
Christoph Schlingensief zeigt „Kaprow City“, eine Theaterinstallation inspiriert durch den Künstler Allan Kaprow mit seinem Werk „18 Happenings in 6 Parts“ in der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz.Das Interessanteste Element des Abends ist Schlingensief selbst. Vor der Vorstellung macht er eine „Stadtführung“, während der er wie ein Besessener erklärt, was er eigentlich will mit seinem Werk. Dabei wird deutlich, dass es ihm wirklich nicht ums Provozieren geht – er will verstanden werden. Allerdings ist es nicht immer ganz einfach ihm zu folgen, doch das weiß er natürlich selber. Er nimmt es hin, arbeitet sogar bewusst darauf hin, weil er in den gedanklichen Brüchen und Lücken gerade das Lebendige und Liebenswerte sieht.
Hier ein paar Tonaufnahmen aus der Stadtführung Schlingensiefs. Christoph über:
– seine Schauspieler
– Demokratie und was daraus geworden ist
– Gedanken, die Zeit brauchen
– Kaprow City
– sein Jubiläum „25 Jahre Enfant terrible“
Mit „Kaprow City“ setzt sich Schlingensief auch eine Art selbstzersetzendes Denkmal, denn auf allen Wänden und Monitoren finden sich Spuren von vorangegebenen Arbeiten. Er bezieht sich auf die Aktion in Wien, bei der er Asylbewerber in einen Container steckte, aus dem sie nach und nach abgeschoben wurden, man sieht die kleinwüchsige Queen beim Hitlergruß aus Salzburg und die Entrüstung in der englischen Presse, er erzählt von den Journalisten, die es liebten, endlich mal den Satz „Tötet Wolfgang Schüssel“ zu schreiben (was ich ja hiermit auch mache), obwohl er auf der Bühne nie deutlich ausgesprochen wurde, usw. usf. Wir verstehen: Schlingensief schafft ein großes Gesamtwerk, das nun mit Kaprow City fortgesetzt wird. Er hat überhaupt was von einem sehr engagierten Lehrer, der uns weniger engagierte Schüler wachrütteln will. „Kommt her und seht, wie brüchig alles ist, glaubt nicht an Schönheit, lebt eure Behinderung aus, macht euer Ding und scheißt darauf.“ Das habe ich zumindest verstanden(?), und ich finde es prima. Das eigentliche Schauspiel selbst ist, wie die meisten Happenings sind: Es gibt Längen und Knalleffekte wobei das Integrationslevel dadurch erhöht werden soll, dass man näher dran ist, oder davon abgehalten wird, eine Handlung nur erahnen kann, die man später von anderen erzählt bekommt, und dann verärgert ist, weil man ja eben nichts davon mitbekam. „Alle sehen was anderes“ hieß das bei Kaprow und so auch bei Schlingensief. Die Bewohner der Bühnenstadt sind mehrheitlich geistig behinderte Menschen, die in die Rollen von allerlei Promis schlüpfen: Lady Di, Prinz Charles, Jenny Elvers, Patty Smith usw. Wie Schlingensief mit seinen Schauspielern umgeht, macht oft Spaß und tut gut. Er spricht Behinderte nicht politisch korrekt als Mitmenschen an, sondern behandelte sie als Behinderte, die behinderte Sache machen, verquaste Ideen haben und in irgendwelchen Zwängen stecken bleiben. Sie sind uns „Normalos“ also nicht unähnlich, lassen aber glücklicher Weise das normative Über-ich vermissen. So können wir ungehindert auf unsere eigenen Abgründe gucken.