
Ganz ohne Warten konnten wir die Ausstellung „Französische Meisterwerke des 19. Jahrhunderts aus der Sammlung des Metropolitan Museum of Art New York“ in der Neuen Nationalgalerie besuchen. Hier stehen keine lange Schlangen vor der Tür, wie es bei der großen „MoMa in Berlin“-Show war. Durch die starke Werbung (von MetaDesign) wurde an Stelle des langen Titels der Schau der deutlich eingängigere Slogan „Die schönsten Franzosen kommen aus NewYork“ geprägt.
Nun ist die Kunst des 19. Jahrhunderts nicht gerade im Zentrum meines Kunstinteresses, doch ich gönnte mir zum besseren Verständnis einen Audio-Guide, über den eine recht große Zahl an Bildern mit Otto Sanders sonorer Stimme beschrieben wird. Außerdem leitet mir seit Neuestem der vom derzeitigen Dokumenta-Macher-Paar (Roger M. Buergel und Ruth Noack) in die Welt gesetzte Satz „Die Moderne ist unsere Klassik“ eine neue Sicht auf nicht-kontemporäre Kunst. Wenn man so auf die Ausstellung blickt, denkt man nicht so sehr darüber nach, wie es zu den gezeigten Stil- und Kunstrichtungen kam, sondern eher darüber, was daraus wurde. Dies ist ein ligitimer Zugang zu Werken, der für Nachgeborene immer offen steht.
Man durchschreitet (nur im Untergeschoss des Mies van der Rohe-Baus) eine wertvolle Sammlung, geordnet nach den künstlerischen Entwicklungen Frankreichs, vom Klassizismus über die Romantik, den Realismus, den Impressionismus und Postimpressionismus bis zum Aufbruch der Moderne an der Wende zum 20. Jahrhundert. Über diese Leitstile hinweg wird eine schrittweise Befreiung der Malerei deutlich, sowohl was die Motive, als auch die Maltechniken betrifft. Gerade im Fach Aktmalerei ist der Weg vom Darstellenden über das Abbildene zum Ausdrückenden sehr deutlich. Von den klassizistischen Bildern eines Jean-Auguste-Dominique Ingres, in denen Menschen immer in „gestellten“ Posen nach der Leermeinung der „Akademie“ inszeniert wurden, geht es über Gustav Courbet, bei dem der Mensch im Bild plötzlich zur Person mit Namen und Eigenschaften wird, bis hin zu Henri Toulouse-Lautrec, in dessen Bilder von Pariser Huren es vor allem um deren Gefühlswelt geht. Auch die Bildausschnitte (Einfluss der aufkommenden Fotografie) und Perspektiven werden über die Zeit immer unkonventioneller und damit auch ineressanter. Die Impressionisten machten „flüchtige“ Momentaufnahmen und schufen damit bleibende Eindrücke (und Werte). Man entdeckt halb an- oder abgeschnittene Personen und die Auflösung von perspektivischen Zwängen kommt auf. Schließlich werden Maltechniken zu eigenständigen Bildinhalten erhoben, wie zum Beispiel im Pointilismus (Einfluss der Wahrnehmungstheorien – Simultankontrast) eines Georges Seurat oder den pasteusen Bildern von Vincent van Gogh.
Die Frage nach dem „was wurde daraus?“ ist an der Schwelle zum 20. Jahrhundert, wo die Ausstellung endet, natürlich nicht mehr adäquat zu beantworten, aber es wird deutlich, dass nach der schrittweisen Öffnung der Kunst im 19. Jahrhundert ein Jahrhundert des künstlerischen Experimentierens hereinbrechen musste.
Zur Ausstellung wurde im Untergeschoss ein geräumiger Museumsshop eingerichtet, der allerlei Waren bereithält, die mehr oder weniger direkt mit der Schau zu tun haben. Das ist hervorragendes Museumsshopping, wie wir es in Deutschland nur durch einen amerikanischen Import erleben dürfen.