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… introspektiv: die dunkle Sinnlichkeit im Song „U“ von JAZMYN

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Das Ich und dessen Depression

Jazmyns Song „U“ ist eine intime Ansprache an die eigene Depression, die in ihrer Musik eine fast körperliche Gestalt annimmt. Das „You“, das sie so zärtlich und doch abweisend besingt, verkörpert die Melancholie, die sie ablehnt, aber zugleich fast selbstzerstörerisch liebt. Es ist eine ambivalente Beziehung – vertraut, sinnlich, bedrückend – wie eine dunkle Geliebte, der man sich nicht entziehen kann.

Diese Ambivalenz erinnert mich an einige Bilder von Egon Schiele, die alle in Wiener Museen sind und die ähnlich mit der Melancholie und Introspektion spielen. In „Liegende Frau“ thematisiert Schiele die erotische Dimension des Liegenbleibens, die Geste des Rückzugs und der Hingabe. Es ist eine Ruhe, die tröstlich wirkt, aber zugleich lähmt. Ähnlich schwingt in Jazmyns Song diese intime Dynamik mit: die Dunkelheit, die einen umarmt und einengt, die Schutz und Gefängnis zugleich ist.

Schiele und die Ambivalenz der Melancholie

Von Egon Schiele „Der Tod und das Mädchen“ – 1. The Yorck Project (2002) 10.000 Meisterwerke der Malerei (DVD-ROM), distributed by DIRECTMEDIA Publishing GmbH. ISBN: 3936122202.2. Google Art Project, Gemeinfrei

In „Der Tod und das Mädchen“ wird diese Spannung noch verstärkt. Hier tritt der Tod selbst in den Raum und umarmt das Mädchen, das zwischen Hingabe und Flucht zögert. Die Nähe von Leben und Tod, die Sehnsucht nach Vergänglichkeit, aber auch die Angst davor, zeigt eine tiefere Dimension der Melancholie, die Jazmyns „U“ ebenfalls transportiert.

Schieles „Selbstbildnis mit gesenktem Kopf“ fügt dieser Reflexion eine andere Perspektive hinzu. Hier wird die Melancholie introspektiv, zu einer unruhigen Selbstbeobachtung, die das Ich zersetzt. Es gibt keine klaren Grenzen, keine abgeschlossene Identität, sondern nur die Fragilität eines Selbst, das mit sich ringt. In diesem Spannungsfeld bewegt sich auch Jazmyn: Ihr „U“ ist nicht nur eine Ansprache, sondern ein Dialog mit der eigenen Dunkelheit – schmerzhaft, selbstkritisch, aber auch faszinierend.

Ein verpasster Moment und die imaginäre Kraft der Kunst

Ich stelle mir beim Hören ein Video vor, wie Jazmyn in einer Schiele-Szenerie im Bett liegt, umgeben von den Linien und Farben seiner Werke. Die Decke, die sie umhüllt, bekommt ein Eigenleben, hebt und senkt sich im Takt des Songs. Mal schützt sie Jazmyn, mal wirkt sie wie eine Last, die sie nicht abschütteln kann. Diese Vorstellung verbindet Schieles Bilder mit der musikalischen Atmosphäre von „U“ und macht die Dunkelheit greifbar.

Die Verbindung zwischen Schieles Bildern und Jazmyns Musik liegt in ihrer Ehrlichkeit. Beide Werke lassen uns die Ambivalenz der Depression spüren: Sie ist keine rein destruktive Kraft, sondern auch ein Raum der Reflexion und der Sinnlichkeit. Sie hält uns fest, aber sie lehrt uns auch, uns selbst zu sehen.

Ich frage mich, wie es gewesen wäre, Jazmyn live zu erleben. Im Herbst spielte sie im Hole⁴⁴ in Berlin, doch ich habe sie erst jetzt in meiner Spotify-Playlist entdeckt. Ihr Konzert verpasst zu haben, passt ironischerweise zu der Melancholie, die sie so kunstvoll in „U“ einfängt. Vielleicht kehrt sie bald nach Berlin zurück. Bis dahin bleibt ihr Song ein Werk, das in den introspektiven Räumen nachklingt, die Kunst und Musik gleichermaßen eröffnen – Räume, in denen Dunkelheit und Licht, Liebe und Abwehr, Ruhe und Aufruhr aufeinander treffen.


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