ein buntes Kulturerlebnis!

… dicht: Querschnitt 20, Goldrausch im Kunstraum Kreuzberg und die Studios im Künstlerhaus Bethanien

Im Bethanien am Mariannenplatz kann man derzeit Kunst volltanken. Interessant dabei, dass es wie an einer echten Tankstelle drei Qualitätsstufen (Diesel, Normal und Super) nebeneinander zu kaufen bzw. zu sehen gibt.
Es geht im Economy-Segment mit der juryfreien Kunst- und Verkaufsausstellung Querschnitt 20 los, bei der mit Minimalabstand sämtliche Kunststile und artistische Experimente aufeinandertreffen. Künstlerischer Ausdruckswille im Vollkontakt in alternativer Atmosphäre. Allein wegen der Skurilität immer ein lohnenswertes Event und ein paar Perlen findet man immer.

Im Kunstraum Kreuzberg gibt es leistungsfähigen Kulturtreibstoff. Die Teilnehmerinnen des einjährigen Postgraduiertenkurses „Goldrausch“ zeigen in einer Abschlussausstellungen ihre Arbeiten. Insgesamt 15 Künstlerinnen füllen die verwinkelten Räume mit performativen Installationen, Zeichnungen, Malerei, Videofilmen und Skulpturen. Alle Teilnehmerinnen bekamen im Rahmen der Förderung einen kleinen individuell gestalteten Einzelkatalog, wobei man alle 15 in einem gemeinsamen Schuber für gerade mal 20 Euro erwerben kann. In den Heften kann man noch tiefer in die einzelnen Werkkontexte der Künstlerinnen eintauchen, die allesamt für den Einstieg in den „harten Kunstmarkt“ gut gerüstet auftreten. Alle Werke scheinen sich als Angebote zu verstehen. Sie rufen mehr oder weniger laut: „bemerke mich!“ Die Ausstellung läuft dazu passend unter dem Titel „Take me to the Edge of Heaven“ und es stellt sich die Frage, ob das, was für die Künstlerinnen nach dem Goldrausch kommen wird, wirklich der Himmel ist.
Das Naming des Förderkonzepts spiegelt ein merkwürdiges Verständnis des Kunstmarktes über die Begriffe „Rausch“, „Gold“, „Himmel“, „Kunst“, und „Professionalisierung“ wieder. Der Kunstmarkt erscheint hier einerseits als mystischer undurchsichtiger aber erleuchteter Ort der Erlösung, den man im Rausch-Zustand erreicht, und andererseits werden die Künstlerinnen professionell im Selbstmarketing unterrichtet. Vielleicht meint man auch zu wissen, welcher Weg der richtige ist: Markt über Mystik.

In den Studios des Künstlerhaus Bethanien sind dann quasi als Super Benzin zwei sehr unterschiedliche Rauminstallationen zu bekommen. Die eine von Uršula Berlot ist eher super bleifrei („metamorphen Zustände von Licht und Materie und deren Analogie zu mentalen Prozessen der Wahrnehmung“) und die andere definitiv Super verbleit. Denn das Duo Zoya Cherkassky und Avdey Ter-Oganian formuliert deutliche Kritik am Kunstmarkt. Die Installation „disobedience“ (Unfolgsamkeit) attackieren auf bissige Weise das Betriebssystem Kunst und dessen Macho-Protagonisten. Die Institutionalisierung und Marktkonformität von Kunst wird gänzlich in Frage gestellt und damit positioniert sich diese Installation antagonistisch gegen das Goldrausch Endergebnis.

Alles sehr spannend mit antreibend Gesamtwirkung.

Termine:
Schnittmenge von allen beschriebenen Ausstellungen nur noch bis 18. November.

Querschnitt 20, 10.11.–2.12.2007, Di–So 12–19h
GOLDRAUSCH 2007. Take me to the Edge of Heaven: 27.10. bis 02.12.2007
Zoya Cherkassky und Avdey Ter-OGANIAN The New Discourse Group „disobedience“: 2. – 18. November 2007
Uršula Berlot pulsation / Cross-sections: 2. – 18. November 2007

Alles im Bethanien, Mariannenplatz 2, 10997 Berlin-Kreuzberg

PS: Ich weiß schon, die Tankstellenmetapher habe ich wohl etwas überzogen.