ein buntes Kulturerlebnis!

… semipermeabel: „The Cities Wrapped Around Our Bodies“ – eine Stadt, viele Schichten, ein gemeinsamer Raum

Berlin. Kreuzberg. Das Kottbusser Tor. Orte, die ständig im Wandel sind, deren Geschichten sich überschneiden und Schichten bilden, die auf den ersten Blick nicht immer sichtbar sind. In der Ausstellung The Cities Wrapped Around Our Bodies wird dieser Wandel, dieses Überlagern und Durchdringen, zum Leitmotiv – nicht nur in den Werken selbst, sondern auch in der Art, wie sie entstanden sind. Kurator Rick Gerardus hat es geschafft, zwischen individuellen Künstler*innen, unterschiedlichen Medien und Positionen Übergänge anzuregen, um so etwas wie ein Gemeinschaftswerk zu schaffen: eine Stadterzählung aus vielen Stimmen.

Besonders interessant erscheinen die Arbeiten, bei denen sich die Künstler*innen teils einer gemeinsamen Daten-Cloud bedienten – Ideen, Fragmente, Ansätze flossen von einem Werk ins andere. Was entsteht, wenn ein Gedanke nicht einer Person gehört, sondern in einem Netzwerk weitergedacht wird? Diese Ausstellung will es zeigen.

Portschlüssel in die Stadt und darüber hinaus

Jede Arbeit in dieser Ausstellung ist wie ein Portal, das mich in eine andere Schicht der Stadt führt – und doch bleibt alles miteinander verbunden.

Video von Codrin Talaba

Kai von Kröcher hat mich eingeladen und seine Fotografien werfen mich zurück in die 90er-Jahre, auf die Straßen voller Protest und roter Fahnen. Seine Portraits wirken wie Erinnerungen an ein rebellisches Kreuzberg, das damals anders war, aber noch heute in vielen Ecken und Initiativen spürbar ist. Es ist eine Zeit, die nicht verschwunden ist, sondern sich in die heutige Stadt eingeschrieben hat und durch die Menschen, die dabei gewesen sind, noch immer lebt und wirkt. In einer Kollaboration mit dem kanadischen Architekten Codrin Talaba entstand ein sphärisches Video, das die Bilder ins Heute holt.

Modell des KitKatClub

Szene aus dem Live-Auftritt mit den Darstellern Marcos Mangani, Yuya Fujinami und Arthur Jongebloed

Tracey Snellings Arbeiten ergeben eine Installation. Ein Film verbindet die Straßen des Kottbusser Tors mit Passagen durch südostasiatische oder andere Metropolen der Welt. Es sind die Orte, an denen ihr Leben stattfindet. Die Szenen fließen ineinander, die Übergänge sind kaum spürbar. Darüber liegt ein gesprochener Text, der plakativ auf die Bilder gemappt ist, als ob Worte die Stadt erneut gestalten könnten. Daneben steht ein Modell des Berliner KitKatClubs, in pulsierenden Neonfarben, das ursprünglich im Club selbst enthüllt wurde, aber in dieser Ausstellung überzeugend wirkt. Sie schreibt dazu auf ihrer Website: „Es gibt jedem die Möglichkeit, in die Welt des Exhibitionismus einzutauchen und seiner Neugier als Voyeur in diesem fesselnden Cluberlebnis nachzugehen.
Es ist eine Arbeit, die lokale und globale Kulturen verwebt und fragt, wie wir Räume und Identitäten teilen und neu schaffen – mit dem Fokus auf Lust und Frust als Triebfedern.

Siavas Naghshbandi, Video: „In Fact“. Wie nehmen den voyeuristischen Blick auf einen Tisch in einem Restauraunt ein. Es ist ja Kunst, da darf man das.

