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… erstaunlich: Dani Levys „Mein Führer“ ist gar nicht so schlecht

Nach den vielen schlechten Kritiken, ging ich mit kaum zu unterbietenden Erwartungen in „Mein Führer – die wirklich wahrste Wahrheit über Adolf Hitler“. Dani Levy wagte sich an eine Satire, die er nach eigenen Angaben dem auf historische Tatsachen versessenen Film „Der Untergang“ entgegenstellen wollte. Außerdem sieht sich der Film in der Tradition der beiden Hitler-Persiflagen „Der große Diktator“ von Charie Chaplin und „Sein oder Nichtsein“ von Ernst Lubitsch. Gemessen an Lubitschs Film, der eine unglaublich punktgenaue und bissige Satire ist, ist Levys Film ein bisschen müde. Aber so richtig schlecht finden, will ich ihn doch nicht.
Die Schauspieler im Film liefern alle sehr gute Rollen ab. Helge Schneider gibt den depressiven Hitler, Ulrich Mühe den jüdischen Schauspielprofessor Grünberg, der sich endlich wieder gebraucht fühlt und Sylvester Groth als Joseph Goebbels ist ein gnadenlos charmanter Verführer. Alle Charaktere schwanken etwas gewöhnungsbedürftig zwischen realistischer Darstellung und parodistischer Zuspitzung, wobei einzelne schon sehr schön getroffen sind. Z.B. Albert Speer, von Stefan Kurt dargestellt, der in glühender Liebe zu seinem Führer eine Kulissenwelt erfindet, an die er selbst so sehr glaubt, dass er die dahinterliegenden Trümmer der Realität ausblendet.
Die Geschichte entwickelt sich zeitweise zu einer Tragikkomödie, in der man vor allem mit dem unfreiwilligen Hitler-Rede-Trainer Adolf Grünberg mitleidet. Die oft geäußerte Kritik, Hitler selbst würde zu der eigentlich tragischen Person im Film stilisiert, kann ich nur teils nachvollziehen. Der Führer ist bei Levy zwar ein paranoider Irrer, der von Goebbels inszeniert wird � Hitler gibt in wütender Phantasie wirre Befehle von sich und wird als verletztes Kind dargestellt � sympathisch ist er trotzdem in keiner Szene.
Es gibt eine absurde Ebene im Film, die komplett geschmacklos aber wirklich witzig ist. Da steigt Hitler, vom unruhigen Schlaf getrieben, zu der jüdischen Familie ins Bett, wo er von Frau Grünberg mit einem jiddischen Schlaflied eingeschläfert und kurz darauf mit einem Kissen gewürgt wird, was der Führer aber für einen schlechten Traum hält. Oder Hitler zieht seinen unwilligen Hund Blondie durch ein Fenster nach draußen, wo der Hund wie ein Sack auf den Kopf fällt. Das sind groteske Szenen, die Spaß machen und von denen man sich noch mehr wünscht.
Im ganzen Film gibt es einen moralischen Subtext, der uns immer wieder auf die grausamen Verbrechen der Nazis hinweist. Jämmerlich versucht der Theaterprofessor gegen das allgegenwärtige Morden etwas für seine Leidensgenossen zu tun, wird aber von Goebbels mit seiner inszenierten Realität ausgetrickst.
Dani Levy folgt Charlie Chaplin mit dem Ende des Films. Der Führer hält eine Rede vor dem Volk, nur dass er selbst seine Stimme verloren hat und von Adolf Grünbaum unter der Tribüne synchronisiert wird. Dieser jedoch verlässt den vorgesehenen Text und legt dem Führer selbstparodistische Worte in den Mund. Er bezahlt dafür mit dem Leben. Charlie Chaplin wurde dagegen humanistisch und setzte seinem Film damit eine politische Intension als Schlussakzentuierung.

Vom Film abgesehen wird in Deutschland nun wieder heiß diskutiert, ob man über Hitler lachen darf: Natürlich darf man! Man soll! Weil man damit allen hirnverbrannten Alt- oder Neonazis klar macht, wie dumm und lächerlich ihre Ansichten sind. Die beiden Klassiker der Filmgeschichte, in deren Tradition sich Levys Filmsehen möchte, beantworteten diese Frage im Übrigen schon vor über 60 Jahren zweifelsfrei. Hier ein paar Szenen aus den historischen Hitler-Satiren:

Charlie Chaplin – Der große Diktator

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Ernst Lubitsch „to be or not to be“

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