ein buntes Kulturerlebnis!

… geräuschvoll: Ultraschall, das Festival für neue Musik im Radialsystem

Meistens taugt die Frage nach dem Neuigkeitswert von Kunst nicht für deren Bewertung. Wenn sich ein Festival aber vorsätzlich der „neuen Musik“ verschreibt, sollte die Frage erlaubt sein und man darf mutmaßen, dass sich die Festivalmacher auch daran messen lassen wollen, ob die dargebotenen Werke und Gruppen es schaffen, horizonterweiternd zu arbeiten.
Im Programm von „Ultraschall“ kann man nun gut nachvollziehen, dass der Begriff „Neue Musik“ als eine Schublade für ganz bestimmt Musik verstanden wird, die seit den 20er Jahren betrieben wird und von Adorno zeitlebens propagiert wurde. Insofern darf man also nicht erwarten, wirklich Neuartiges zu hören, sondern eben neue (frisch komponierte) Neue Musik.
Am 26.01.2007 um 21:00 Uhr spielte das „Arditti String Quartett“ vor einem überfüllten Haus… (Ein Video über das Konzert finden Sie im Langtext.)und ich musste mir meine Karte durch unfaires Vordrängeln erkämpfen. Allerdings ist das Verfahren zur Vorbestellung, Ausgabe und dem Ergattern von Rückgabekarten im gerade erst gegründeten Radialsystem dringend reformbedürftig, wenn man sich die Besucher gewogen halten will.

Durch mein spätes Erscheinen blieb mir dankenswerter Weise nur noch ein Platz auf der Bühne in unmittelbarer Nähe zu den vier Musikern, die dann aber natürlich mit dem Rücken zu mir spielten. Die Bühne war für den Mitschnitt von DeutschlandradioKultur mit Mikrofonen präpariert, doch kann ich mir kaum vorstellen, dass dabei eine saubere Aufnahme entstand, da sowohl die Bühne selbst, das Metallgestühl, wie auch die Tribühne leidenschaftlich knarzten.

Nun zum Konzert:
Die „Neue Musik“, wie sie an diesem Abend zu hören war, versuche ich als nicht-musiktheoretisch Gebildeter mal so zu beschreiben: Die Musiker arbeiteten mit klassischer Apperatur (Bogen und Finger) auf ihren Instrumenten und entlockten diesem unter zeitweiser Hinzufügung von verschiedenen Klemmelementen (Krokodilklemmen, Drähte, Metallblättchen) schnarrende, quitschende, zischende oder wummernde Geräusche, die ihnen in einer taktstrichlosen, hoch komplexen Partitur mit stellenweisen Freiheiten für den Interpreten, vorgeschrieben wurden. Dabei wurden Harmonien und Melodien durch Strukturen und Texturen ersetzt.
Inhaltlich kann man es vielleicht so umschreiben: Durch starke Dynamik und Tempovariationen wurde ein Reigen von Hörbildern geschaffen, die sich semantischen Zuschreibung wie z.B. Eile, Behäbigkeit, Leichtigkeit oder Helligkeit zuordnen lassen. Wenn die Kopositionen emotionale Tiefe entwickelten, wurde daraus so etwas wie Verfolgung, Sattheit, Transtendenz oder Göttlichkeit. Da die Komponisten der vorgetragenen Werke tendentiell kosmopolitisch sind, wurde manchmal eine Ebene eingezogen, auf der die Klangfarben wahlweise einen asiatischen, russischen, afrikanischen, brasilianischen oder sonst irgendwie ethnomusikalischen Touch bekamen. In diesem Zusammenspiel von Assoziationshintergründen trat dann manchmal der Fall auf, dass ein Werk einen gewissen nachvollziehbaren Spannungsbogen verfolgte und daraus eine auditiv erzählende Geschichte wurde. Doch solcher Art „darstellend“ will die Musik vermutlich gar nicht sein.

Das Arditti Quartett ist für derartige Musik ein ausgewiesener Expertenclub, dessen Mitglieder exzellente Musiker sind, die sichtlich Spaß an ihrem Spiel haben. An diesem Konzertabend lieferten die vier Herren eine sehr überzeugende Darbietung ab. Mit zunehmender Dauer des Konzertabends ließen mich die Kompositionen allerdings ermüden. Wahrscheinlich lagt es nur am schlechten Trainingszustand meines Aufnahmevermögens im Fach Neue Musik.
Insofern gefielen mit die Kompositionen von Rolf Wallin „Concerning King“ nach einer Rede von Martin Luther King (ich weiß leider nicht welche, aber man darf annehmen die berühmte) und Olga Neuwirth „Akroate Hadal“ mit denen das Programm eröffnet wurde am besten.

Da das Konzert durch den großen Andrang (tatsächlich aber durch die schleche Kassenorganisation) eine 3/4-Stunde Überlänge bekam, wurde die anschließende Diskussion, um die Zukunft der Darbietungsform „Konzert“, ins Foyer minimiert.

Das Festival läuft noch bis Sonntag.