ein buntes Kulturerlebnis!

… durchtrieben: Room Service mit Kurt Krömer an der Schaubühne

Hier wird beleidigt, angepisst, bespuckt, angeschissen, in den Arsch gefickt: das ist die Punk-Ebene. Es wird gestolpert, mit Türen geschlagen, betrunken getaumelt, mit Essen geworfen und es werden Stereotypen bedient: Das ist die Boulevard-Ebene. Es wird live musiziert, gesungen und getanzt: Das ist die Show-Ebene. Es werden politische Anspielungen gemacht, Amerika krank gefunden und der Blick in ein unteres soziales Millieu gelenkt: Das ist die typische Schaubühnen-Ebene. Das Stück wird mehrmals gebrochen, dekonstruiert und ausgesetzt: Das ist die Strukturelle Ebene. Es werden reichlich Anspielungen gegenüber Kritikern, anderen Regisseuren und Schauspieler gemacht: Das ist die ganz private Ostermeier-Ebene. Punk-Ebene: ziemlich krachig.
Boulevard-Ebene: können Boulevard-Theater besser.
Show-Ebene: kümmerlich bis jämmerlich (mit Ausnahme der Musiker).
Politische Ebene: ungelenk, zu berechenbar, aber notwendig.
Strukturelle Ebene: ganz interessant.
Ostermeier-Ebene: für mich unverständlich aber vermutlich die sinnstiftende Ebene für den Regisseur. Aber was ist eigentlich die inhaltliche Ebene der Broadwayklamotte „Room Service“ von John Murray und Allen Boretz aus dem Jahr 1937. Der Produzent Gordon Miller (Kurt Krömer) sucht verzweifelt nach einem Sponsor für seine Theatergruppe, die wie er selbst auf Pump in einem Hotel untergekommen ist, mit dessen Geschäftsführer er verwandt ist. Aber als sich endlich ein Finanzier findet, droht die Produktion zu scheitern, weil der Hoteldirektor auf der Bezahlung der offenen Zimmerrechnung besteht. Schließlich soll eine heimliche Premiere genügend Geld einspielen, doch dazu müssen reichlich Leute hinters Licht geführt werden. Das Ganze findet auf einer Bühne und in Kostümen statt, die auch die Kullisse der Kurt Krömer-Show darstellen könnten. Zweimal wechselt das Stück auch in das Format einer ruppigen Late-Night-Show, in dem man Kurt Krömer kennt und in dem er auch besteht. Das ist originell, schräg und ein bisschen anarchisch. Als Schauspieler integriert er sich hingegen kaum ins Ensemble, wobei das allerdings auch nicht sein soll. Denn Krömer bleibt bei dem stattfindenen Chaos mehr oder weniger außen vor. Die anderen machen sich zum Affen, er beibt im Rahmen des Krömerhaften.
Thomas Ostermayer weiß mit Sicherheit, dass das Stück manchmal erhebliche Längen hat, doch er will bewusst die Kritikergilde herausfordern. Sie sollen alles möglichst Scheiße finden, während sein Stück regelmäßig ausverkauft ist. Da geht es um die Marke Ostermeier, die als Anti-Marke immer weiter aufgebaut werden soll. Theater gegen alle anderen, mit Punk-Attitude, gelerntem Handwerk und links-politisch korrekter Awareness. Doch gegen wen soll das eigentlich sein? Wen soll das alles provozieren?
Das Kurt Krömer-typische Publikum findet den langen Abend (3 Stunden) sehr amüsant. Die vielen theaterinternen Anspielungen, die Ostermeier so wichtig sind (Peter Stein, Martin Wuttke), gehen spurlos an ihnen vorbei und das Theatergeschehen ist zumindest verrückter als die meisten TV-Shows. Das übliche Theaterpublikum schwankt zwischen Entsetzen und Verärgerung, bleibt aber mehrheitlich der Aufführung sowieso fern. Dabei hat man schon eine Menge krankes Zeug zu erzählen hinterher.