Es war ein politischer Umfaller mit Ansage: Am 29. Januar 2025 stimmte die CDU erstmals in der Geschichte gemeinsam mit der AfD, obwohl Merz genau das noch vor drei Wochen unbedingt verhindern wollte. Es war der Moment, in dem sich zeigte, was viele längst befürchtet hatten: Die Union ist bereit, mit der AfD zu kooperieren, wenn es um Macht geht. Doch das eigentliche Fiasko folgte heute, zwei Tage später: Das von Union eingebrachte „Zustrombegrenzungsgesetz“ ist gescheitert. Zwölf Stimmen der CDU waren „nicht anwesend“ und Teile der FDP-Fraktion spielt das „All-in-Game“ nicht mit. Noch vor zwei Tagen hatte sie mitgestimmt, nun ist sie in Teilen abgesprungen. Das Ergebnis: Es gibt ein Lager AfD + Union – aber daneben keine Mehrheit für Kooperationen mit den Nazis im Parlament, obwohl es wahrscheinlich eine Mehrheit für einen verschärften Migrationskurs gibt – im Parlament wie in der Bevölkerung.
Diese Entwicklung offenbart drei zentrale Realitäten:
- Die CDU hat sich faktisch mit der AfD verbunden – nicht aus Versehen, sondern aus Überzeugung – bis auf ein paar, die lieber nicht gesehen werden wollten.
- Die FDP hält nicht bedingungslos zu Merz – vielleicht gibt es doch noch ein paar Ampelianer in ihren Reihen.
- Die Union und die FDP sind beide kurz vor der Zerreißprobe – es gab Parteiaustritte und interne Kritik in beiden Fraktionen und Parteien.
Der Tunnelblick eines Taktikers ohne Strategie

Wie konnte Friedrich Merz nur so strategisch blind agieren? „Ich schaue nicht nach links und nicht nach rechts“, hat er in den letzten Tagen gesagt. Er meinte damit, dass er sich als nüchterner Realpolitiker inszenieren wollte, der sich nicht von Ideologie treiben lässt, sondern die Themen jetzt durchsetzt, die er für geboten hält.
Aber dieser Satz verrät viel mehr über ihn, als ihm lieb sein kann: Wer nicht links und nicht rechts schaut, der schaut auch nicht weit genug nach vorne – und schon gar nicht zurück. Er ignoriert die Vergangenheit und verliert in der Gegenwart die Orientierung. Wer nur noch auf die eigenen kurzfristigen Manöver fokussiert ist, hat nicht den Blick fürs große Ganze.
„Alice für Deutschland“ – die AfD zeigt sich ganz offen
Während Merz sich in seinen machtpolitischen Schachzügen verheddert und das Ergebnis „bedauert“, ist die AfD total klar: Sie sagen einfach immer wieder, wer das Original möchte, müsse halt einfach AfD wählen. Bei ihnen ist eindeutig wohin die Reise wirklich geht. Auf ihrem Parteitag verwendete sie den Slogan „Alice für Deutschland“ – eine klare Anspielung auf den Leitspruch der Hitler-Prügel-Organisation SA „Alles für Deutschland“. Die Verwendung dieser Parole ist in Deutschland strafbar, weil sie als Kennzeichen einer verfassungswidrigen Organisation gilt und somit unter § 86a StGB fällt. In den Reihen der Partei findet man sowas lustig und gewitzt. Die AfD versteckt ihren Geist nicht mehr. Sie muss sich nicht mehr tarnen, sie muss nicht mehr bürgerlich tun.

