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… deutsch/türkisch: Auf der anderen Seite von Fatih Akin

In einem Interview mit Fatih Akin hörte ich, dass er den Gewinn der Palme für das beste Drehbuch beim diesjährigen Festival in Canne sehr ironisch kommentierte. Der Regisseur war, während der Zeit als „Babel“ gerade in den Kinos war, mit dem Schnitt für seinen Film „Auf der anderen Seite“ beschäftigt und kam bei der Ansicht von Iñárritus Film ist Grübeln. Auch Akins Film verbindet mehrere Erzählstränge und weist auch inhaltlich einige Parallelen auf. Akin mochte Babel aber nicht und so entschloss er sich gemeinsam mit dem Cutter einen ganz anderen Film aus dem Material zu schneiden. Als Ergebnis hatte der fertige Film mit dem ursprünglichen Drehbuch nicht mehr viel zu tun und trotzdem bekam er eine Preis fürs Drehbuch. Bedeutet also, man wollte ihm einfach wegen der allgemeinen Qualität des Films irgendeine der Palmen überreichen.
Es gibt sehr interessante Szenen im Film: z.B. werden ein paar politische Aktivistinnen in Istanbul verhaftet, die lauthals ihre Namen auf der Straße brüllen, damit es möglichst viele Menschen mitbekommen und die türkische Exekutive sie nicht einfach irgendwie verschwinden lassen kann. Ein anderes Mal verzweifelt eine Deutsche fast an der als ungerecht empfundenen türkischen Gesetzeslage und immer wieder steht die Frage im Raum: ist die Türkei ein Land nach europäischen Maßstäben? Kann so ein Land in die EU? Dass es dagegen auf allen Seiten begründete Resentiments gibt, es aber gleichzeitig auch eine große Chance für alle ist, zeigt der Film sehr schön ambivalent an persönlichen Lebensgeschichten.
Doch wo ist das segensreiche Tempo geblieben, das Fatih Akin mit den Filmen „Gegen die Wand“ und „Kurz und schmerzlos“ dem deutschen Film eingetrieben hat? „Auf der anderen Seite“ wirkt plötzlich wie ein deutscher Autorenfilm des letzten Jahrhunderts und das kann nicht nur daran liegen, dass man Hanna Sshygulla fast nur aus diesem Genre kennt und es deshalb den Film quasi negativ reziprok ausbremst. Der Film ist seltsam langsam, obwohl die Geschichte eigentlich mit großen Schritten vorankommt. Vielleicht gibt es einfach ein paar ach so intensive Blicke, Umarmungen, Autofahrten zu viel, die einen aber nicht davon abhalten sollten ins Kino zu gehen.