
G8 is over. Was war das nun in Heiligendamm? Man bleibt etwas ratlos zurück. Das Gipfeltreffen der Staatschefs der wichtigsten Industriestaaten plus Russland ist wohl nicht viel mehr als eine große Bildmaschine. Die „Mächtigen“ lächeln in freundlicher Einheit in jede mögliche Kamera, um bloß keine Zwistigkeiten durchblicken zu lassen und auf der anderen Seite die „Machtlosen“, die ihren Protest genauso bildwirksam inszenieren. Beide Seiten brauchen einander, da sie sich gegenseitig Wichtigkeit zusprechen.
Ein kluger Kommentar kam von meinem Lieblings-Kuschel-Philosophen Peter Sloterdijk. Er sagte sinngemäß, G8 sei die Simulation eines alten Menschheitstraums. Es entsteht das Bild, es gäbe eine Weltregierung, die mächtig genug ist, die Geschicke des Planeten zu lenken. Da dies im Kern eine Hoffnungsvision ist, eignet sich das Bild der zugesprochenen Verantwortlichkeit für allerlei Projektionen. Es möge doch jemand schuld sein, am Leid dieser Welt und dieser jemand soll dann mit starker und gerechter Hand aufräumen. Er soll sich wirklich verantwortlich zeigen und seegensreich in den Lauf der Dinge einwirken. Es ist dies das Bild des Hirten, der über seine Schflein wacht und sie vor Unheil beschützt.
Wollte man dieses Bild weiterentwickeln, sähe man die nichtstaatlich organisierten G8-Gegner als Hirtehunde, die eigenständig verantwortlich die Massen bewegen. Sie halten die Bewegung zusammen und versuchen deren Forderungen dem Hirten zuzutreiben. Sie apportieren den ausgeworfenen Ball der Globalisierung samt den Kollateralschäden, die er im Flug und bei der Landung anrichtete.
Der Sinn der G8-Veranstaltung besteht also nicht darin, global wirksame Entscheidungen zu fällen, alle mutmaßlichen Inhalte sind ohnehin längst vorher auf Fachebenen ausgearbeitet. Der Sinn besteht darin, Wichtigkeit darzustellen. Manifestierte Äußerlichkeiten, wie der Zaun, das harte Durchgreifen der Schutzkräfte, die Massenversammlung zum parallel laufenden Konzertprogramm, das alles ist nur Staffage um die Potenz der Agierenden beider Seiten zu illustrieren. Den jämmerlichsten Versuch auf das Podest der Aufmerksamkeit aufzuspringen unternehmen dabei leider die bildenden Künstler. Da es ihnen meist gelingt, das oben beschriebene Bild zu verstehen, ist es ihnen auch konsequenterweise unmöglich in der bipolaren Wichtigtuerei eine signifikante Rolle zu spielen.
Nimmt man den Gipfel nun also als pure zweiseitige Machtdemonstration ernst, wäre sicherlich der wirksamste Protest das Ignorieren des Gegners. Man stelle sich vor, es ist G8 und keiner kümmert sich drum. Diese Idee müsste ehemals Friedensbewegten doch bekannt vorkommen. „Stell dir vor es ist Krieg und keiner geht hin.“
Sloterdijk in der Zeit.