
Im obersten Stockwerk (Kaisersaal) des Museums für Fotografie (Helmut Newton Fondation) ist eine Foto-Installation aufgebaut, die mich sehr beeindruckt hat. Reiner Leist macht seit 1995 an jedem Tag, den er in New York in seinem Büro ist, ein Foto mit einer fest installierten Plattenkamera. Die Bilder zeigen immer den gleichen Bildausschnitt: Der Blick aus einem Hochhaus in Midtown Richtung Süden in die Skyscraper-Landschaft Manhattans. Bei Tagaufnahmen wird die Szenerie von den verschiedenen Lichtstimmungen belebt und nachts sieht man die mehr oder weniger erleuchteten Fassaden.
Das Ausstellungsdesign spiegelt diese Außenansicht eines partiell beleuchteten Wolkenkratzers wieder. Die vielen Bilder sind die Fenster eines Hochhauses und man bewegt sich als Besucher wie ein Riese vor dieser Fassade.Irgendwann erkannte ich auf den früheren Aufnahmen das World Trade Center und sofort schoss es mir in den Sinn: Was ist auf dem Bild vom 11. September 2001 zu sehen? Ich ging auf die Suche und fand schließlich die Stelle. Interessant zu erleben, wie ich wieder zum neugierigen Gaffer wurde, obwohl ich ja genau wusste, was mich erwartete. Doch dann die Überraschung: Eine völlig unspektakuläre Fotoreihe vom 10. bis 12. September. Am einen Tag steht das Gebäude noch, am nächsten Tag sieht man außer Nebel überhaupt nichts und am dritten Tag ist das WTC einfach nicht mehr da. Diese nicht vorhandene Zäsur steht ungefähr in die Mitte der Dokumentation und d.h. ganz bildlich, das Leben ging weiter. Tag für Tag – Bild für Bild.