Evelyn Bencicova and Codrin Talaba, Video: „Second Virgin“

Eine Videoarbeit, die auf einem 3D-Scan des Queens Palace – einst Festsaal Kreuzberg – basiert führt diesen Gedanken fort. Ich schwebe wie durch ein Geisterhaus, durch einen Raum, der seine Geschichten nicht verbirgt: Ich erinnere in den Raum Indie-Konzerte, andere vielleicht türkische Hochzeiten – Rauheit, Glanz und Bling-Bling, alles gleichzeitig. Der Scan zeigt diesen Ort als durchsichtige Struktur – jede Schicht ist da, doch nichts lässt sich ganz greifen. Es ist ein Abbild des urbanen Wandels, der sich nicht aufhalten lässt und doch verweilen einige weiblich gelesene Figuren darin. Ich denke die Arbeit fragt nach der Konstruktion eines Frauen-Bildes in unterschiedlichen Kulturen. Was ist Feminismus in diesen Kontexten?

Verdichtete Fantasien und bewegte Räume

Ich während der Erkundung der VR-Arbeit „Als Dealer der Sonne bin ich glücklich“ von Yashar Shirdel, der hier rechts im Bild ist, das Kai von Kröcher aufgenommen hat.

Als Kernpunkt dieser Schichtenbildung erlebe ich die VR-Arbeit von Yashar Shirdel. Mit einem Portschlüssel am Kotti betrete ich fantastische Welten: Wüsten, Berge, einen U-Bahn-Schacht. Figuren in absurden Bewegungs-Loops tanzen, kriechen, lachen, während ich durch Gedichte falle und zwischen Müll und Tauben wandere. Es ist eine Verdichtung urbaner Realität – überhöht, poetisch und surreal. Die VR-Arbeit steht in faszinierender Verbindung zur physischen Bewegung in der Ausstellung selbst: Hier wie dort durchwandere ich einen Raum, steige Treppen hinauf, stöbere in Ecken und finde Kunstwerke, die wie Wegweiser zu neuen Themen und Perspektiven wirken.

Eine Stadt in Bewegung

Nach der Ausstellung verlasse ich den Raum – und doch bleibt das Gefühl der fragenden Erweiterung bei mir. Ich gehe durch Kreuzberg und irgendwie scheint alles anders. Die Kunst hat meine Wahrnehmung verändert. Die Schichten der Stadt, die Geschichten ihrer Menschen, ihre Konflikte und Durchdringungen – all das ist da, sichtbar und unsichtbar zugleich.

The Cities Wrapped Around Our Bodies ist eine Einladung, diese Vielschichtigkeit zu erkunden. Es ist eine Ausstellung, die den Wandel feiert und die Verbindungen zwischen Menschen und Ideen sichtbar macht. Sie zeigt, dass eine Stadt nicht nur ein Ort ist, sondern ein Raum, der ständig neu geschaffen wird – durch uns alle.


The Cities Wrapped Around Our Bodies (TCWAOB), Ausstellungsreihe und Festival vom 25. bis 29. Januar 2025, im Kunstquartier Bethanien, Mariannenplatz 2, 10997 Berlin.

Noch viele weitere Arbeiten verdienten der Beschreibung: Während der Eröffnung am 25. Januar füllten Alexandra Gruebler und der Trommler Mohammed Reza Mortazavi den Raum mit ihren Klängen. Die Performance von Qusay Awad, Dhia Douss und Rand Abou Fakher hab ich leider nicht gesehen. Filmvorführungen zeigen 8 Filme des Kiarostami Short Film Festival (26. Januar), kuratiert von Hamed Soleimanzadeh, und 3 Filme von Bill Morrison. An der Ausstellung beteiligt sind Esra AkcanEvelyn Bencicova, Orhan Esen, Alireza Eskander, Omer Fast, Petja Ivanova, Nástio Mosquito, Siavas Naghshbandi, Pouria Nouri, Muhammad Salah, Yashar Shirdel, Tracey Snelling, Codrin Talaba und Kai von Kröcher.