Sie spricht offen aus, was sie ist – eine Partei, die sich längst in die Tradition des Faschismus stellt: „Wenn es Remigration heißen soll, dann heißt es eben Remigration.“
Die AfD verführt zur moralischen Entgrenzung und erlaubt sich und ihren Wähler*innen schlecht zu sein: Ihre rechtsextremen Narrative ermutigen dazu, moralische und gesellschaftliche Normen zu brechen – oft unter dem Deckmantel von „Ehrlichkeit“ oder „Authentizität“. Es wird vermittelt: „Wir sind die wahren Opfer, und deshalb dürfen wir zurückschlagen.“
Der Schaden, den andere (die „Schuldigen“) erleiden – bzw. noch ist es die Angst, in den Gesichtern der Gemeinten, wird als gerechtfertigt empfunden, mit Genugtuung und Lustgewinn betrachtet. Diese Haltung verstärkt den Gruppenzusammenhalt und das Gefühl von Macht.
Wenn Menschen lernen, sich selbst als überlegen und die „Anderen“ als minderwertig zu betrachten, wird Schadenfreude zu einem zentralen Element ihrer Weltsicht. Das führt zu einer Entmenschlichung der „Feinde“ und damit zu einer Rechtfertigung immer extremerer Maßnahmen. Die Enthemmung wird nicht als Verrohung, sondern als „Befreiung“ empfunden: „Wir dürfen sein, wie wir wirklich sind.“ Dadurch wird die eigene Aggression glorifiziert.
Mit dem Spruch „Alice für Deutschland“, den die Partei lieblich auf blaue Herzen druckt und fröhlich zu Ehren ihrer Kandidatin schwenkt kommt das alles zum Ausdruck. Das ist nicht nur eine Provokation. Er ist ein Signal nach innen, ein selbstsicherer Test, wie weit sie gehen kann. Und die Antwort ist: Sehr weit.
Die CDU taumelt im Wahlkampf – was bleibt von Merz?
Wie konnte der führende CDU-Mann sich nur einer solchen Partei ausliefern. Einer Partei, die nichts will außer Rache. Diese Partei will nichts aufbauen – sie will nur zerstören. Sie vereint keine Vision für die Zukunft, sondern nur den kollektiven Hass auf „die Anderen“. Ihre Anhänger haben sich eine rassistische Erzählung zurechtgelegt, in der Bestrafung aller außerhalb ihresgleichen das einzige Heilmittel für die eigene Unzufriedenheit ist.
Doch die kurzfristige Befriedigung, die aus Bestrafung und Schadenfreude entsteht, ersetzt keine konstruktive Lebensperspektive. Sie hinterlässt langfristig eine moralische und emotionale Leere. Und diese Dynamik zerstört nicht nur die Gesellschaft, sondern auch das individuelle Leben derjenigen, die sich darauf einlassen. Beziehungen, soziale Bindungen und Vertrauen zerbrechen.
Die CDU ist nicht mehr unberührt vom Ungeist der AfD. Mit Merz an der Spitze ist sie durch die Brandmauer hindurchmarschiert. Sie gibt sich, genau wie die AfD, „nicht mehr bereit für Kompromisse“. Dabei wollte Merz doch eigentlich nur „Recht durchsetzen“.
Doch wer glaubt, mit der AfD taktieren zu können, hat nicht verstanden, dass es hier längst nicht mehr um Einzelthemen geht – es geht um Grundsatzfragen, auf die mit Nihilismus geantwortet wird.
Merz hat alles aufs Spiel gesetzt – und verloren. Seine Strategie ist nicht nur moralisch fragwürdig, sondern auch taktisch gescheitert. Sein „bürgerliches Lager“ einschließlich der FDP hat ihn düpiert. Seine eigene Partei ist vermutlich tiefer gespalten als sie nach außen zugibt. Hat sein Kurs ihn vielleicht bereits ins politische Abseits manövriert?
Jetzt bleibt nur noch abzuwarten, wie sich das in den Wahlen niederschlägt. Vielleicht wird sein Vermächtnis sein, dass er der Mann war, der die CDU fast unrettbar an den rechten Rand geführt hätte – und dass seine eigene Partei, allen voran seine alte Widersacherin Angela Merkel, ihn daran gehindert hat.