Ein turbulenter Start in Berlin
Zum Einstieg kann der Bericht aus Kulturzeit von 3sat helfen:
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Mehr InformationenDie Retrospektive von Nan Goldin in der Neuen Nationalgalerie hätte wohl vor allem ein künstlerisches Highlight werden sollen – doch die Eröffnung wurde von einem Eklat überschattet und damit eher zu einem politischen Event. Die US-amerikanische Fotokünstlerin, die aus einer jüdischen Familie stammt, nutzte die Eröffnungsrede, um Israel des Völkermords zu bezichtigen und auch Deutschland für seine Haltung im Nahost-Konflikt zu kritisieren. Diese Aussagen stießen auf scharfe Kritik und lösten eine öffentliche Debatte aus.
Klaus Biesenbach, Leiter der Neuen Nationalgalerie und die Museumsleitung, veröffentlichten unmittelbar darauf mehrere Erklärungen, in denen er die Meinungsfreiheit der Künstlerin betonte, sich jedoch zugleich von deren Aussagen distanzierte. Auch die Stiftung Preußischer Kulturbesitz sah sich gezwungen, ein Statement abzugeben, in dem sie sich explizit von jeglichen Äußerungen distanzierte, die den Nahost-Konflikt auf eine Weise verallgemeinern, die Hass schüren könnte. Trotz der Debatte stand eines fest: Die Ausstellung und die Person Nan Goldin wurden dadurch stärker in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt, als es eine konventionelle Eröffnung jemals vermocht hätte.
- 20.11.2024, Erklärung der Stiftung Preußischer Kulturbesitz zur Retrospektive von Nan Goldin in der Neuen Nationalgalerie
- 22.11.2024, Zur heutigen Eröffnung der Nan Goldin Retrospektive in der Neuen Nationalgalerie
- 23.11.2024, Statement von Klaus Biesenbach zur Eröffnung der Nan-Goldin-Retrospektive in der Neuen Nationalgalerie
Eine räumliche Herausforderung: Architektur von Pippa Nissen
Für die Retrospektive arbeitete Goldin mit der Architektin Pippa Nissen zusammen, die für den Aufbau der Ausstellungskabinen verantwortlich war. Die sechs temporären Räume sollten auf die spezifischen Diaschauen abgestimmt sein und ein immersives Erlebnis bieten. Doch das Ergebnis wirkt vielerorts enttäuschend.
Die Kabinen, eher notdürftig schallgedämmt mit Molton und anderen Materialien, erscheinen mir zu provisorisch und durch den Ausstellungsbetrieb überfordert – nicht nur durch technische Probleme wie ausfallende Projektoren, sondern auch durch fehlende Lüftung und Enge. Besucher drängen sich in den kleinen Räumen, während unter der gigantischen Decke des wunderbaren Mies-van-der-Rohe-Baus reichlich ungenutzter Raum bleibt. Die gestalterischen Entscheidungen zur Ausstellungsarchitektur wirken erstaunlich uninspiriert.
Nähe, die heute distanziert
Nan Goldins fotografisches Schaffen faszinierte mich in den 1990er-Jahren, als sie DAAD-Stipendiatin in Berlin war. Damals – ich selbst als Student an der Kunsthochschule – empfand ich ihre Fotografie als radikal intim und ungeschönt offen. Es ging nicht um Perfektion oder klassischen Bildaufbau, sondern um Nähe, Direktheit und das ungefilterte Festhalten von Momenten und die Sichtbarkeit von queeren Leben. Die Ästhetik und auch die Thematik, wodurch damals Maßstäbe verschoben wurden, wirken auf mich heute deutlich weniger kraftvoll und dringlich. Die Bilder sind zu historischen Zeitdokumenten geworden.
Die aktuelle Ausstellung zeigt sechs aktualisierte Diaschauen, die mit vielsagender Popmusik unterlegt wurden. So kommen die Themen leicht konsumierbar daher, aber die einstige Intensität der Bildwelten wird eher verwässert. Wiederholungen einzelner Bilder in verschiedenen Schauen lassen zudem die thematische Zusammenstellung fast etwas beliebig wirken. Besonders die Darstellung nackter Kinder und Eltern in einigen Fotografien stößt bei mir heute auf Unbehagen. Was damals als Tabubruch oder künstlerische Direktheit gemeint war, erscheint heute tendenziell deplatziert.
Der Eklat als Aufmerksamkeitsmotor
Der Eklat um die Eröffnung wirft die Frage auf, ob dieser bewusst inszeniert wurde, um die Ausstellung in den Fokus zu rücken. Denn vieles, was in diesem Rahmen verhandelt wurde, hat wenig mit der eigentlichen Arbeit Goldins zu tun. Natürlich war Goldin immer auch Aktivistin und in diesem Sinne zeigt das Ereignis, wie Kunst – oder besser ein/e Künstler*in – Debatten befeuern kann – und vielleicht auch soll. Es bleibt jedoch fraglich, ob bei der Eröffnung einer Retrospektive der Nahost-Konflikt und Deutschlands Rolle in diesem, wirklich den Kontext bilden.
Dass solche Debatten auch anders geführt werden können, ist hier nachzuschauen:
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Mehr InformationenDazu auch einiges bei Deutschlandfunk:
Die Retrospektive von Nan Goldin in der Neuen Nationalgalerie ist noch bis zum 28. April 2025 zu sehen. Weitere Informationen und Tickets finden Sie auf der Webseite der Nationalgalerie.