Ich schau mir Kerner ja normaler Weise nicht an, weil ich seine gespielte Empathie und anbiedernde Nähe zum Zwecke der Freilegung von Affekten durch möglichst tiefes Eindringen in seine Gesprächspartner überhaupt nicht mag.
Nun war aber Eva Herman bei ihm und ganz Deutschland redet davon. Also habe ich mir einige Tage zu spät die Sendung bei ZDF-online angesehen. Da sich mein erster Bericht über Frau Hermans Zitate ja auch nur auf Medienberichte stützte, wollte ich mal sehen, was sie zu ihrer Entschuldigung oder Verteidigung vorzubringen hatte.
Sie handelt nun natürlich nicht gerade glücklich, wenn sie ihr absolut verworrenes Zitat als vollkommen eindeutig verkaufen möchte. Sie redete da unverständlichen Blödsinn, der leider bei gutem Willen auch irgendwie verstanden werden kann. Was man dann versteht, kann wirklich alles sein. Das hätte sie einfach zugeben sollen. „Wisst ihr, ich habe da unverständliches Durcheinander geredet, gemeint habe ich es so und so…“ Hat sie aber nicht. Also funktionieren die demokratischen Abwehrreflexe.
Trotzdem ist es sehr interessant, was sie in der Sendung alles so von sich gibt. Sie hält unsere Öffentlichkeit gewissermaßen für schlüsselbegrifforientiert und sieht in der einheitlichen affektiven Empörung über die Verwendung von einzelnen Begriffen eine gewisse „Gleichschaltung“ der Medien. Das soll heißen, man muss nur die Begriffe „Autobahn“ und „damals“ äußern und schon wird man der rechten Ideolgie überführt. Sie sagte wörtlich „natürlich ist der Begriff [Gleichschaltung] damals benutzt worden, aber es sind auch Autobahnen gebaut worden und wir fahren heute drauf.“ Damit meint sie nur den Begriff „Autobahn“, der doch auch heute noch einfach für „Autobahn“ stehen können muss. Mit dem Hinweis, dass wir heute noch darauf fahren, beweisen wir nur den verlogenen Umgang mit dem Begriff, der als Symbol schnell als Nazilob ausgelegt wird.
Ebenso begriffstheoretisch sieht sie ihr Engagement für die Werte der Familie. Man könne das Sich-Einsetzen für solche Werte doch nicht einfach den Rechten überlassen, sagt sie und es sei für sie unerträglich, dass sie als Galionsfigur z.B. der nationalen Mütter verstanden wird.
So ganz von der Hand zu weisen ist das alles nicht, wenn es doch gleich viel zu kompliziert ist, um es in den Massenmedien zu diskutieren. Es geht um die Frage: Darf oder muss man Begriffe aufgeben bzw. abstoßen, weil sie zu nationalistischen Symbolbegriffen geworden sind, oder tritt man dann kampflos ein Stück Kulturgut an die Nazis ab?
Ich kenne den gleichen Impuls in Form der Zuwendung zu den deutschen Symbolen, der Hymne und der Fahne. „Einigkeit und Recht und Freiheit“ und die Werte der Menschen die 1848 zum ersten Mal „Schwarz Rot Gold“ in die Höhe hielten. Das sind auch Kulturgüter, die wir als Symbole der liberalen und freiheitlichen Grundordnung verteidigen sollten. Das „Deutschsein“ darf nicht als Wesenszug der Nazis verstanden werden, sondern muss die Eigenschaft der offenen Demokratie unseres Landes sein. Ich habe bei einem Historiker gelesen, dessen Zitat ich im Moment leider nicht mehr auffinde, dass die Nazizeit als die „undeutscheste“ Zeit in der Geschichte unseres Landes zu verstehen sei. Man muss dann nur aufpassen, dass man nicht anfängt zu glauben, es hätte sie nie gegeben und das deutsche Volk wäre dazu nicht in der Lage gewesen. Denn daraus speist sich zu Recht das ungute Gefühl, dass alle Anwesenden bei Kerner bekamen.
Bei Frau Herman hat man das Gefühl, sie glaubt, dass Gerecht-sein bedeutet, man müsse ihre Werte teilen. Da ist sie sicher auf dem Holzweg. Es bedeutet nur, dass man sie zu Wort kommen lassen muss.