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… Mitte: neu, alt oder überhaupt

Als Agentur-Mensch glaubte ich bisher an die Richtigkeit der Vorstellung, dass es für Unternehmen oder andere wie auch immer geartete Marktteilnehmer richtig sei, die Kommunikation und Werbung nach der/dem USP (Unique Selling Position bzw. Proposition = Alleinstellungsmerkmal) auszurichten, doch zur Zeit scheint sich ein neuer Leitgedanke abzuzeichnen. Morgen beginnt der CDU-Parteitag und der Slogan der Veranstaltung heißt: „Die Mitte“. Unser eins ruft da doch nur noch: „Hallo, spürt ihr noch was?“ Wie jeder weiß, war der SPD-Claim unter Schröder „Die neue Mitte“.
Wenn Einzigartigkeit und Unterscheidbarkeit die Grundlage für eine positive Entscheidung für ein Produkt bilden (die Stimmabgabe bei einer Wahl dürfte ungefähr das Gleiche sein), dann darf so was doch einfach nicht wahr sein. Denn selbst wenn es als Schachzug der CDU gedacht sein sollte, mit der Reklamation der Mitte so zu tun, als hätte sich die SPD aus der Mitte nach links verabschiedet (deren Positionierung soll wohl „die linke Volkspartei“ sein), kann man doch wohl kaum Einzigartigkeit beanspruchen. Die SPD war also kurzzeitig bzw. neulich Mitte und jetzt ist wieder die CDU auf der alten Mitteposition? Kein Wunder, wenn eine Mehrheit der Deutschen nun nach ein paar Jahren klammer Kompromisse in der großen Koalition keinen Unterschied mehr zwischen den beteiligten Parteien sehen kann. In Vorwahlkampfzeiten wird nun im alten rechts-links-Denken wieder auseinanderdividiert, was eigentlich ununterscheidbar ist. Zumal auch das Lagerdenken im Volk niemand mehr nachvollziehen kann. Das wichtigste und beschämendste Ergebnis dieser Entwicklung kann man schon jetzt zwei Jahre vor der nächsten Bundestagswahl sicher prognostizieren: Eine extrem niedrige Wahlbeteiligung. Wahrscheinlich wird Politikverdrossenheit dann endgültig als Zufriedenheit ausgelegt. Die von wenigen gewählten Mandatsträger wird es nicht stören.

Aber vielleicht muss ja auch die marketingtechnische Fixierung auf die Idee des Alleinstellungsmerkmals überdacht werden. Zumindest im Consumer-Segment macht es den Eindruck, dass das unterschiedslose Kopieren des Marktteilnehmers mit den jeweils größten Zuwachsraten (nicht unbedingt des Marktführers!) viel besser funktioniert (zumal es auch einfacher und billiger ist).
So z.B. bei Puma, Nike und Adidas. Puma war eben noch die Marke, an der sich alle stilistisch ausgerichtet haben. Nur Nike hat nicht aufgehört ihre penetrant großen Logos auf einige Artikel zu ballern. Genau das Zeug wird jetzt wie irre gekauft. Was machen also die Puma-Leute als nächstes, wo sie es gerade mit Logo-Understatement versucht haben? Na klar: Es kommt eine Kollektion mit riesen Pumas raus und ich wette, sie wird gut laufen.
Wahrscheinlich ist die Politik inzwischen einfach auch ganz klar im Consumer-Bereich anzusiedeln und die Image-Kopie des letzten Marketing-Erfolgs im Stimmenmarkt ist absolut folgerichtig.
In der neuen „brand eins“ ist das Schwerpunktthema Design aber Wolf Lotter schreibt in seinem Leitartikel hauptsächlich über die Schönheit. Er legt dar, dass wir alles Schöne auch als besser, kommunikativer, kompetenter, intelligenter und potenter einstufen, als das Hässliche. Da Schönheit aber ein kulturell geprägter Wert ist, glaube ich, dass es eigentlich um Erfolg geht. Das ergäbe auch evolutionär eher einen Sinn. Was Erfolg hat, setzt sich durch und wird deshalb als schön begriffen. D.h. Schönheit ist opportunistisch und in der Folge sind auch Kultur, Design und Werbung Opportunisten (wenn die Personifikation gestattet ist?).
Die wahre Einzigartigkeit ist also der Erfolg und die manchmal komplizierten Markenstrategiekonzepte können in Zukunft deutlich vereinfacht werden. Ist doch schön! Vielleicht meint die CDU das auch mit dem Gefasel zur Leitkultur.