ein buntes Kulturerlebnis!

… ein Kracher: Achtung (implodierende) Sprengarbeiten!

Nach Roman Signers wunderbarer Zündelei ist nun in den Ausstellungsräumen der NGBK die Ausstellung „Achtung Sprengarbeiten!“ zu sehen. Berlin steht künstlerisch in Flammen und das nicht nur, weil sich Wowi für den trockeneren „White Cube“, anstelle der feuchten „Wolke“ als temporäre Kunsthalle auf dem Schlossplatz entschieden hat. (Halte ich im übrigen für eine richtige Entscheidung, denn auch in der Kultur ist sündhaft teure Symbolpolitik unzeitgemäß!) Nein, auch im Berliner Kunstverein NGBK kann es zur Zeit nicht genug krachen. Insgesamt 18 Arbeiten wollen Funken versprühen und Feuer an allerlei Lunten legen. Denn „Achtung Sprengarbeiten!“ möchte das Phänomen Sprengung und seine gesellschaftlichen Implikationen von Macht und Ohnmacht erforschen. Dass eine Ausstellung der richtige Versuchsaufbau für eine Forschertätigkeit sein kann, darf man allerdings getrost bezweifeln. Man muss es als Kuratorengerede auffassen, denn Forschung ist etwas ganz anderes. Die Ausstellung kann zeigen, was die Künstler zu dem Thema ersonnen haben, und wir Besucher können diese Statements ansehen, versuchen zu lesen, und wenn man gutmütig ist, meinetwegen auch erforschen, im Sinne von nachvollziehen.
„Sprengung steht sowohl für gewaltsame Zerstörung, als auch für Befreiung und Freisetzung vormals gebundener Energien.“ Das ist auf der Website der Ausstellung zu lesen und es leitet die vier thematischen Bezugsfelder ein: Spektakel, Gefahrenzone, Intervention, Denkonstruktion. Im Bereich „Spektakel“ kann man über ein Videoarchiv an der fröhlichen Zerstörung von Gebäuden teilhaben. Es geht um die Spannung bis zum großen Knall und die Erlösung der Auflösung. In der „Gefahrenzone“ werden Koffer aus Sicherheitsgründen gesprengt. Sicherheit gibt es hier nur zum Preis des Totalverlustes. „Intervention“ ist, wenn im öffentlichen Blumenbeet plötzlich ein Stiefmütterchen in die Luft geht, wobei diese Intervention recht nah am Spektakel liegt. Und „Dekonstruktion“ ist, wenn die zerborstenen Einzelteile oder die Energie selbst wieder als eigenständige Subjekte verfolgt werden.
Beim schnellen Durchgang erhascht man in der Ausstellung einen Blick auf die Ästhetik der Zerstörung mittels Sprengung. Es ist schon verblüffend, welche sensiblen Konstrukte bei der plötzlichen Entladung eines Sprengsatzes zum Beispiel in einem Buch entstehen. Die Sammlung „Second Story“ von Aoife Van Linden Tol zeigt vielerlei fragile Explosionsrückstände. Durch die gewollte Vernichtung entsteht etwas höchst zerbrechliches Schützenswertes. Vielleicht eine Idee zur Theorie des „Big Bang“: Erschaffung durch totale Zerstörung.
Wenn man etwas mehr Zeit mitbringt, sieht man die winzige Filmprojektion von Friederike Klotz, in der zwei Berliner Grunschüler erörtern wie man die Welt in die Luft sprengen könnte, oder man betrachtet den Animationsfilm „Stereoscope“ von William Kentridge am besten gleich mehrmals. Hier geht es um das explosive Potenzial in der Gesellschaft, das vorallem aus Ungleichbehandlungen und Ungerechtigkeiten Energie bezieht. Das sind dann schon Positionen, wo zumindest die Künstler selbst als Forscher, in ihren eigenen Vorstellungen den Fragen der Macht und Ohnmacht nachgehen.

Videobeitrag bei art-in-berlin.

Ausstellung noch bis 2 Dezember 2007.
Neue Gesellschaft für Bildende Kunst e.V
Oranienstraße 25, 10999 Berlin