ein buntes Kulturerlebnis!

… entschieden: Graffiti ist keine Kunst!

Bisher war ich zur Frage, wie man Graffitis werten soll, sehr unentschieden.Ich hatte und habe gewisse Sympathien für die „reclaim the streets“-Bewegung, deren Forderung es ist, die kommunikativen Oberflächen der Stadt nicht ausschließlich von komerziellen Kommunikatoren besetzen zu lassen. Ich bin ein neugieriger Betrachter der vielen kleinen Street Art-Botschaften, die uns in Form von Papieraufklebern von allen Wänden mit Witz, Ironie, Absicht und manchmal auch Bosheit entgegen zwinkern. In ihnen steckt oft eine künstlerische Gerissenheit, die ich sehr anregend finde, charmant auch deshalb, weil sie früher oder später zur unvermeidlichen Abgerissenheit wird. Es gibt in der Szene Künstler wie z.B. swoon, die ihren Platz in den Galerien und Museen der Welt verdient hätten, und die es immerhin schon bis in den Kunstraum Bethanien geschafft haben (Backjumps – The Live Issue #2. Urbane Kommunikation und Ästhetik) oder die ganz legal Brandwände in SO36 gestalteten.
Doch was soll dieses idiotische Taggen
von Häusern, Türen und (besonders ärgerlich) Autos (siehe Bild)? Im Gegensatz zum Treiben der Street Artists ist das Taggen strikt destruktiv. Es ist auf dem intellektuellen Niveau des Pissmarkensetzens (Revierbeanspruchung) und scheint mir nur ein Ausdruck der niedersten Stammhirntriebe zu sein. Es geht den „Schmierern“ darum, ein Ego zuverteitigen, das aber nie von denen angegriffen wurde, die ihre Selbstbehauptungsbotschaften abbekommen. Deshalb ist es nicht als legitimes „Verteidigen“ zu verstehen, sondern als Aufdrängen, wenn nicht besser sogar als „Angriff“, gegen den sich wiederum verständlicher Weise eine Abwehrhaltung formiert. Man darf es übrigens nicht als Angriff der Besitzlosen auf die Besitzenden verstehen, denn die Beschädigungen (=Gewalttaten) treffen meist die Besitztümer von Menschen, die Angehörige des gleichen sozialen Millieus sind, wie die Aggressoren. Der Auslöser für dieses Verhalten ist darum auch nicht monokausal im (A)sozialen zu suchen, sondern schon eher in der Kulturlosigkeit, oder wie man heute sagt, in der Kulturferne der Akteure. Sprich es ist ein Bildungsproblem.
Die Dumpfheit der (wenigen!) Jugendlichen mit Spraydose ist tatsächlich nicht akzeptabel. Ein paar Hauseingänge weiter wurde vor einigen Tagen einer jungen Mutter unmissverständlich gedroht, die eine Gruppe Jugendliche am hellichten Tage dabei erwischte, wie diese den Eingangsbereich ihrers Wohnhauses von innen beschmierten. Wenn sie zur Polizei ginge, wüssten sie ja wo sie wohne, und das nächste Mal kämen sie dann nicht nur mit Spühflaschen, wurde ihr gesagt. Ich berichte es nur ungern, aber es waren alles türkischstämmige Jugendliche, deren Ansinnen es war, ihre Macht gegenüber einer deutsche Mutter auszuspielen. Das visuelle Pissmarkensetzen wird also von Repressalien, oder zumindest deren Androhung, innerhalb des Reviers begleitet. Wären sie von einer türkischen Mutter erwischt worden, hätten sie vermutlich ganz anders reagiert (,was aber nicht bewisen werden kann).
Wie soll man nun also reagieren? Eigentlich ist es schon zu spät, wenn man von geschehenen Taten zu einer Reaktion gezwungen wird. Wir sollten versuchen, es nicht soweit kommen zu lassen. Das sollte zumindest unser Anspruch sein. Deshalb muss massiv in Bildung und Kulturförderung investiert werden! Doch so leicht kommen wir da nicht raus, denn im Moment geschehen solche Dinge ja allen Ortens und somit muss eine adäquate Reaktion gefunden werden.
Ich habe heute morgen ganz spontan beim Anbblick des Busses vor meiner Tür beschlossen, dass ich das Taggen von Gegenständen in Fremd- oder Allgemeineigentum ab sofort als Sachbeschädigung werte. Ich akzeptiere es nicht länger, dass irgendeine Gruppe von Menschen öffentlichen Raum als ihren Machtbereich auffasst. Ich trete hingegen klar dafür ein, dass jeder Bewohner oder Besucher den gleichen öffentlichen Raum als seinen Einflussbereich ansieht und sich darum einmischt in dessen Benutzung und Gestaltung. Das ist natürlich eine semantische Gradwanderung, auf die ich die beschriebenen Kulturfernen, gegen die ich mich wende, nur schwer mitnehmen kann. Übersetzt in die Sprache der Menschen, für die der Begriff Ehre nicht nur ein hohles Wort ist (so wie für mich), sollte ich wahrscheinlich von Respekt sprechen. Ich erachte es als eine Respektlosigkeit, gegenüber der Unversehrtheit von Menschen und deren Besitztümern, wenn sie mit Farbe beschmiert werden. Deshalb verdienen die Schmierer auch keinen Respekt für ihre Taten, sondern Respekt für ihre Un-Taten, also dafür, dass sie nichts besprühen. Sollten sie es doch tun, muss die Exekutive dieses Staates ihr Gewaltmonopol ausüben und die Judikative richten. Womit ich mich leider in diesem Punkt in Enklang zur Berliner CDU stehe (wie konnte das passieren?). Das Schlagwort „Null Toleranz“ mache ich allerdings sicher nicht zu meiner Wortwahl!