung für einen entschieden. So entsteht das Gefühl, im Körper eines anderen zu stecken. Man sieht durch die Augen eines anderen.

Gerade die phantasievolle Natur des fremden Planeten, die wir quasi im Körper des Avatars erleben, erscheint so wirklich bezaubernd und das Design der äußerst vernetzten und interaktiven Flora und Fauna wirkt geradezu beglückend. Natürlich steht man sofort auf der moralischen Seite des Urvolkes, genannt Navi, das sich nie von seiner Umwelt emanzipiert hat. Diese Humanoiden leben noch im Paradies – sie haben es geschafft vom Baum der Erkenntnis zu essen, ohne mit der Erbsünde dafür bestraft worden zu sein. Sie sehen ihre Nacktheit und erkennen sie als die gleiche Verletzlichkeit, mit der auch alle anderen Teile der Welt miteinander (inter)agieren. Deshalb gibt es keine Scham auf Pandora, sondern ganzheitliche Fürsorge. Die Navi sind im Gegensatz zu uns Menschen noch immer integraler Bestandteil der Natur und wollen das auch bleiben. Eine Welt voller blauer Blumen geschaffen nach dem romatischen Ideal eines Novalis.

Da der Mensch in der Zukunft, in der dieser Film spielt, noch immer nichts dazu gelernt hat, kommt es zum unausweichlichen Konflikt zwischen den beiden Lebensprinzipien, der aufeinander stoßenden Arten: Dem menschlichen Streben nach Profit und dem urvölkischen Nicht-Streben in der Ballance. Nun hat sich Romantik immer nur als eine andere Art der Zerstörung erwiesen und so geschieht es leider auch in diesem Film. Als das Naturvolk schon besiegt scheint, bäumt sich die gesamte Natur in gemeinsamer Anstrengung gegen die Aggressoren auf und zerstört diese ihrerseits. Fraglich welche Botschaft wir Menschen daraus ziehen.

Den Rest der äußerst üblichen Geschichte (siehe Trailer) kann man möglichst schnell vergessen.

 

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Kino

 

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